BIBLIOGRAPHIE
TEXTSAMMLUNG

013:neu/alt:

 Nichts neues - die utopien des gerechten staats und die reale  illusion des kreativen.
 (2005/2005)/ absätze: *abs.:001-018*

vorbemerkung  //  stichworte  //  abstract  //text
 (kein lokales register)

vorbemerkung
Den text hatte Ich zum XX.Deutschen Kongress für Philosophie in Berlin, September 2005, Sektion 3: Utopien - Kreative Entwürfe der Staatsphilosophie, als referatsvorschlag eingereicht. Der vorschlag war nicht akzeptiert worden. Abstract und text sind unverändert, für die publikation auf der homepage habe Ich die anmerkungen angepasst. <--//
stichworte
alt/neu
begriff: raum und zeit
gerecht/ungerecht
gerechtigkeit
interesse
klassifikationsbegriff
kreativität
raumzeiterfahrung
relationsbegriff
trialektik
utopie
welterkenntnis/trialektisch   <--//
abstract  (fassung: 18.02.2005)
 
Die utopie des gerechten staates hat im zeitalter der globalisierung
ihren glanz verloren; die neoliberalen ideologen denunzieren den wohlfahrtsstaat als einen irrationalen moloch, auf den märkten sind die aktuellen zahlen der börsennotierungen der maasstab der neuen rationalität. Das mantra der neoliberalen ist kreativität, aber das neue zauberwort spielt mit den erwartungen der menschen, die ihre hoffnungen in der alten idee der gerechtigkeit fundieren, dass eine humane existenz möglich sei. Im diskurs aber wird der begriff: kreativität, seine rationalität nur dann behaupten können, wenn die grenzen bestimmt sind, in denen die menschen ihre kreativität ausleben.

Das referat konzentriert sich auf drei problemfelder:

1. die analyse der begriffe: kreativität und gerechtigkeit. Der begriff: kreativität, hat zwei bedeutungen, zum ersten im sinn von generieren; zum zweiten im sinn von schöpfen oder schaffen. Auf der einen seite die biologischen prozesse der selbstgeneration, auf der anderen seite die humane perspektive des schöpfungsaktes. Gemeinsam ist beiden aspekten die beobachtung, dass aus vorhandenem, das alte, neues entstanden ist, das in seiner besonderheit auf der einen seite vorher nicht existiert hatte, und auf der anderen seite in seiner neuen existenz alle merkmale des alten zeigt. Real ist der begriff: gerechtigkeit, nur im horizont seiner negation, der ungerechtigkeit.

2. Das problem der entgegensetzung von alt und neu, gerecht und ungerecht. Die begriffe: alt/neu und gerecht/ungerecht, sind relationsbegriffe; ihre eigentümlichkeit ist die bestimmung des neuen/gerechten (alten/ungerechten), im horizont des alten/ungerechten (neuen/gerechten). Die traditionale dialektik kann die entgegensetzung in den relationsbegriffen rational nicht auflösen, weil das individuum als ich, das entscheidet, was als alt/ungerecht (neu/gerecht) gelten soll, im modell der dialektik keinen systematischen platz hat. Das problem relativiert sich in der erweiterung der dialektik zu einer trialektik, die das individuum als ich als ein konstitutives moment in die konstruktion mit einbezieht. In letzter instanz, aber im konsens mit denen, die es betrifft, entscheidet das ich, was als alt/ungerecht oder neu/gerecht bewertet wird.

3. Die illusion des kreativen. Im geschlossenen system der trialektik sind die phänomene: kreativität und gerechtigkeit, illusionen, die in der raumzeiterfahrung des ich real sind. In seiner zeit unterscheidet das ich das alte/ungerechte vom neuen/gerechten (das neue/gerechte vom alten/ungerechten), indem es das, was es als factum der vergangenheit im moment seiner gelebten gegenwart präsent hat als das alte/ungerechte interpretiert, und das, was es als projektion in zukunft im moment seiner gelebten gegenwart imaginiert, als das neue/gerechte ersehnt.

