BIBLIOGRAPHIE
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007:grenze:

Grenzen - die autonomie des ich und seine selbstbindung.
Metaphysische reflexionen über die metapher des spiegelfensters und der blick des ich auf den regenbogen.
 Thesen und erläuterungen
 (2002) *)
 *abs.:001-038
stichworte:      abstract:       gliederung:       text:
(kein lokales register)
*) den text hatte Ich als referatvorschlag für den XIX.Kongress für Philosophie, 23.-27.09.2002, in Bonn eingereicht; der vorschlag wurde abgelehnt.


stichworte:

autonomie des ich
erkenntnistheorie
grenze
immanenz
metapher
metaphysik
selbstbindung
spiegelfenster
transzendenz          <--//


abstract
 

Das spiegelfenster ist als metapher der anknüpfungspunkt, die alte frage der metaphysik, was das ich sei (in der tradition: der mensch oder das subjekt) wieder zu reflektieren. Meine these ist, dass die vorstellung der grenze, die die welt des ich eingrenzt und von dem ganz anderen abgrenzt, die bedingung ist, dass das ich sich als ein ich erkennen kann. Insofern ist jede metaphysik als theorie eine limitative theorie, die einerseits grenzen definiert, andererseits selbst aber begrenzt ist.

Das spiegelfenster ist auf der einen seite ein spiegel, der das ich, das im spiegelbild sich erkennt, auf seine immanenz beschränkt. Auf der anderen seite ist das spiegelfenster ein fenster, das dem ich den blick in die ferne freigibt, der, ohne das ich im blick zu haben, in der ferne des horizont sich verliert. Der horizont ist, wie der regenbogen, eine sich entfernende grenze. Die positionen des individuums als ich, das in den spiegel blickt, und des individuums als ich, das durch das fenster in die ferne blickt, wird durch ein drittes individuum als ich ergänzt, das die szene überblickt und weiss, dass das spiegelfenster spiegel und fenster zugleich ist. Dieser dritte kann die blicke des einen ich und des anderen reflektierend verknüpfen.

Den befund verdichte Ich zu der theorie, dass das ich weder im blick in den spiegel, der das ich in seiner immanenz einschliesst, noch im blick durch das fenster, der das ich in der ferne des horizonts verschwinden lässt, eine zureichende vorstellung von seiner welt fassen kann. Die vorstellung, was seine welt ist, kann es nur in der verknüpfung der beiden momente erreichen. Indem das ich sich im spiegel als das selbst erblickt, weiss es, dass es jenseits des spiegelbildes noch etwas geben muss, vor dessen horizont sich sein bild ihm zeigt. Ebenso weiss das ich, dass sein blick durch das fenster immer auf etwas bestimmtes, in raum und zeit beschränktes geht, das, als horizont ein vom ich gesetztes, das ich selbst ist. Diese entgegengesetzten bewegungen des ich auf sich selbst und in die vom horizont begrenzte weite, lebt das ich im gelebten moment seiner gegenwart. Es weiss, dass sein blick auf das spiegelbild immer auch der blick in die entgrenzende ferne ist, und dass dieser blick in die entgrenzende ferne seine grenze im begrenzten selbst hat. In der zeiterfahrung des ich erscheinen diese bewegungen im moment der gelebten gegenwart als synthese, die das ich in seiner erinnerung als facta der vergangenheit und projektionen in die zukunft analytisch präsent hat. Ich interpretiere die synthese als die bedingung, die dem ich in jedem moment seiner gelebten gegenwart die option seiner autonomie offenhält, die das ich in jedem moment seiner gelebten gegenwart durch eine entscheidung schliesst, an die es sich absolut gebunden hat.    <--//


gliederung

1. these: das phänomen: grenze                    /erläuterung:

2. these: die metapher: das spiegelfenster       /erläuterung:

3. these: der blick des ich nach innen            /erläuterung:

4. these: der blick des ich nach draussen        /erläuterung:

