fortsetzung:
subtext/argumente: 2.71.01-2.72.03
 

2.71.01

es mag verwegen erscheinen, dass Ich die methode: der trialektische modus, dezidiert gegen die dialektik Hegel's setze. Wenn aber die philosophische reflexion ernstgenommen werden soll, dann muss sich das individuum als ich und sein genosse mit dem verstörend wirkenden phänomen auseinandersetzen, der beobachtung, dass kein gedanke der tradition, wenn dieser im moment der gelebten gegenwart erinnernd gedacht wird, wiederholt werden kann. Jeder gedanke, der einen alten gedanken der historia aufgreift, ist ein anderer gedanke, ein gedanke, der im moment seines gedachtseins neu ist. Der erinnerte historische gedanke kann daher in seiner bedeutung und wertschätzung nicht gemindert werden, wenn der erinnerte gedanke in eine neue und damit notwendig andere relation gesetzt wird. Das schema des erinnernden denkens ist mit sich identisch, die gedanken aber, die gedacht werden und gleich erscheinen, sind verschieden. Im relationalen argument ist die illusion des ontologischen arguments aufgebrochen, dass das moment der entzweiung als bedingung des lebens in einem linearen prozess von der position über die negation in einer vermittlung als abschliessende versöhnung in der apotheose des absoluten geistes aufgehoben wird. Die illusion des ontologischen arguments, den gedanken in seinem sein zu fassen, also Hegel's begriff des gedankens in seinem an und für sich sein, wird im relationalen argument nicht aufgelöst, aber der schein einer versöhnung wird in drei relationen aufgebrochen, die jeweils zwei momente im horizont des ausgeschlossenen dritten moments fassbar machen. Nicht das sein ist das zentrum des gedankens, das alles in sich ruhend einschliesst, das zentrum ist das individuum als ich, das den gedanken in raum und zeit denkt; es hat im gedanken entweder das eine moment: das sein oder den begriff an sich, in einer relation präsent oder es hat das andere moment präsent, das das daseiende weltding ist oder der begriff für sich, der in seinem phänomenalen dasein erscheint(a). Mit seiner linear- progressiv strukturierten dialektik kann Hegel das resultat seiner reflexion entweder in der einen oder in der anderen position nur verabsolutierend ergreifen, in dem das jeweils andere, das subjekt eingeschlossen, verschwunden ist. Was das wirkliche und das vernünftige in ihrem absoluten begriff real sein können, das hat die realität des lebens, die in der differenz von position und negation eingespannt ist, verschlingend eingesogen. Hegel und seine interpreten können das verheissene heil des absoluten geistes nur als eine fata morgana imaginieren, die mit ihren schritten voran zurückweicht. Das ziel haben sie vor augen, aber sie können, gebunden an den unendlich-endlichen prozess von position, negation und realer vermittlung in raum und zeit, das ziel nicht erlangen(b). Im relationalen argument erscheint das individuum, das ein ich ist, als der wanderer auf dem weg, der im blick auf das ziel die spannung von position und negation lebt. In dieser spannung, das alte zerstörend, schafft das individuum als ich neues(c).
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(a) verweis: graphik/ ==>2.24.35. <==//

(b) die freiheit, versprochen im unendlich-endlichen prozess, kann das individuum als ich, im transitorischen durchgangspunkt der negation gefangen, nicht einlösen. Daran knüpfen die ideologen an, die ihren Hegel interessengeleitet zurechtstutzen. Den mechanismus des modernen terrors hat Hegel, auf die französische revolution zurückblickend, vorausblickend beschrieben, aber die strukturell defizitäre dialektik Hegels ist nicht die legitimationsformel des aktuellen terrorismus(1).
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(1) Richter. Das reine, der terror und das leben. 011:reine/leben. //==>2.93.25. <==//

(c) die philosophische reflexion sollte mit der philologie nicht vermengt werden. Der gegenstand ist zwar identisch, nicht aber der zweck, der mit den beiden methodisch unterscheidbaren ansätzen verknüpft ist. Philosophie und philologie sind als phänomene kein widerspruch, wohl aber ein gegensatz, und weder der philologe noch der philosoph können auf die arbeit des anderen verzichten. Mein interesse an Hegel ist philosophisch motiviert und die bedingungen von raum und zeit implizieren, dass viele fragen der philologie, die ihren reiz haben, beiseite gelassen sind(1).
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(1) argument: //==>2.23.11/(c/1). <==//
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(2.71.02/(e/2))<==//
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(text/1.1.22)<==//