Die alten und neuen utopien eines gerechten staates sind der horizont für die begriffe: alt/neu und gerecht/ungerecht. Das referat bedient weder das historische interesse, noch kreiert es eine neue utopie, die nur das schicksal aller historischen utopien teilen kann.  <--//

text:
 
Nichts neues - die utopien des gerechten staats und die reale illusion
des kreativen.

Einleitung

Es ist chic, global von der kreativität zu reden und die chance, das hohe lied der kreativität in den märkten zu singen, lässt kein ideologe des neoliberalismus ungenutzt. Was mit dem aplomb des neuen daherkommt, das hat seinen glanz vom alten geliehen, und das alte ist der horizont, in dem das geschrei von der freiheit in den märkten seinen sinn spiegelt, einer freiheit, von der alle träumen, die aber nur wenigen real verfügbar und den meisten bürgern real entzogen ist. Die geschichtlich real gewordenen gesellschaftsordnungen und die utopien des gerechten staates sind die erbschaft der zeitgenossen, und dieses erbe werden sie nur dann bewahren können, wenn sie verstehen, dass in den alten vorstellungen einer gerechten ordnung die neue ordnung der gesellschaft ebenso aufleuchtet, wie die geträumte neue ordnung das spiegelbild der alten ordnungen ist, die nur das individuum als ich in seiner kreativen phantasie imaginieren kann.(*abs.:001*)

Im essay beschränke Ich mich auf zwei begriffe, die in den diskursen über die phänomene sozialer ordnungen die funktion der orientierung ausfüllen. Auf verschiedenen argumentebenen verknüpfen die diskurtanten die begriffe: gerechtigkeit und kreativität, miteinander, die, so scheint es, einerseits keine gemeinsame schnittmenge aufweisen, andererseits aber bei den diskurtanten das gefühl präsent halten, dass die struktur der beiden begriffe das verknüpfende band sein könnte.
(*abs.:002*)

Im ersten teil analysiere Ich die begriffe: gerechtigkeit und kreativität; die begriffe: das alte/das neue und das gerechte/das ungerechte, werden in die analyse einbezogen. Das problem der begriffe fokussiere Ich im zweiten teil auf die logische struktur dieser begriffe. Als relationsbegriffe sind die begriffe: das gerechte/das neue und das ungerechte/das alte, nicht mit den kategorien der klassifikationsbegriffe fassbar. Die klassische dialektik kann die relationsbegriffe adäquat nicht darstellen, weil sie das individuum als ich ignoriert, das das konstitutive moment der relationsbegriffe ist. Dieses defizit der traditionalen dialektik ist in der theorie der trialektischen welterkenntnis beseitigt(01). Der gegenstand des dritten teils ist die illusion des kreativen. In seiner lebenspraxis hat das individuum als ich eine reale vorstellung von dem, was für es das neue und alte, das ungerechte und gerechte sein soll. Im horizont seiner raumzeiterfahrungen interpretiert es seine vorstellungen als das alte und ungerechte, wenn es im moment seiner gelebten gegenwart diese dinge seiner welt als facta der vergangenheit präsent hat. In der gleichen weise imaginiert es das als das ersehnte neue und gerechte, wenn es im moment seiner gelebten gegenwart diese dinge seiner welt als projektionen in die zukunft träumt. Im moment der gelebten gegenwart sind die phänomene des alten und ungerechten, des gerechten und neuen für das individuum als ich real.(*abs.:003*)

Meine absicht ist darauf begrenzt, die grenzen der begriffe: kreativität und gerechtigkeit, zu bestimmen, die beachtet werden sollten, wenn im diskurs die beteiligten die möglichkeiten ausloten, die dem kreativen handeln eines individuums als ich offen stehen, wenn es dieses handeln in einer sozialen ordnung realisieren will, die als neu und gerecht bewertet werden soll(02).(*abs.:004*)
 