5. these: das phänomen: metaphysik            /erläuterung:                      <--//
 

text

Grenzen - die autonomie des ich und seine selbstbindung.
Metaphysische reflexionen über die metapher des spiegelfensters und der blick des ich auf den regenbogen.
(*abs.:001)
 

1. these: das phänomen: grenze
 

Die sprache klärt auf und verhüllt - die rede von der grenze ist eine fiktion; es gibt sie und sie gibt es nicht. Der stein, an dem der fuss sich stösst, ist ein hindernis, der flüchtende aber weiss, dass dieser stein der grenzstein ist, der den raum der angst in den raum der träume verzaubert. (*abs.:002)

Der flüchtende, zurückgestossen vom wächter der grenze, ist in seinen gedanken schon über die grenze hinaus; der wächter, den flüchtenden zurückweisend, ahnt den raum in seinem rücken, und hält sich an das, was seinem blick vertraut ist. (*abs.:003)

Eine imaginäre linie ist die grenze im bewusstsein des ich; sie scheidet die gedanken des wächters und die des flüchtenden, die zugleich hier, diesseits, und dort, jenseits der grenze sind - immer sind die gedanken im anderen. (*abs.:004)

Das ich ist in der immanenz seiner welt nicht zu hause. Es sucht sein heil in der transzendenz; den schatten der immanenz seiner welt entbehrend verliert es sich in der transzendenz. Sein glück ist die begrenzte welt im staunenden blick auf die entgrenzte weite des himmels. (*abs.:005)

Viel fragt das ich; es will die entgrenzte weite erfassen, aber seine antworten spiegeln nur die dinge der welt im horizont seiner welt. (*abs.:006)
 

erläuterung:

 Das problem der sprache fokussiere Ich auf die funktion der metapher. Als ein phänomen der sprache versinnlicht die metapher reflexionsprozesse, die im selbstbewusstsein des ich sich ereignen. Was das ich zur hand hat, das sind die phänomene der sprache, die einerseits als metaphern verfügbar sind, andererseits als theorien, mit denen komplexe sachverhalte auf überschaubare kausalbeziehungen reduziert werden. (*abs.:007)

 Die metapher wirkt per analogie; sie ist nicht das, was sie vorgibt zu sein. Aus diesen grunde kann die metapher die dinge der welt nur vermittelt treffen, und jede kritik einer metapher muss fehl gehen, wenn die metapher mit einem konkreten ding der welt kritisiert wird. Das kritische potential einer metapher liegt in dem, was notwendig über das abgebildete ding der welt hinausgeht. (*abs.:008)

 Das phänomen der grenze ist ein ding der welt, das als eine metapher interpretiert wird. Die reflexion des begriffs: grenze, umfasst sowohl die fragen nach dem warum der dinge dieser welt als auch die antworten auf diese fragen, die traditionell der gegenstand der metaphysik sind. Indem die metaphysik als eine theorie fragt und antwortet, ist sie in ihrer struktur eine limitative theorie, deren wahrheit/nichtwahrheit nicht mit der von ihr definierten struktur entschieden werden kann. Die wahrheitsfrage entscheidet das ich, indem es diese struktur beschreibt; ein instrument dieser beschreibung ist die metapher: grenze. Diese metapher ist in vielfältiger weise, jeweils in einem eindeutig benennbaren kontext, ausdeutbar. Insofern erscheint die metaphysik selbst als eine grenze, die definiert, was diesseits und jenseits ihrer theoreme liegen soll. (*abs.:009)
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2. these: die metapher: das spiegelfenster
 

Das spiegelfenster ist die grenze zwischen dem einen und dem anderen ich; zugleich ist es ein spiegel, der jeden blick des ich auf dieses ich zurückwirft, und es ist ein fenster, das den blick des anderen ich in die weite freigibt, der im horizont der ferne sich verliert. (*abs.:010)

Die blicke des ich und seines anderen sind asymmetrisch/symmetrisch. Das ich kann nur in eine richtung blicken: entweder es blickt in die ferne oder es erblickt sich selbst - tertium non datur. Das ich, das im spiegel sich selbst sieht, kann nicht in die weite schauen; das ich, das durch das fenster in die weite schaut, kann sich selbst nicht sehen. (*abs.:011)