2.71.02
die formel der hegelschen dialektik: sein -->nichts -->werden, ist das produkt der Hegelrezeption. Hegels knappe feststellungen(a) wurden in ein griffiges, bequem zu überschauendes zeichensystem übersetzt. In der Phänomenologie des Geistes hatte Hegel(b) die formel: position -->negation -->vermittlung(c), gebraucht. Die formeln fassen einen prozess zusammen, den Hegel mit dem terminus: das ganze, bezeichnet hatte und der, wie Hegel meint, als resultat das wahre sei(d). Die im schema der dialektik Hegel's eindeutig und unverückbar festgelegten positionen definieren den prozess als einen unendlich- endlichen prozess, der als prozess nur dann denkbar ist, wenn zu einem gesetzten anfang, einer position, die negation gedacht werden kann, die in der vermittlung eines projektierten endes aufgehoben ist. Die vermittlung ist aber eine position, die, wenn das schema gültig sein soll, seine negation impliziert, eine konstellation, die wiederum eine vermittlung bedingt. Was Hegel im schema als einen linear-progressiven prozess fasst, das ist ein unendlicher prozess, der im absoluten geist endlich abgeschnitten ist; was der absolute geist ist, der in raum und zeit für das invidiuum als ich real sein soll, das bleibt vage, ausgenommen die beiden negativen abgrenzungen Hegel's, dass der absolute geist weder das sein noch das nichts sein könne. Das subjekt Hegel's will den absoluten geist denken, aber es kann den absoluten geist entweder nur als position oder nur als negation denken. Die begriffe: position und negation, formulieren als begriff einen widerspruch; zwar kann der prozess in seiner bewegung mit den begriffen in raum und zeit  beschrieben werden, aber die begriffe erfassen nicht das reale ziel, das den prozess als ein ganzes abschliesst. Entweder erfährt das subjekt Hegel's die krude position der alltäglichen misere als schrecken, oder es träumt die negation der misere in einer utopie, die als geträumte negation eine position ist, in der ein schrecken hausen kann. Das moment der versöhnung von position und negation, die vermittlung, erscheint auf dem weg als eine schimäre(e). Die methode des trialektischen modus knüpft an den drei konstitutiven momenten der dialektik an, arrangiert diese aber anders. Im trialektischen modus ist das lineare schema der traditionalen dialektik zu einem dreieck oder kreis umgebogen. Was auf der linie unvermittelbar in anfang und ende getrennt ist, das ist auf der kreislinie ein moment, in dem anfang und ende identifiziert erscheinen, die im perspektivischen blick des individuums als ich aber different sind. Was das individuum, das ein ich ist, als identisch imaginiert, das sind zwei distinkte dinge der welt. Diese differenz, bestimmt im trialektischen modus, sollte nicht unterschlagen werden. Jeder schlusspunkt setzt einen anfang und jeder anfang ist ein gesetzter schlusspunkt. In raum und zeit ist der identische punkt auf der kreislinie eine illusion, in der das individuum als ich, der wanderer auf dem weg, die differenz seiner perspektivischen blicke in einem punkt zusammenfasst.
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(a) die formel: sein -->nichts -->werden(1), greift die zentralen termini des ersten kapitels der Wissenschaft der Logik auf: "A.Sein ...; B.Nichts ...; C.Werden ..."(2). Hegel erläutert: "Sein, reines Sein, - ohne alle weitere Bestimmung"(3). "Nichts, das reine Nichts; es ist einfache Gleichheit mit sich selbst, vollkommene Leerheit, Bestimmungs- und Inhaltslosigkeit; Ununterschiedenheit in ihm selbst"(4). "a.Einheit des Seins und Nichts. Das reine Sein und das reine Nichts ist also dasselbe"(5)."b.Momente des Werdens. Das Werden, Entstehen und Vergehen, ist die Ungetrenntheit des Seins und Nichts; nicht die Einheit, welche vom Sein und Nichts abstrahiert, sondern als Einheit des Seins und Nichts ist es diese bestimmte Einheit oder (die), in welcher sowohl Sein und Nichts ist"(6)."c.Aufheben des Werdens. Das Gleichgewicht, worein sich Entstehen und Vergehen setzen, ist zunächst das Werden selbst. (...) Das Werden ist das Verschwinden von Sein in Nichts und von Nichts in Sein und das Verschwinden von Sein und Nichts überhaupt"(7). In der anmerkung: 1, zum abschnitt: C.a., fügt Hegel erläuternd hinzu: "Das Werden enthält, daß Nichts nicht Nichts bleibe, sondern in sein Anderes, in das Sein übergehe"(8). Im abschnitt: C.a., sagt Hegel in der anmerkung: 4, abschliessend: "Es ist die dialektische immanente Natur des Seins und Nichts selbst, daß sie ihre Einheit, das Werden, als ihre Wahrheitzeigen"(9). <==//
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(1) das zeichen: -->, bedeutet hier: es folgt*. Die formel: sein -- >nichts -->werden, ist zu lesen: das sein, es folgt das nichts, es folgt das werden.
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* das zeichen: -->, sollte nicht mit dem relationszeichen: ==>, verwechselt werden.    <==//
(2) Hegel. Wissenschaft der Logik I. p.82-83 //==>2.93.07. <==//
(3) Hegel. Wissenschaft der Logik I. p.82 //==>2.93.07. <==//
(4) Hegel. Wissenschaft der Logik I. p.83 //==>2.93.07. <==//
(5) Hegel. Wissenschaft der Logik I. p.83 //==>2.93.07<==//
(6) Hegel. Wissenschaft der Logik I. p.111/112 //==>2.93.07. <==//
(7) Hegel. Wissenschaft der Logik I. p.113 //==>2.93.07. <==//
(8) Hegel. Wissenschaft der Logik I. p.85 //==>2.93.07. <==//
(9) Hegel. Wissenschaft der Logik I. p.111 //==>2.93.07. <==//