Hauptteil 1: die begriffe: kreativität und gerechtigkeit

Das individuum als ich nimmt die phänomene: gerechtigkeit und kreativität, als gegensätze wahr; sie haben wenig, vielleicht sogar nichts miteinander gemein. Dieser beobachtung steht aber die erfahrung entgegen, dass das individuum als ich in der unterscheidenden reflexion dieser phänomene begriffe verwendet, die in ihrer struktur gleich sind. Die gleichheit in der struktur rechtfertigt es, diese begriffe sowohl in der analyse als auch in der synthese des analytisch getrennten miteinander zu verknüpfen.(*abs.:005*)

Die definitionen der begriffe: gerechtigkeit oder das gerechte, sind in der historia umstritten(03). Das problem wird auf die frage eingeschränkt, was das "suum cuique" sein soll, das jedem zuteil sein muss, wenn dieser an einer gerechten ordnung teilhaben soll. Welche materielle erklärung auch gegeben werden mag, jede materielle, also positive bestimmung dessen, was das suum cuique sein soll, ist in einem horizont situiert, der festlegt, was das ungerechte ist, das vielfältig in den grautönen der existenz präsent ist. Die bestimmung des suum cuique ist eine definition ex negativo, indem das, was positiv bestimmt werden soll, das suum cuique, in den termini dessen, was es nicht sein soll, ausgedrückt wird. Diese beobachtung, für sich schon merkwürdig, wiederholt sich, wenn bestimmt werden soll, was das ungerechte ist. Diese bestimmung ist ebenfalls in einem horizont situiert, der festlegt, was das ungerechte nicht sein soll und dabei mit termini operiert, die gewöhnlich das gerechte bezeichnen. Sowohl in der bestimmung dessen, was das gerechte sein soll, als auch in der bestimmung dessen, was das ungerechte ist, ist das verfahren: ex negativo, das prinzip der bestimmung; es fesselt das argument in einem dilemma, das theoretisch nicht auflösbar ist, praktisch aber in der setzung dessen aufgelöst wird, was das gerechte/ungerechte zu einem bestimmten punkt in einem bestimmten moment in zeit und raum sein soll. Wie das problem der bestimmung auch gedreht und gewendet werden mag, die positive bestimmung dessen, was das gerechte sein soll, bleibt von dem umstellt, was das ungerechte real ist; nicht anders die bestimmung dessen, was das ungerechte ist, das unmittelbar erfahren wird und das in die vorstellungen eingefasst ist, die die individuen als ich mit dem gerechten verbinden.(*abs.:006*)

Der terminus: kreativität, ist in seiner bedeutung zweiseitig. Die etymologische erklärung des begriffs verweist auf zwei wurzeln, die vermittelt über den deutschen terminus: erzeugen, unzulässig miteinander verknüpft werden. Eine wurzel ist das lateinische verbum: creare, in der bedeutung: schaffen und erzeugen; die andere wurzel ist das lateinische verbum: gignere, in der bedeutung: erzeugen und gebären. Die wurzel: gignere, verweist auf die biologischen prozesse der selbstgeneration des lebens, die wurzel: creare, verweist auf die prozesse menschlichen tuns, das aus altem neues schöpft. In einem moment stimmen beide bedeutungen aber überein: aus altem und vorhandenem entsteht neues, das es in seiner individualität vorher nicht gegeben haben konnte. Das problem, den begriff: kreativität, zu definieren, hat seinen kern darin, das festzulegen, was als das alte und das neue gelten soll, das in den phänomenen im horizont des jeweils anderen erscheint. Die festlegung, dass der bestimmte gegenstand neu ist, erfolgt an einem anderen gegenstand, der als alt bestimmt ist, und die bestimmung, dass dieser gegenstand alt ist, erhält ihren sinn nur in der abgrenzung dieses gegenstandes von anderen, die als neu bestimmt sind. Das argument ist in der dialektik von alt und neu verstrikt, die theoretisch nicht entscheidbar ist, praktisch aber in der einen oder anderen weise immer wieder entschieden wird.(*abs.:007*)

Hauptteil 2. die trialektik der begriffe: das gerechte/das ungerechte und das alte/das neue