Ein drittes ich tritt hinzu; es hat das spiegelfenster, das eine ich und das andere ich in seinem blick; es synchronisiert den blick des einen ich und den blick des anderen ich, jeweils das eine in dem anderen interpolierend. Das ich wie sein anderer kann reflexiv die position des dritten ich einnehmen. (*abs.:012)

erläuterung:

 Das spiegelfenster steht als gegenstand zwischen zwei individuen als ich; es definiert eine grenze, die das eine ich von dem anderen ich trennt. Als metapher beschreibt das spiegelfenster eine szene, an der drei personen beteiligt sind. A und B stehen auf jeder seite des spiegelfensters; C ist der beobachtende dritte, der die szene im blick hat und das geschehen deutet. (*abs.:013)

 Für A oder B ist das spiegelfenster entweder ein spiegel oder ein fenster. A sieht allein sein spiegelbild, B sieht durch das fenster allein in die weite. Wenn A und B die positionen tauschen, verändert sich allein der bezugspunkt. A kann nicht sehen, was B sieht und umgekehrt. (*abs.:014)

 Der beobachtende C sieht die blicke des A und des B synchron als eine szene. Er weiss, dass das spiegelfenster für den A ein spiegel und für den B ein fenster ist. C weiss, dass die situation ein phänomen ist, in dem die rollen austauschbar sind. Jeder kann die rollen des A, B oder C einnehmen, und damit die situation reflektierend umbiegen. Die position des anderen ist jeweils interpolierbar. Zumindest für den C ist die situation nicht auf den singulären konkreten blick des A oder B reduziert; er kann weitere phänomene in seinen blick aufnehmen, die er analog dem spiegelfenster interpretieren kann. (*abs.:015)

 graphische erläuterung:

  (A) ich --> |||
             <-- |||
             <---|||---- das andere ich (B)

 oder:

  (A) ich ----|||--->
                   ||| <-- das andere ich (B)
                   ||| -->

  Die zeichen sollen bedeuten:

  |||   = spiegelfenster
  ------->  = blickrichtung des A oder des B durch das fenster
  --> <--  = blick des A oder des B auf den spiegel und reflektion
(*abs.:016)

 Die methodische grenze der metapher ist die analogie; innerhalb dieser grenze ist die metapher ein instrument der erkenntnis. Der mechanismus der analogie ist, dass ein phänomen für ein anderes steht; es wird eine gleichheit gesetzt, die die identität der bezogenen phänomene ausschliesst. Die verknüpfung von ausgeschlossener identität und geforderter gleichheit verschafft der analogie das potential zur grenzüberschreitung. Für sich ist die die metapher, soweit es um den konkreten gegenstand geht, in ihrer reichweite immer begrenzt; die gleichheit bestimmter merkmale, die bis zu einer blossen ähnlichkeit verdünnt sein können, verweist aber auf möglichkeiten, die der identität versperrt sind. In dieser doppelten funktion ist die metapher, wenn ihre prämissen nicht definiert sind, für jeden missbrauch offen, wenn nur der schein der plausibität aufrecht erhalten werden kann. Die missbrauchsmöglichkeit schliesst sie aber als erkenntnisverfahren nicht aus. (*abs.:017)
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3. these: der blick des ich nach innen.
 
Der spiegel reflektiert das licht, das in den spiegel hineinfällt; dieses bild im spiegel ist die grenze, die das ich auf die immanenz seiner weltvorstellungen zurückverweist - es ist für das ich die realität, und was sonst noch jenseits des spiegelbildes sein mag, ist für das ich irrelevant; es ist nicht die welt, die es mit seinen begriffen fassen kann. (*abs.:018)

Aber das spiegelbild ist nicht das ich selbst; es ist für das ich das_andere, das nicht der_andere ist, mit dem es in einer gemeinschaft zusammenlebt. Als das_andere ist das spiegelbild ein phänomen, das dem ich seine präsenz als ich zeigt - so wie der schatten, den das ich im gegenlicht wirft, dem ich bewusst macht, dass es das sein muss, das zwischen dem schatten und dem licht steht. Das ich ist das, was sein spiegelbild dem ich zeigt. (*abs.:018)