(b) Hegel hat seinen begriff der dialektik kontinuierlich von den ersten systementwürfen bis zu seiner zusammenfassenden darstellung in der Wissenschaft der Logik entwickelt. Mein interesse an Hegel's dialektikbegriff gilt dem strukturellen defizit, das im linearen prozess verortet ist, ein prozess, den Hegel im moment der erfüllung abbricht(1). Hegel's dialektikbegriff ist mit dem begriff der dialektik im ontologischen argument kompatibel, steht aber quer zu dem begriff im relationalen argument(2). <==//
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(1) das lineare procedere der klassischen dialektik hatte Hegel aus der tradition übernommen. Seine politische sprengkraft entwickelte aber das verfahren der progessiven dialektik erst, als Hegel versuchte, seine reflexionen über die geschichte mit der dialektik zu verknüpfen, reflexionen, die als geschichtstheologie von den linkshegelianern aufgegriffen worden waren, und dann von Feuerbach und Marx in den politischen prozess als utopie des kommunismus implantiert wurden. In der struktur, dem muster der religionen folgend, war die hegel- marx'sche geschichtstheologie im 19. und 20. jahrhundert eine attraktive vorstellung, mit der das ganze elende dasein als realer durchgangspunkt zum verheissenen heil interpretiert werden konnte, das das elende leiden in der welt in eine ewige freude verkehren soll. Die vollendung der freiheit im ende der geschichte, von Hegel gedacht, und die versöhnende erlösung im abschliessenden gericht, ein cantus firmus in den religionen, war von den nachlebenden Hegel's zu einer explosiven gemengelage heterogener ideen umgeformt worden, die bis heute nicht ihre faszination verloren hat.     <==//
(2) die differenz zwischen dem ontologischen und dem relationalen argument ist in der einschätzung der prozesse als linear oder als zirkular markiert. Es gibt gute gründe, bestimmte prozesse des gemeinen lebens sowohl als linear als auch als zirkular zu bestimmen. Diese prozesse können kaum einem streit unterliegen und wenn gestritten wird, dann stehen teilabschnitte dieser prozesse im streit, die gemäss der verfolgten interessen definiert sind. Andere prozesse sind aber entweder als linear oder als zirkular definiert. Die kausalität eines stoffwechselprozesses ist linear strukturiert, die reflexionen des individuums als ich sind nur in ihrer zirkularität verstehbar. Hegel folgt, ganz ein kind der tradition, der dialektik des gesprächs zweier personen über ein ding der welt, das als ein linear fortschreitender prozess gedeutet wird*. Dieses modell der dialektik** ist in seinen definierten grenzen auch im relationalen argument gültig, aber es ist unzureichend, wenn die frage nach der letztbegründung aufgeworfen werden muss. Es ist wohl möglich, dass das individuum als ich mit der dialektischen methode sich schritt um schritt dem vorletzten grund der weltdinge nähert, aber es kann den gründenden grund nicht fassen, weil dieser, wenn er gefasst ist, dem individuum als ich nur als vorletzter grund verfügbar sein kann. Der trialektische modus biegt die lineare struktur der traditionalen dialektik um in eine zirkulare, indem auf der kreislinie der anfangs- und der endpunkt der linie in einem kreispunkt quasi identifiziert zusammenfallen, die aber das individuum als ich in zwei distinkten, einander sich ausschliessenden relationen präsent hat***. Die zirkulare struktur des trialektischen modus ist mit der hegelschen dialektik nicht vereinbar. Mit der erweiterung der dialektik zu einer trialektik**** wird die dialektik nicht entwertet, wohl aber in ihrer reichweite begrenzt. Hegel hatte in seiner deutung der traditionalen dialektik die dialektik als methode mit seiner deutung des geschichtsprozesses verknüpft. Die deutung der geschichte als progressiver prozess aus der unfreiheit zur freiheit ist mit den traditionalen vorstellungen von geschichte nicht vereinbar, die dem zirkularen modell der mythen folgen. In einer zeit des gesellschaftlichen umbruchs***** kann es nicht verwundern, dass die idee einer geschichte, der die notwendigkeit eines vorgedachten ziels implizit ist, als treibsatz für die politischen umbrüche wirkt. Für die begriffe: dialektik und trialektik, ist der historische aspekt ein randproblem, in einer theorie des begriffs: das_politische, ist der aspekt der notwendigkeit aber dann keine nebensache, wenn der prozess der veränderung analysiert wird, um synthetisierend die schlüsse zu ziehen, die dann ins werk gesetzt werden sollen.  <==//
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* die situation des traditionalen gesprächs, anders als in einem diskurs(+) kann in einem system von zeichen formalisiert werden. A -->B - ->gegenstand:_c. Aus dieser grundsituation ist in der vulgärdialektik des 19.jahrhunderts das schema abgeleitet worden: these -->antithese -- >synthese(=these/neu). Der behauptung des A ist die behauptung des B entgegengesetzt und sie einigen sich schliesslich darüber, was der gegenstand: c, für beide sein soll. In raum und zeit ist die struktur des gespräches linear gedacht. In dieses lineare schema sind alle einschlägigen formeln Hegel's eingepasst:

- anfang -->prozess -->ende
- position -->negation -->vermittlung
- sein -->nichts -->werden.
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(+) argument: //==>2.23.08,  argument: //==>2.23.10/(b,c,e). <==//

** HWdPH. Stichwort: dialektik, Bd.2, sp.164-226 //==>2.93.11. <==//

*** der gedanke, reformuliert in einem system von zeichen und termini, hat im trialektischen modus diese form. Die relationen sind:

1.relation: a<==|==>b
2.relation: a<==|==>c
3.relation: b<==|==>c.
Nach der einsetzungsregel können die folgenden relationen formuliert werden:
Hegel's begriffstrias: anfang, prozess(=weg/=individuum als ich), ende
1.relation: prozess<==|==>anfang
2.relation: prozess<==|==>ende
3.relation: anfang<==|==>ende.
Hegel's begriffstrias: geburt, leben(=individuum als ich), tod
1.relation: leben<==|==>geburt
2.relation: leben<==|==>tod
3.relation: geburt<==|==>tod.
verweis: graphik/ ==>2.24.36 <==//


**** argument: //==>2.21.03. <==//

***** Hegel war ein zeitzeuge der französischen revolution; er hatte in Jena die napoleonischen kriege unmittelbar erlebt und in Berlin diente er als professor der restauration, die später im aufbruch des wirtschaftsliberalen bürgertums untergehen wird. Was Hegel als person erlebt hatte, das hatte in seinem denken auch spuren hinterlassen. Diesen spuren nachzugehen ist die aufgabe der  philologen.     <==//