So verschieden die dialektik der begriffspaare: das gerechte/das ungerechte und das alte/das neue, in der realität auch erscheinen mag, in ihrer struktur sind die begriffe gleich. Das bestimmende moment ist jeweils im anderen begriff festgelegt. Ich bezeichne begriffe dieser struktur mit dem terminus: relationsbegriff(04). Die termini: das alte und das neue oder das gerechte und das ungerechte, verweisen zwar auf etwas, aber sie haben als zeichen für sich keine bestimmte bedeutung. Erst wenn diese termini mit den phänomenen und begriffen des alten und neuen oder des gerechten und ungerechten verknüpft werden, wird den termini eine bestimmte bedeutung zugeordnet, die sowohl für die begriffe als auch für die phänomene konstitutive momente sind. Diese bedeutung ist aber weder aus dem zeichen noch aus den bezeichneten begriffen und phänomenen ableitbar, ihre bedeutung wird von einem individiuum als ich gesetzt, und diese setzung fixiert das individuum als ich in einer relation, die es mit den dingen seiner welt hat. In der klassischen dialektik, die traditionell das alte dem neuen, das gerechte dem ungerechten zweiseitig entgegensetzt, erscheint ein drittes moment, das individuum als ich, das der entgegensetzung von alt/neu und gerecht/ungerecht ihren unverwechselbaren sinn gibt(05).
(*abs.:008*)

Das modell der trialektischen welterkenntis operiert mit drei relationen; verknüpft mit den begriffen des alten/neuen und gerechten/ungerechten, die im individuum als ich ihren angelpunkt haben, kann dieses schema fixiert werden:

 1.relation: das_individuum_als_ich<==|==>das_alte
 2.relation: das_individuum_als_ich<==|==>das_neue
 3.relation:                        das_alte<==|==>das_neue

(das individuum als ich)

 1.relation: das_individuum_als_ich<==|==>das_gerechte
 2.relation: das_individuum_als_ich<==|==>das_ungerechte
 3.relation:                das_gerechte<==|==>das_ungerechte. x(06)x(07)  (*abs.:009*)

In den relationen 1 und 2 ist das individuum als ich unmittelbar mit den begriffen des alten/guten oder des gerechten/ungerechten relationiert; die begriffe des alten und guten oder des gerechten und ungerechten erscheinen in der 3.relation abgeleitet miteinander relationiert, weil sie über die relationen 1 und 2 auch mit dem individuum als ich verknüpft sind. Das entscheidende moment in dieser konstruktion ist das individuum als ich, das in den relationen, entweder direkt oder vermittelt, festlegt, was als das alte, das neue, das gerechte und das ungerechte gelten soll. Die relationen sind in der konstruktion so angeordnet, dass das in der relation nicht erscheinende dritte moment die funktion eines horizontes hat, der den relationen ihren spezifischen sinn vermittelt. Wenn das individuum als ich ein bestimmtes ding der welt als neu (oder gerecht) ansieht, dann kann es dieses nur im horizont des alten (oder ungerechten) tun, in dem sowohl das ding der welt als auch das individuum als ich selbst eingebunden sind; ebenso muss das individuum als ich argumentieren, wenn es das ding der welt als alt (oder ungerecht) bestimmt. Jede verknüpfung des alten und des neuen (oder des gerechten und des ungerechten) in einer bestimmten relation hat ihren bestimmten sinn nur darin, wenn es im horizont eines individuums als ich gedacht wird. Im modell der trialektischen welterkenntnis ist jede bestimmung dessen, was als das alte oder neue, das gerechte oder ungerechte bestimmt werden soll, einerseits exakt als dieses alte, als dieses neue, als dieses gerechte oder als dieses ungerechte bestimmt, andererseits ist diese bestimmung aber immer auf ein neues oder altes, ein ungerechtes oder gerechtes bezogen, das jede bestimmung im horizont des ausgeschlossenen dritten moments relativiert.(*abs.:010*)