Narziss verlor sich, nachdem sein spiegelbild verschwunden war.... (*abs.:019)

erläuterung:

 Der physikalischen erklärung zufolge kann das bild im spiegel niemals mehr präsentieren als das, was als licht in den spiegel hineinfällt. In den kategorien der systemtheorie interpretiere Ich den vorgang der reflexion als ein geschlossenes system. Die zahl der elemente, die das system konstituieren, ist absolut definiert, weder kann dem system ein element entzogen werden, noch diesem ein anderes hinzugefügt werden. Ist das der fall, dann ist es ein anderes system. Insofern repräsentiert das spiegelbild einen definierten zustand in einem definierten moment der zeiterfahrung des ich. (*abs.:020)

 Das ich und sein spiegelbild sind zueinander jeweils das_andere. Für sich sind das ich und sein spiegelbild zueinander gleichgültig; erst in der reflexion eines individuums als ich werden sie miteinander in einer relation verknüpft, wobei das ich entscheidet, ob die relation vom ich her gedeutet wird oder vom spiegelbild. Vom ich her ist die relation nicht zwingend - das ich kann dem spiegel sich verweigern; vom spiegelbild her ist die relation zwingend - das spiegelbild setzt das gespiegelte voraus. Das ich muss nicht in den spiegel blicken, sowenig wie das ding der welt einen schatten hat, aber das spiegelbild wie der schatten setzen voraus, das es das ich als ein gespiegeltes oder ein schattenwerfendes ding der welt geben muss. (*abs.:021)

 Für das ich ist sein spiegelbild die absolute grenze; die rückseite des spiegels kann das ich nicht einsehen; das ist eine terra incognita, die das ich, wenn es sie einsehen könnte, in eine terra cognita verwandeln würde; das wäre für das ich eine andere realität. Der blick hinter den spiegel schafft allein eine neue realität, die den spiegel als grenze nicht beseitigt, aber den ort der grenze verschiebt. Im streit kann also nur der verlauf der grenze stehen, niemals aber die grenze als grenze. (*abs.:022)

 Ex negativo ist plausibel demonstrierbar, dass das ich sich als ein selbst nur in seinem spiegelbild bewusst sein kann: gesetzt, das ich blickt in einen spiegel und sein spiegelbild erscheint ihm nicht. Die erste folgerung ist: die relation: ich<-->spiegelbild, existiert nicht. Die zweite folgerung ist: das ich ist auf sich selbst zurückgefallen ohne die möglichkeit, im anderen sich als das zu bestimmen, was es ist. Die verknüpfung der beiden folgerungen ist die behauptung, dass das spiegelbild als das_andere das konstitutive moment zugleich zeigend und verbergend enthalten muss, das das ich zu dem macht, was es ist, und was es in seinem bewusstsein sein will. Da aber das spiegelbild nicht mehr zeigen kann als das, was es widerspiegelt, erscheint das ich in einem zirkel eingeschlossen, dem es nicht entkommen kann. Entweder das ich verliert mit dem wegfall seines spiegelbildes sich selbst, oder das ich sieht sich verdoppelt im spiegelbild - tertium non datur. (*abs.:023)

 Als ich ist das ich aber autonom, es kann sich entscheiden, ob es sich im spiegelbild sehen will oder nicht. Diese entscheidung ist für das ich nur dann möglich, wenn es anerkennt, dass die alternative: blick in den spiegel - ja oder nein, die anerkennung zur bedingung hat, dass sein bild im spiegel nicht mehr sein kann als das, was es selbst ist. Der spiegel als grenze erscheint so dem ich als die bedingung, die die verknüpfung von autonomie des ich und seine bindung an die autonome entscheidung konstituiert. (*abs.:024)

 Diese überlegung führt zu einem dilemma, das auf der analytischen ebene, die nur den blick des ich in den spiegel - ja oder nein - zulässt, nicht auflösbar ist. Entweder verbleibt das ich, wenn es in den spiegel blickt, in der immanenz seines spiegelbildes, oder es verliert sich, wenn es den blick verweigert, relationslos in der immanenz seiner identität. (*abs.:025)
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4. these: der blick des ich nach draussen.
 