(c) in der gliederung ist die formel des dialektikbegriffs in der Phänomenologie des Geistes: position -->negation -->vermittlung, vorgezeichnet: "A.Bewusstsein / B.Selbstbewusstsein / C.(AA)Vernunft,(BB)Geist,(CC)Religion,(DD)Das absolute Wissen"(1). Das bewusstsein hat die funktion der position, das selbstbewusstsein die funktion der negation. Die vermittlung ist das absoluten wissen als "Resultat"(2)(3).
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(1) Hegel. Phänonomenologie des Geistes. p.5-8. //==>2.93.07.
(2) Hegel. Phänonomenologie des Geistes. p.24,25. //==>2.93.07.
(3) in der terminologie Hegel's ist die gleichsetzung nicht eindeutig.
So spricht Hegel nicht von der position, sondern nur vom positiven; dagegen haben die negation und das negative ihre unverwechselbaren zeichen. Im terminus: vermittlung, identifiziert Hegel die bewegung mit dem resultat. Er sagt: "Denn die Vermittlung ist nichts anderes als die sich bewegende Sichselbstgleichheit, oder sie ist die Reflexion in sich selbst, das Moment des fürsichseienden Ich, die reine Negativität oder, auf ihre reine Abstraktion herabgesetzt, das einfache Werden"*
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* Hegel. Phänonomenologie des Geistes. p.25. //==>2.93.07. <==//

(d) das berühmte dictum Hegel's: das wahre ist das ganze, wird, weil's so griffig ist, zumeist verkürzt zitiert. Hegel schreibt: "Das Wahre ist das Ganze. Das Ganze aber ist nur das durch seine Entwicklung sich vollendende Wesen. Es ist vom Absoluten zu sagen, daß es wesentlich Resultat, daß es erst am Ende das ist, was es in Wahrheit ist; und hierin eben besteht seine Natur, Wirkliches, Subjekt oder Sichselbstwerden zu sein."(1)(2).
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(1) Hegel. Phänomenologie des Geistes. p.24. //==>2.93.07.
(2) Richter. Hegel/Adorno - drei weltentwürfe. 006:Hegel/Adorno. //==>2.93.25. <==//

(e) der begriff: vermittlung, ist im denken Hegel's problematisch(1). Es kann daher nicht verwundern, dass die unentschiedenheit im begriff: vermittlung, das einfallstor ist, das die ideologen als chance nutzen, sich der gedanken Hegel's al gusto zu bedienen(2). Im hegelschen begriff der vermittlung ist das doppelgesicht des modernen terrors gespiegelt, der als prozess von position und negation sowohl imaginiert wird, als auch in der finalen tat abgebrochen wird, die im resultat den wechsel von negation und position stillgestellt hat. Das prophezeite resultat legitimiert den prozess von position und negation zugleich als weg und ziel; sowohl das ziel als auch den weg erfahren das individuum als ich und sein genosse als den realen terror, der ihre existenz auf einen beliebigen durchgangsmoment auf dem weg reduziert hat. Auf das doppelgesicht des modernen terrors hatte Hegel im kapitel über die absolute freiheit und den schrecken aufmerksam gemacht(3), aber die logik seiner dialektik hatte er nicht durchschaut.  <==//
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(1) es ist schwierig, in einem konsisten gedanken die vielen bestimmungen Hegel's zu verknüpfen, mit denen er den begriff: vermittlung, definiert und umschrieben hatte. Der blick in das register der einschlägigen stellen belegt diesen eindruck hinlänglich*. Das dilemma wird dem ratsuchenden deutlich, wenn er in einem lexikonartikel den satz liest: "Diese Einheit von Unmittelbarkeit und Vermittlung kommt schließlich darin zur Geltung, dass die anfängliche, unvermittelte Unmittelbarkeit im Ergebnis der Vermittlung als vermittelte Unmittelbarkeit wiederhergestellt und die Vermittlung in die Unmittelbarkeit aufgehoben wird"**. Mit dem terminus: vermittlung, will Hegel das bezeichnen, was dem begriff nach weder bezeichnet noch vom begriff als phänomen bestimmt werden kann. Alles, was beliebt, kann mit dem terminus: vermittlung, bezeichnet werden, aufgehoben oder nicht.
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* Hegel. Register. Stichwort: vermittlung. p.690-692. //==>2.93.07.
** Hegellexikon. Stichwort: vermittlung. p.459. //==>2.93.08. <==//
(2) argument: //==>2.71.01/(a)   <==//
(3) Hegel. Phänomenologie des Geistes. p.431-441. //==>2.93.07. <==//
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(2.21.03/(c))<==//
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(text/1.2.12)<==//