Das kritische moment in diesem modell ist das individuum als ich. Einerseits ist es real in seiner persönlichkeit präsent, andererseits bleibt aber das moment im vagen unbestimmt, das das individuum als ich veranlasst, ein bestimmtes phänomen als alt oder neu, als gerecht oder ungerecht einzuschätzen, weil zu jeder bestimmten einschätzung immer auch eine unterscheidbare gegensätzliche ansicht geltend gemacht werden kann. In der analyse seiner erwägungen kann das individuum als ich seine argumente darlegen, die es als seine gründe geltend macht, ein bestimmtes ding der welt in raum und zeit als alt/neu oder gerecht/ungerecht einzuschätzen, aber wie es sich auch entscheiden mag, an einem bestimmten punkt seiner argumentation wird es innehalten müssen und die faktische begründung entweder in einem zirkel verschwinden lassen oder den prozess der begründung in der setzung eines bestimten grundes abschliessen, der selbst keinen grund ausweisen kann. Der zirkelschluss ist verpönt, wird aber dennoch immer wieder versucht; die setzung ist eine leerstelle im system, die jedes individuum als ich mit seiner entscheidung ausfüllt.(*abs.:011*)

Hauptteil 3: die illusion des kreativen: nichts neues, aber dennoch erscheint im alten alles neu und im neuen alt

Die differenz zwischen den begriffen: alt und neu oder gerecht und
ungerecht, die das individuum als ich nicht aufheben kann, ohne sich selbst als ich zu vernichten, realisiert das individuum als ich in raum und zeit. Was für das individuum als ich einerseits eine illusion, ein wahngebilde ist, das ist andererseits für das individuum als ich die reale situation seines lebens: im alten ist es von neuem umgeben, die realen sozialen verhältnisse, die es als ungerecht erlebt, haben ihren widerschein in den utopien gerechter ordnungen. In der differenz des alten und neuen, des gerechten und ungerechten lebt das individuum als ich seine kreativität, die ihr spiegelbild in der differenz von realität und illusion hat. Das trialektische modell der welterkenntnis lässt das bedürfnis unbefriedigt offen, das neue und gerechte in dauer zu halten; in seinen hoffnungen aber hat das individuum als ich diese illusion real präsent, die im moment der gelebten gegenwart in das alte, das ungerechte umschlägt. Das faktum dieser transformationen stellt es in seinen reflexionen fest und verortet den grund dieser transformation in seiner raumzeiterfahrung.(*abs.:012*)
 

a) die trialektik der raumzeiterfahrung

Jedes ding der welt ist für sich das, was es ist - eine tautologische aussage, die das individuum als ich in seiner raumzeiterfahrung mit sinn anfüllt. Das trialektische modell der raumzeiterfahrung(08) operiert mit den traditionellen formen der zeit: "gegenwart, vergangenheit und zukunft", ordnet diese aber nicht auf einem zeitpfeil an, der aus der vergangenheit kommend in der gegenwart real ist und in der zukunft wieder verschwindet, sondern fundiert die raumzeiterfahrung des individuums als ich in der unmittelbar gelebten gegenwart, in der das individuum als ich die facta der vergangenheit erinnert und die projektionen in die zukunft imaginiert. Der vermittlungspunkt ist die gelebte gegenwart, das unmittelbare hier und jetzt, in dem das individuum als ich bei sich selbst ist. In dieser gelebten gegenwart erinnert das individuum als ich die facta der vergangenheit und imaginiert es die projektionen in die zukunft. Für das individuum als ich sind die erinnerungen und imaginationen real; ausserhalb dieser erinnerungen und imaginationen des individuums als ich sind die facta der vergangenheit und die projektionen in die zukunft für das individuum als ich keine dinge seiner welt - was sie sonst noch sein mögen, das ist für es irrelevant. Die unmittelbar gelebte gegenwart des individuums als ich und das individuum als ich sind identisch; folglich sind drei relationen möglich, mit denen das individuum als ich die momente der zeit: "gegenwart(=das_individuum_als_ich), das factum der vergangenheit und die projektion in die zukunft" miteinander verknüpft:

1.relation:  gegenwart(=das_individuum_als_ich)<==|==>factum_der_vergangenheit
2.relation:  gegenwart(=das_individuum_als_ich)<==|==>projektion_in_die_zukunft
3.relation:                  factum_der_vergangenheit<==|==>projektion_in_die_zukunft. x(09)