Der blick des ich durch das fenster geht in die weite seiner welt; er verliert sich in der bläue des himmels oder er bricht sich im fernen horizont. (*abs.:026)

Der horizont als die grenze der weite seiner welt ist dem ich so präsent wie der regenbogen, der mit jedem schritt des ich auf ihn zu dem ich wieder entweicht. (*abs.:027)

Im blick durch das fenster, der enge seiner immanenz entronnen, erblickt das ich alles, allein sich selbst nicht; es fühlt die weite, die fülle der möglichkeiten, die, wenn das ich sie ergreift, zu den dingen seiner begrenzten welt werden. Das versprechen von glück verschwindet im blick in den facta der vergangenheit und den projektionen in die zukunft, die dem ich in seinen erinnerungen an das versprochene noch einmal als glück aufleuchten können. Das ist wenig, aber für das ich ist es die fülle seiner existenz. (*abs.:028)

erläuterung:

 Das fenster grenzt als teil einer mauer einerseits ab, andererseits gibt es aber als lücke in der mauer den blick auf das andere frei. Das fenster hat die doppelte funktion der begrenzung und der entgrenzung. (*abs.:029)

 Der blick durch das fenster geht immer auf das, was jenseits des fensters liegt; insofern hebt das fenster die grenze als grenze auf; es ist ein ding wie alle dinge der welt, die irgendwo im raum ihren ort haben. Dieser blick durch das fenster erweitert den vom fenster abgeschlossenen binnenraum zu einem vom fenster eröffneten aussenraum, aber indem der blick des ich von dem aussenraum besitz ergreift, wird dieser zu einem binnenraum. Das ich, das durch das fenster die blume im garten sieht, ergreift mit seinem blick diese blume und ordnet sie in seine welt ein. Wie im mythos vom könig Midas, dem alles zu golde wird, hat das ich die erblickten sachen nur als dinge seiner welt. (*abs.:030)

 Mit seinem blick durch das fenster verschiebt das ich seine grenzen, aber der blick beseitigt die grenzen nicht. Im blick ist das versprechen auf veränderung der welt real, aber ergreift das ich das versprochene, dann hat es nur ein ding seiner welt in der hand, und wie der regenbogen erneuert sich zurücknehmend das versprechen. Das ich ist im blick autonom, und im gesehenen ist es gebunden an das, was es sieht. In dieser dialektik von autonomie und bindung entäussert sich das ich, das im blick sich selbst nicht sehen kann, an das, was es sieht und das ihm als das_andere erscheint. In der relation: ich<-->das_andere, hat das ich sich selbst als das dem anderen andere, aber es kann nicht wissen, dass es das_andere selbst ist. (*abs.:031)

 Die analyse der relation: ich<-->das_andere, kann bis in das letzte detail vorangetrieben werden, aber weiter als bis zu dem punkt, dass das ich das dem anderen andere ist, kann es nicht kommen, weil der schluss logisch nicht zulässig ist, dass das_andere das ich selbst ist. (*abs.:032)
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5. these: das phänomen: metaphysik
 

Der blick nach innen und der blick nach draussen sind in ihrer verknüpfung für das ich konstitutiv. Im blick nach draussen weiss das ich, dass es auch ein ich ist, im blick nach innen weiss es, dass es auch in seiner welt lebt. Nur das ich kann diese synthese der beiden blicke für sich gültig ins werk setzen - es ist seine existenz. (*abs.:033)