2.71.03
Hegel hat wie Schopenhauer(a) wenig wohlwollend über die philosophen seiner zeit gedacht. "Der alte Scherz", den Hegel zitiert, ist das verknüpfende moment ihrer kritik(b): "Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand"(c). Hegel dürfte so unrecht nicht haben; denn die klage über die oberflächlichkeit des denkens(d) ist ein phänomen in jeder generation(e). Mit seiner kritik der zeitgenössischen philosophie(f), die eine dramaturgische funktion hat, malt Hegel den prospekt, vor dem sich seine philosophie abheben kann, mit der er den anspruch erhebt, seine zeit in gedanken zu erfassen(g). Die aufgabe der philosophie bestimmt Hegel als das "Erfassen des Gegenwärtigen und Wirklichen", "weil sie das Ergründen des Vernünftigen ist"(h). Das vernünftige(i) ist die wirklichkeit, die, wie Hegel in seiner politischen philosophie meint, in der gestalt des staates realisiert ist(j).
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(a) zwei texte sind für die reflexion das fundierende material. Zum einen Hegel's einleitung zur philosophie des rechts(1), zum zweiten Schopenhauer's traktat über die gegenwartsphilosophie(2). Die gegenseitigen freundlichkeiten(3) mögen unterhaltsam sein, aber die wechselseitige geringschätzung ist nicht die substanz ihrer kritik. Der philologische aspekt bleibt gänzlich beiseite und Ich beschränke meine kritik auf wenige aussagen, die Ich im horizont meiner erfahrungen reflektiere.
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(1) Hegel. Grundlinien der Philosophie des Rechts. Vorrede. p.11-28. //==>2.93.07.
(2) Schopenhauer. Parerga.... Ueber die Universitäts-Philosophie. p.155- 218. //==>2.93.27.
(3) professor Hegel konnte in Berlin den privatdozenten Schopenhauer ignorieren, der noch ein namenloser zeitgenosse gewesen war, aber beide, jeder auf seine weise berühmt, spielen als protagonisten ihre rolle in einem fiktiven diskurs.    <==//

(b) Schopenhauer hatte seinen Hegel gelesen, aber hatte Schopenhauer Hegel auch verstanden? oder, pointiert formuliert, hatte Schopenhauer Hegel verstehen wollen? Kritik ist immer wohlfeil, wenn das ressentiment die quelle der sottisen ist. Zuletzt fällt das substanzlose urteil auf den urteilenden zurück. Wollten Hegel und Schopenhauer sich verstehen? - Hegel formulierte die kritik in einer sprache, die ganz auf seinen zweck verengt war und eine terminologie abklapperte, der die begriffe und phänomene abhanden gekommen zu sein scheinen(1); Schopenhauer machte sich keine mühe, sein ressentiment gegen die hegelei zu verstecken und liess der vernunft mit wortspielen keine chance(2). Der verdacht also, dass die sache, die philosophische reflexion, die auch den gegner als den anderen einbezieht, nur ein vorwand für polemik ist, dieser verdacht dürfte beide treffen.    <==//
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(1) Ich greife einen der berüchtigten sätze, im blick auf Schopenhauer ausgewählt, heraus, die in der hegel-kritischen rezeption wohlschmeckendes futter sind*. Hegel sagt: "Als Wissenschaft ist die Wahrheit das reine sich entwickelnde Selbstbewusstsein und hat die Gestalt des Selbsts, daß das an sich und für sich Seiende gewußter Begriff, der Begriff als solcher aber das an und für sich Seiende ist"**. <==//
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* Ich gebe zu, dass Ich mit diesem satz auch schwierigkeiten habe, ihn so zu deuten, dass Ich das von Hegel gemeinte auch in meinem denkhorizont nachvollziehen kann. Die technische sprache, unverzichtbar in jeder wissenschaft, hat die funktion, das sprechen über die sache in regeln einzubetten, die die kommunikation über die sache für alle, die es betrifft, erst möglich machen, aber der jargon, eine variante der technischen sprache, ist auch die tarnkappe für gedanken, die das licht der sonne scheuen müssen. Nicht ohne grund spricht Schopenhauer vom "Hegeljargon"(+).
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(+) Schopenhauer. Parerga.... Ueber die Universitäts-Philosophie. p.192 //==>2.93.27. <==//
** Hegel. Wissenschaft der Logik I. Einleitung. p.43. //==>2.93.07. <==//
(2) einmal schreibt Schopenhauer: "(...) so bringe man sich das scheußliche Beispiel der Hegelei vor Augen, jener frechen Afterweisheit, welche, an die Stelle des eigenen, besonnenen und redlichen Denkens und Forschens, als philosophische Methode die dialektische Selbstbewegung der Begriffe setzte, also ein objektives Gedankenautomaton, welches frei in der Luft, oder im Empyreum {obersten Lichthimmel}, seine Gambolen {Freudesprünge} auf eigene Hand mache, deren Spuren, Fährten, oder Ichnolithen {Fußabdrücke im Stein} die Hegel'schen und Hegelianischen Skripturen wären, welche doch vielmehr nur etwas unter sehr flachen und dickschaligen Stirnen Ausgehecktes und, weit entfernt ein absolut Objektives zu seyn, etwas höchst Subjektives, noch dazu von sehr mittelmäßigen Subjekten Erdachtes sind"*. Dann schreibt Schopenhauer: "Sie** nennt inzwischen jene soeben gelobte Vergangenheit*** die 'Zopfzeit'. Aber an jenen Zöpfen saßen Köpfe; jetzt hingegen scheint mit dem Stengel auch die Frucht verschwunden zu seyn"****.
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* Schopenhauer. Parerga.... Ueber die Universitäts-Philosophie. p.185 //==>2.93.27.
** gemeint ist "die Philosophie des absoluten Unsinns". Schopenhauer. Parerga.... Ueber die Universitäts-Philosophie. p.192 //==>2.93.27.
*** gemeint ist die vergangenheit, für die Kant, Mozart und Goethe die leitsterne waren, die Schopenhauer zu seinen hausgöttern gemacht hatte.
**** Schopenhauer. Parerga.... Ueber die Universitäts-Philosophie. p.193 //==>2.93.27. <==//