Was das individuum als ich in seiner gelebten gegenwart als ein factum der vergangenheit erinnert, das erinnert es im horizont der projektion in die zukunft, das in der relation ausgeschlossen ist. Ebenso kann es eine projektion in die zukunft nur im horizont der erinnerten facta der vergangenheit imaginieren, die in der relation ausgeschlossenen sind. Die relation: factum_der_vergangenheit<==|==>projektion_in_die_zukunft, ist nur im horizont der gelebten gegenwart eines individuums als ich konkret, das in der relation unmittelbar nicht präsent ist. Was das individuum als ich in seiner erfahrung als zeit im sinn der tradition erlebt, das ist ein komplexes wechselspiel von jeweils zwei momenten in einer bestimmten relation, die das ausgeschlossene dritte moment zum horizont hat, der zugleich die grenze der welt des individuums als ich fixiert. Jenseits dieser grenze kann das individuum als ich nichts prädizieren, und was es dennoch prädiziert, das sind dinge seiner welt.
(*abs.:013*)

b) die realität des neuen/gerechten im horizont der raumzeiterfahrung

In der logik seiner raumzeiterfahrung ordnet das individuum als ich seine vorstellungen des neuen/alten oder des ungerechten/gerechten. In der systematik der zuordnungen ist das alte oder ungerechte mit den facta der vergangenheit relationiert, das neue oder gerechte mit den projektionen in die zukunft. Das individuum als ich kann die stringenz der logik in den phänomenen seiner welterfahrung nur relativiert erfassen. Die unmittelbar gelebte gegenwart ist für das individuum als ich nicht quantifizierbar, sie kann der augenschlag der geschichte sein oder die gefürchtete ewigkeit. Jedes factum der vergangenheit, das ein individuum als ich im moment seiner gelebten gegenwart als factum der vergangenheit erinnert, wird im moment des erinnerns von ihm im moment seiner gelebten gegenwart wieder in ein factum transformiert, das in die vergangenheit absinkt, aus der es wieder von ihm selbst in einem akt des erinnerns in die gelebte gegenwart zurückgeholt werden kann. In der gleichen weise ist jede projektion in die zukunft im moment ihrer imagination ein moment der gelebten gegenwart des individuums als ich und imaginiert sinkt es als factum der vergangenheit in diese ab, um als utopie wieder erinnert zu werden. In ihrer kausalität sind diese prozesse der transformation im individuellen impuls des individuums als ich verortet, das die kausalität der zuordnungen verantwortet. Das resultat der kreativen aktivitäten des individuums als ich können festgestellt werden und werden von den anderen, jeder für sich, auch zur kenntnis genommen, aber sein grund bleibt immer das geheimnis des individuums als ich, das keine gewalt ihm entreissen kann(10). (*abs.:014*)

In der doppelten sicht der phänomene des alten und neuen, des gerechten und des ungerechten, sind diese phänomene einerseits präzis bestimmt, andererseits aber erscheinen sie zugleich als vage und unbestimmt. Was für das eine individuum als ich der inbegriff des neuen oder gerechten ist, das kann für das andere individuum als ich eine alte sache sein, die keines blicks mehr wert ist und als ungerecht abgetan wird. Die phänomene taugen nicht als beweis, dass es so sein muss, wie der eine oder der andere es kontrovers behaupten, und wenn es in den öffentlichen diskussionen keinen streit über bestimmte phänomene gibt, dann ist dies der tatsache geschuldet, dass ein allgemeiner konsens besteht, der das maass ist, was für alle, die es betrifft, gelten soll. Was aber der kern des konsenses über die gerechte ordnung in der gesellschaft real sein soll, das war in der bekannten historia immer umstritten gewesen, und die individuen als ich, damals wie heute, konfrontieren ihre positionen streitig; für die einen war die alte ordnung ungerecht und defizitär, die durch eine neue, gerechte ordnung ersetzt werden muss, für die anderen ist es gerade die neue ordnung, die ungerecht die alte und gute ordnung zerstören wird. Im zentrum dieser kontroversen steht immer das individuum als ich, das eine bestimmte ordnung nach den kriterien: gerecht oder ungerecht, einschätzt. Die utopien des gerechten staates und die realen sozialen bedingungen, die in der gelebten gegenwart erfahren und als facta der vergangenheit erinnert werden, spiegeln diese kontroversen. Das alte ist im neuen gegenwärtig, dem das neue sich nicht entziehen kann; das neue veraltet exakt im moment seiner erinnerung als ein factum der vergangenheit. Die utopie des gerechten staates, die das individuum als ich in seiner projektion in die zukunft als das neue imaginiert hat, ist im moment des erinnerns dieser projektion schon das alte in der gestalt defizitär erlebter realität. Die geschichte, in ihren ereignissen als factum der vergangenheit erinnert, ist im moment des erinnerns das neue in der gestalt einer offenen, vom individuum als ich gestaltbaren realität, aber als erinnerte utopie des neuen und gerechten sind diese projektionen in die zukunft im gelebten moment der gegenwart für das individuum als ich bereits ein factum der vergangenheit.(*abs.:015*)