Die synthese ist die gelebte gegenwart des ich. Narziss ging zugrunde, weil er der immanenz seines spiegelbildes, den facta der vergangenheit, nicht entkommen konnte; Ikarus stürzte, weil er sich in der ferne, den projektionen seiner zukunft, verlieren musste - beide sind träumer, die für sich scheitern müssen. Wenn das ich aber in einem reflektorischen akt sein spiegelbild mit der vision der ferne verknüpft, indem es im spiegelbild die ferne, und in der ferne das bild von sich selbst erblickt, dann überschreitet es die grenze, die es selbst ist. Es ist bei sich in der ferne, im bild von sich selbst hat es sich im anderen entäussert. Autonom überschreitet es sich selbst, sich an das bindend, was es ist. (*abs.:034)

erläuterung:

 In der metapher vom spiegelfenster vertritt der C die position der synthese. Die relationen:

  A<-->spiegelfenster(=spiegelbild)
  B<-->spiegelfenster(=fensterblick)


 sind für C objekte und konstituieren für ihn diese relation:

  C<-->(A<-->spiegelbild<-|||->fensterblick<-->B)
( Die zeichen bedeuten:
  <--> = relation/wechselseitig
      |||  = grenze/ spiegelfenster)


 C weiss, dass A und B, wenn sie ihre positionen wechseln, genau das sehen können, was sie vorher nicht sehen konnten, aber für den A und B bleiben die begrenzungen durch das trennende spiegelfenster. Daraus kann C, weil er anderes wahrnimmt, in einem prozess der reflexion folgern, dass A und B, abhängig von der situation sowohl ihr spiegelbild als auch die begrenzte ferne ihrer welt sehen können. Das spiegelfenster erscheint in dieser konstellation als eine grenze, die einerseits strikt abgrenzt, aber genauso strikt entgrenzt und den blick darüber hinaus freigibt. (*abs.:035)

 Den befund verallgemeinere Ich zu einer theorie, dass weder der blick nach innen, noch der blick nach draussen für sich dem ich eine zureichende vorstellung seiner welt vermitteln können. Die vorstellung, was seine welt ist, kann das ich nur in der verknüpfung der beiden momente erreichen. Indem das ich sich im spiegel als das selbst erblickt, weiss es, dass es jenseits des spiegelbildes noch etwas geben muss, vor dessen horizont sich sein bild ihm zeigt. Ebenso weiss das ich, dass sein blick durch das fenster immer auf etwas bestimmtes, in raum und zeit beschränktes geht, das, als horizont ein vom ich gesetztes, das ich selbst ist. Diese entgegengesetzten bewegungen des ich auf sich selbst und in die vom horizont begrenzte weite, lebt das ich im gelebten moment seiner gegenwart. Es weiss, dass sein blick auf das spiegelbild immer auch der blick in die entgrenzende ferne ist, und dass dieser blick in die entgrenzende ferne seine grenze im begrenzten selbst hat. In der zeiterfahrung des ich erscheinen diese bewegungen im moment der gelebten gegenwart als synthese, die das ich in seiner erinnerung als facta der vergangenheit und projektionen in die zukunft analytisch präsent hat. Ich interpretiere die synthese als die bedingung, die dem ich in jedem moment seiner gelebten gegenwart die option seiner autonomie offenhält, die das ich in jedem moment seiner gelebten gegenwart durch eine entscheidung schliesst, an die es sich absolut gebunden hat. (*abs.:036)

 Die analytik ist das geschäft der wissenschaft; das geschäft der metaphysik ist die synthese des disparaten. Sie ist das werk des ich. Als werk ist die synthese partikular, obgleich ihr telos für das ich universal gültig sein soll. (*abs.:037)

 Jede metaphysik ist in ihrer struktur eine limitative theorie, deren reichweite durch ihren jeweiligen kontext definiert ist. Allein in dieser begrenzung kann die metaphysik ihre synthetische funktion ausfüllen, die als theorie analytisch operiert. Ihre resultate, die universale geltung behaupten, sind als partikulare aussagen gültig, über deren gültigkeit nicht die theorie(=metaphysik) entscheidet, sondern das ich, das die metaphysik(=theorie) anwendet. Das ich kann die resultate der anderen als für sich gültig akzeptieren,
aber diese entscheidung ist allein in der autonomie des ich gegründet. (*abs.:038)
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stand: 09.01.01.  //  eingestellt: 03.01.03.

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