(c) Hegel. Rechtsphilosophie. Vorrede. p.22 //==>2.93.07. <==//

(d) Hegel schreibt: "Ein Heerführer dieser Seichtigkeit, die sich Philosophieren nennt, Herr Fries, hat sich nicht entblödet, bei einer feierlichen, berüchtigt gewordenen öffentlichen Gelegenheit in einer Rede (...)"(1).
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(1)* Hegel. Rechtsphilosophie. Vorrede. p.18 //==>2.93.07. <==//
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(e) es ist ein kennzeichen der moderne, dass sehr viel produziert wird, soviel, dass die verfügbare lebenszeit nicht ausreicht, das alles überhaupt zur kenntnis zu nehmen, was auf den markt geworfen wird, geschweige denn, diese sachen zu lesen oder gar darüber nachzudenken. Die maxime des akademischen überlebens ist: publish or perish, und wenn die kandidaten der einzelnen seilschaften die ämter erobert haben, dann reproduzieren sie nur noch den quark, der sie ins amt gebracht hatte, das sie nun ganz ausfüllt. Das ist die allgemeine tendenz, die auch ausnahmen zeitigt. Wenn Ich danach frage, wer in der Bundesrepublik Deutschland von den lebenden philosophen meiner generation wirklich ein fordernder philosoph ist, dann wird meine antwort sehr einsilbig sein. Habermas vielleicht, aber der ist auch schon alt und in den letzten 25 jahren hat er weitertreibende gedanken, die provozieren, nicht mehr gesagt. Es gibt keine theorien, die kontrovers diskutiert werden könnten(1), und jede fraktion schmort im eigenen saft. Der blick aus der gegenwart in die gegenwart ist von einem engen horizont eingeschlossen, der sich erst im historischen rückblick öffnet und die spreu vom weizen trennt, aber der historische standpunkt(2) begrenzt den blick auf die facta der vergangenheit. Hegel's Eule der Minerva kommt in diesem sinne immer zu spät(3). <==//
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(1) neue themen hat es in der philosophie der letzten 50 jahre gegeben, aber es gibt keine neuen theorien über die welt, in der die philosophen und ihre kundschaft leben. Das zusammenspiel des neurologischen systems und das denken des individuums als ich ist faszinierend, aber was über das zusammenspiel gegenwärtig pro und kontra gesagt wird, das bewegt sich parallel auf den eingeschliffenen bahnen der naturwissenschaften oder der geisteswissenschaften. Der freie wille? - die kategorie der freiheit ist für das zusammenspiel der neuronen, die vom biologischen stoffwechselprozess abhängen, gegenstandslos, aber die gedanken, mit denen das individuum als ich versucht, das zusammenspiel der neuronen und der gedankenphänomene zu verstehen, diese gedanken sind ohne die vorstellungen des individuums, das ein ich sein will, nicht möglich, gedanken, die das individuum als ich in seinen vorstellungen hat, von denen die idee der autonomie des individuums, das ein ich ist, eine vorstellung ist. Aber wie hängt das alles zusammen? Eine plausible theorie ist nicht erkennbar, die das divergierende zusammenbinden könnte.     <==//
(2) der kanon der tradition ist deshalb so übersichtlich, weil in der fortschreitenden zeit das überflüssige verloren gegangen ist. Diesem prozess der historischen auslese ist jede erinnerung an die facta der vergangenheit ausgeliefert. Die nachlebenden jeder generation bewahren in ihrer erinnerung das, was sie für wichtig halten und nur weniges wird zu diesem kern gehören. Im moment der gelebten gegenwart ist alles wichtig, was das individuum als ich mit seiner erinnerung wieder aufgreift und in dieser erinnerung sind die projektionen in die zukunft der kompass.     <==//
(3) Hegel schreibt: "die Eule der Minerva beginnt erst mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug"*.
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* Hegel. Rechtsphilosophie. Vorrede. p.28. //==>2.93.07. <==//

(f) die details der hegelschen kritik können beiseite bleiben. Was hier allein von interesse ist, das ist die funktion dieser kritik im denken Hegel's. <==//

(g) Hegel schreibt: "Das was ist zu begreifen, ist die Aufgabe der Philosophie, denn das was ist, ist Vernunft. Was das Individuum betrifft, so ist ohnehin jedes ein Sohn seiner Zeit; so ist auch die Philosophie ihre Zeit in Gedanken erfaßt"(1).
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(1) Hegel: Rechtsphilosophie. Vorrede. p.26 //==>2.93.07<==//

(h) Hegels argument wird modifiziert rezipiert. Das zitat in der fassung Hegels: "Es ist eben diese Stellung der Philosophie zur Wirklichkeit, welche die Mißverständnisse betreffen, und ich kehre hiermit zu dem zurück, was ich vorhin bemerkt habe, daß die Philosophie, weil sie das Ergründen des Vernünftigen ist, eben damit das Erfassen des Gegenwärtigen und Wirklichen, nicht das Aufstellen eines Jenseitigen ist, das Gott weiß wo sein sollte - oder von dem man in der Tat wohl sagen weiß, wo es ist, nämlich in dem Irrtum eines einseitigen, leeren Räsonierens"(1). Eine kleine retouche im zitat und das zitat erscheint in einer anderen färbung. Den verweis auf die jenseitigkeit habe Ich beiseitegelassen, aber das sollte nicht mit einer unterschlagung verwechselt werden. Hegel's begriff des "Gegenwärtigen und Vernünftigen" ist analog dem aufzufassen, was Ich mit terminus: im moment der gelebten gegenwart, bezeichne.
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(1) Hegel: Rechtsphilosophie. Vorrede. p.24 //==>2.93.07. <==//

(i) Hegel schreibt: "Denn das Vernünftige, was synonym ist mit der Idee, indem es in seiner Wirklichkeit zugleich in die äußere Existenz tritt, tritt in einem unendlichen Reichtum von Formen, Erscheinungen und Gestaltungen hervor (...)"(1).
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(1) Hegel: Rechtsphilosophie. Vorrede. p.25 //==>2.93.07. <==//