In der spannung der differenz zwischen dem alten und neuen, in der die differenz von dem gerechten und dem ungerechtem mit aufscheint, realisiert das individuum als ich sein kreatives potential, das in seinem individuellen impuls den quellgrund hat. Es kann, weil es im alten zuhause ist, seine kreativität nicht auf das moment des neuen allein abstellen, obgleich seine kreativität nur im neuen wirksam ist, das transformiert in der raumzeiterfahrung des individuums als ich im alten wieder verschwindet.(*abs.:016*)

Schluss

Die kreative tat des individuums als ich ist von interessen umstellt. Der begriff: interesse, ist für sich betrachtet und entgegen der allgemeinen meinung unproblematisch; problematisch sind die phänomene, in denen die individuen als ich ihre interessen wahrnehmen, die mit den interessen der anderen als nicht kompatibel erscheinen. Faktisch ist kein ding der welt denkbar, das die individuen als ich nicht gegensätzlich wahrnehmen könnten. So wird die werbung in der öffentlichen wahrnehmung als inbegriff des neuen vermarktet, die, wenn die maasstäbe ein wenig modifiziert werden, nichts anderes ist als der dreck von gestern. So wird die politik der agenda 2010 als inbegriff des gerechten vermarktet, die, wenn die traditionen der arbeiterbewegung in der vergangenheit der maasstab sind, nichts anderes ist als die potenzierung ungerechter sozialverhältnisse. Diese behauptungen beuten in ihrer gegensätzlichkeit das moment der kreativität aus, das die einen mit dem fortschritt und die anderen mit der tradition identifizieren. Diese gegensätze sind theoretisch nicht entscheidbar, praktisch aber werden diese gegensätze entschieden, weil einerseits jedes individuum als ich für sich legitim behaupten kann, in seinem autonomen handeln eine verantwortbare entscheidung gefällt zu haben, und weil andererseits die faktische machtverteilung(11) in den sozialen gruppen eine entscheidung bewirkt.(*abs.:017*)

Und alle glauben, jeder für sich, kreativ die sache des neuen und gerechten zu verfechten, die für die anderen das alte und ungerechte ist.(*abs.:018*)

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Anmerkungen:

(01) die theorie der trialektischen welterkenntnis ist nicht der gegenstand des essays, gleichwohl aber das instrument der argumentation. In einem ersten versuch habe Ich meine theoretischen überlegungen in dem essay: "Der begriff: raum und zeit, im trialektischen modus" zusammenfassend dargestellt. -->012:raum/zeit
Siehe auch: bibliographie, -->bibliographie/verzeichnis  -->die signaturen:

006:Hegel/Adorno: Hegel/Adorno - drei weltentwürfe. Das wahre ist das ganze, sagt Hegel - Adorno sagt: das ganze ist das unwahre. (2000/2002)
                              Text.Subtext.
009:anerkenng:       Ich glaube, was Ich weiss - Ich weiss, was Ich glaube. Der Begriff: anerkennung, im trialektischen modell der dialektik. (2002/2002)
011:reine/leben:      Das reine, der terror und das leben. Die metamorphose der zitate: Reines Leben zu denken - das Leben denken - lebe das denken.
                              (2004/2004)
<--//