(j) das zitat: "So soll denn diese Abhandlung, insofern sie die Staatswissenschaft enthält, nichts anderes sein als der Versuch, den Staat als ein in sich Vernünftiges zu begreifen und darzustellen. (...) die Belehrung (...) kann nicht darauf gehen, den Staat zu belehren, wie er sein soll, sondern vielmehr, wie er, das sittliche Universum, erkannt werden soll"(1).
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(1) Hegel: Rechtsphilosophie. Vorrede. p.26 //==>2.93.07. <==//
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(text/1.2.11)<==//

2.72.01
Hegel sagt: "Was vernünftig ist, das ist wirklich; und was wirklich ist, das ist vernünftig"(a). Das zitat überrascht, aber in der analyse hat es keinen bestand. Der satz ist, wenn die beiden teilsätze als prämissen eines schlusses instrumentalisiert werden, einetautologie(b). Als tautologie ist Hegel's satz ohne gegenstand(c). Aber es ist etwas anderes, wenn dem hegel'schen satz, immer wieder zitiert, ein sinn zugeordnet wird. Dem satz kann, als rhetorische formel zitiert, alles aufgebürdet werden, was beliebt. Der zitator kann sich auf Hegel als autor berufen, aber das, was der zitator mit dem zitat bedeuten will, das hat er dem zitat beigelegt. Das hinzugefügte hat Hegel nicht zu verantworten, aber was hat Hegel als autor des zitats dann noch zu verantworten? Nun, Hegel hat eine enigmatische formel in die debatte geworfen und sein debattenanteil ist der text der rechtsphilosophie, über den rational gestritten werden kann(d).
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(a) Hegel. Rechtsphilosophie. Vorrede. p.24. //==>2.93.07. <==//

(b) die sätze formalisiert und im schlusschema miteinander verknüpft:


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(c) der tautologische satz ist als prämisse in einem logischen schluss falsch, aber die tautologie in der logik ist das eine, ein anderes ist die tautologie in der rhetorik(1). Das tautologische argument in der rhetorik täuscht einerseits eine identität vor, die logisch ausgeschlosse ist, andererseits will der rhetoriker mit dem tautologischen argument eine differenz ausschliessen, die nicht ausschliessbar ist. Das argument: a x a, enthält prima vista 3 elemente, die aber nur durch zwei zeichen gekennzeichnet sind. Das zeichen: a, wird aber vom rhetor in zwei bedeutungen benutzt, folglich kann das mit dem zeichen: a, bezeichnete: a, nicht das mit dem zeichen: a, bezeichnete: a, sein, oder das eine bezeichenete: a, mit dem zeichen: a, und das andere bezeichnete: a, mit dem zeichen: a, ist ein anderes, was die verwendung des zeichens: a, ausschliesst, weil das bezeichnete: a, als das andere mit einem anderen zeichen: b, gekennzeichnet werden muss. Das andere zeichen: b, markiert aber immer die differenz. In der spanung von identität und differenz hat die tautologie eine zwischenstellung, die nach dem prinzip: tertium non datur, logisch ausgeschlossen ist, in der erfahrung der phänomene aber als das prinzip: tertium e multum datur, geläufig praktiziert wird. Der rhetor nutzt die zwischenstellung aus, indem er einmal verdeckt auf das prinzip des ausgeschlossenen dritten verweist, das dem argument die unbedingte gültigkeit sichern soll, zugleich aber dem argument in der ausgestaltung das unterschiebt, was ihm zweckmässig erscheint. Das falsche spiel des rhetors ist durchschaubar, wenn der adressat es durchschauen will(2). <==//
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(1) HWdPH. Stichwort: tautologie. Bd.10. sp.932-939. //==>2.93.11. <==//
(2) diesen mechanismus nutzt jeder ideologe aus, wenn er seinem argument geltung verschaffen will. Für diesen zweck sind die argumente mit einer tautologischen struktur, oft raffiniert camoufliert, brauchbare instrumente.  <==//

(d) Hegel's nachdenken über den staat ist ein aspekt der debatte über den begriff: das politische. In den details gibt es viele argumente, die es wert sind, vertiefend reflektiert zu werden, aber das sind facetten eines vielschichtigen problemfeldes, das in seinem ganzen umfang faktisch der darstellbarkeit entzogen ist. Mit diesem hinweis wird die erörterung der hegelschen rechtsphilosophie beendet(1).
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(1) diese auskunft ist unbefriedigend, aber der gegenstand meines essays über den begriff: das politische, ist nicht Hegel's rechtsphilosophie und wenn Ich in meinen argumenten auf Hegel rekurriere, dann greife Ich Hegel's texte nur als kristalisationskerne, mithin als mittel zu einem zweck, für meine reflexionen auf. Das mag als einseitige sicht kritisiert werden, aber Ich verweise darauf, dass Ich die welt nur aus meiner perspektive betrachten kann, so wie der kritiker seine welt aus der seinigen perspektive betrachtet beurteilt.  <==//
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(text/1.2.11)<==//