(02) mit dem essay verfolge Ich nicht den zweck, das historische interesse an den utopien des gerechten staates zu bedienen, auch liegt es mir fern, eine neue utopie des nun wirklich gerechten staats zu kreieren; ein versuch in dieser richtung kann nur das schicksal aller historischen utopien des gerechten staates teilen. Ich beschränke mich auf ein randproblem, das in den diskussionen um diese theorien zu wenig beachtet wird. Es sind die bedingungen, unter denen über die materiellen probleme einer utopie reflektiert wird. <--//

(03) die inhaltlichen probleme der begriffe klammere Ich in der analyse aus, so die wichtige unterscheidung der verteilungs- und der zuteilungsgerechtigkeit; Ich beschränke meine reflexionen auf das enge ziel der bestimmung der grenzen der begriffe, die zu beachten sind, wenn einem diskurs über die gerechtigkeit das kriterium der rationalität zugeordnet werden soll. <--//

(04) Ich unterscheide relationsbegriffe und klassifikationsbegriffe. Das konstituierende merkmal der klassifikationsbegriffe ist die zuordnung/nicht_zuordnung eines bestimmten merkmals, das die menge der phänomene, begriffe und zeichen in mindestens zwei klassen einteilt. Die wahl der klassifizierenden merkmale (differentia specifica) ist der willkür der individuen als ich anheimgestellt, wobei diese willkür in der kommunikation mit den anderen sehr eng begrenzt sein kann. <--//

(05) die theorie der trialektischen welterklärung widerlegt nicht die klassische dialektik. Das defizit der vertrauten dialektik sehe Ich darin, dass das individuum als ich (traditionell das subjekt der dialektik) in der entgegensetzung der momente keinen theoretisch ausgewiesenem ort hat, obgleich es als subjekt der entgegensetzung auch in der traditionalen dialektik wirksam ist. <--//

(06) in der graphischen darstellung:


 

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(07) das relationszeichen: <==|==>, ist in den relationen so zu lesen: (1) das individuum als ich relationiert abhängig das alte. <--//

(08) cf. meine theoretischen überlegungen zum begriff: raum und zeit. -->012:raum/zeit --> argumente: 2 ff .
Die theorie der raumzeiterfahrung des ich und die theorien der zeit, die mit dem zeitpfeil operieren, stehen zueinander in einem gegensatz; mit den ontologischen zeittheorien ist sie nicht vereinbar. Die theorie der raumzeiterfahrung des ich widerlegt weder die zeittheorien der physik, noch setzt es die "gewöhnliche" zeiterfahrung ausser kraft; es ist eine andere sicht auf die phänomene, die dem individuum als ich in raum und zeit geläufig sind.
Die funktion des raumes in der theorie ist in analytischer absicht ausgeklammert und wird nicht erörtert. <--//

(09) in der graphischen darstellung:


<--//

(10) über den individuellen impuls kann vieles gesagt werden, aber das, was darüber gesagt wird, kann den grund nicht erreichen, den Ich mit dem terminus: individueller impuls, kennzeichne.
Zum begriff: individueller impuls, siehe auch:

Der unbegreifbare Mythos - Musik als Praxis Negativer Dialektik. Köln 1974 (phil.diss). p.34-37
006:Hegel/Adorno: Hegel/Adorno - drei weltentwürfe. Das wahre ist das ganze, sagt Hegel - Adorno sagt: das ganze ist das unwahre. (2000/2002) Text.Subtext. abs.:051; 057; arg.:4.119.
 <--//

(11) der begriff: interesse, kann zureichend nicht reflektiert werden, wenn das problem der macht ausgespart wird, die in der sozialen realität darüber entscheidet, welches interesse sich gegen ein anderes real durchsetzen kann. Aber die machtfrage ist ein problem, das auf der ebene der kommunikation des individuum als ich mit seinem anderen erörtert wird, und dieses problem soll hier in analytischer absicht ausgeklammert bleiben. <--//

finis  <--//
 

stand: 09.01.01.  //  eingestellt: 05.09.01.

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