2.72.02

der begriff: begriff, in Hegel's philosophie ist umstritten; das unterfangen ist aussichtslos, die gegensätzlichen meinungen, Hegels auffassung eingeschlossen(a), zusammenfassen zu wollen. Jede kritische analyse des hegelschen begriffs wird daher auf einen oder wenige aspekte beschränkt bleiben(b) und die zusammenbindung der aspekte in einer konsistenten theorie wird die perspektive widerspiegeln, mit der der autor sein objekt: Hegel's theorie des begriffs, erfasst. In der perspektive der differenz zwischen dem ontologischen und dem relationalen argument, ist Hegel's bestimmung, dass der begriff sich selbst erzeuge und bewege(c), das entscheidende kriterium. Ich will nicht in abrede stellen, dass diese bestimmung Hegel's im horizont des ontologischen arguments konsistent darstellbar ist, weil die identifikation des begriffs: der begriff, mit den begriffen: substanz und geist, die prämisse des arguments ist, das Hegel geltend macht(d). Diese identifikation ist im relationalen argument nicht denkbar. Der begriff im relationalen argument ist weder substanz, noch subjekt, noch geist, noch ein gott, der begriff im relationalen argument ist eine vorstellung des individuums als ich, die das individuum, das ein ich sein will, denken muss, wenn es die dinge der welt, also auch sich selbst als ich, erkennen will(e). Der begriff Hegel's ist im relationalen argument ein ding der welt, das für das individuum als ich ein objekt sein kann, aber niemals ein subjekt, so wie der_andere für das individuum als ich, in der terminologie des ontologischen arguments, ein subjekt ist(f). Hegel hat in seiner philosophie dem begriff eine funktion zugeordnet, die der begriff nicht leisten kann. Die bestimmung, dass der begriff sich selbst erzeuge und bewege, lässt zwei fragen offen(g). Unbeantwortet bleibt die frage, wer das movens sein könne, aus dem sich der begriff in autogenese entwickelt. Die autogenese ist eine rhetorische figur, die die theologie der schöpfung nicht glaubwürdiger macht, wenn die mythische erzählung das ereignis der selbstschöpfung immer wieder neu erzählt. Unbeantwortet bleibt auch die frage, was die bewegung des begriffs sein könnte. Die antwort deutet Hegel im rückgriff auf seinen begriff der dialektik an, die antwort ist aber entweder die alte frage, neu formuliert, oder die antwort hat die frage differenzlos in sich aufgesogen. Mit der vollendung des wegs ist das fragende subjekt Hegel's in der antwort selbst untergegangen. Hegel's antwort sollte aber nicht ignoriert werden. Das verdienst Hegel's ist, die unmöglichkeit des ontologischen arguments, im scheitern seines projektes, den begriff: begriff, im sein zu fundieren, erkennbar gemacht zu haben.
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(a) der blick in das register der belegstellen erhellt(1), dass jede darstellung der hegelschen lehre vom begriff perspektivisch ist. Es ist daher eine forderung der redlichkeit, wenn der kritiker der hegelschen begriffsphilosophie seine perspektive kenntlich macht.
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(1) Hegel. Register. Stichwort: begriff, p.64-74. //==>2.93.07<==//

(b) den versuch, die darstellung des hegelschen begriffs an "zwei Kernaussagen (zu) orientieren"(1), kritisiere Ich nicht, aber es scheint mir doch zu wenig zu sein, den begriff in Hegel's komplexer theorie in der zweiten kernaussage auf die behauptung des gesetztseins, zu reduzieren. Was gesetzt ist, das muss einen zureichenden grund des gesetzseins ausweisen. Ein anderes problem ist, ob der geltend gemachte grund akzeptiert wird oder nicht(2).
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(1) Hegel-Lexikon. Stichwort: begriff. p.151 //==>2.93.08.
(2) Hegel-Lexikon. Stichwort: begriff. p.151-152 //==>2.93.08<==//

(c) Hegel hat die bestimmungen: selbsterzeugung und bewegung, nicht in definitorischen sätzen festgelegt; die bestimmungen erscheinen als teil eines anderen arguments und sind uneingeschränkt der interpretation des rezipienten ausgeliefert. Hegel sagt: "Er(1) ist für sich nur für uns, insofern sein geistiger Inhalt durch ihn selbst erzeugt ist; insofern er aber auch für sich selbst für sich ist, so ist dieses Selbsterzeugen, der reine Begriff, ihm zugleich das gegenständliche Element, worin er sein Dasein hat, und er ist auf diese Weise in seinem Dasein für sich selbst in sich reflektierter Gegenstand"(2). So wie der begriff sich selbst erzeugt, so bewegt er sich auch selbst. Hegel schreibt: "Jene Antizipation, daß das Absolute Subjekt ist, ist daher nicht nur nicht die Wirklichkeit dieses Begriffs, sondern macht sie sogar unmöglich; denn jene setzt ihn als ruhenden Punkt, diese aber ist die Selbstbewegung"(3). Den gedanken präzisiert Hegel: "Anders verhält es sich im begreifenden Denken. Indem der Begriff das eigene Selbst des Gegenstandes ist, das sich als sein Werden darstellt, ist es nicht ein ruhendes Subjekt, das unbewegt die Akzidentien trägt, sondern der sich bewegende und seine Bestimmungen in sich zurücknehmende Begriff. In dieser Bewegung geht jenes ruhende Subjekt selbst zugrunde; es geht in die Unterschiede und den Inhalt ein und macht vielmehr die Bestimmtheit, d.h. den unterschiedenen Inhalt wie die Bewegung desselben aus, statt ihr gegenüber stehenzubleiben"(4)<==//
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(1) der terminus: er, bezieht sich auf das "Absolute als Geist" oder die "geistige Substanz", soweit sie "Gegenstand" sind.     <==//
(2) Hegel: Phänomenologie. Vorrede. p.28-29 //==>2.93.07. <==//
(3) Hegel: Phänomenologie. Vorrede. p.27 //==>2.93.07<==//
(4) Hegel: Phänomenologie. Vorrede. p.57 //==>2.93.07<==//

(d) den begriff: begriff, identifiziert Hegel mit anderen vorstellungen, die als begriffe in der tradition getrennt diskutiert werden(1). In der Phänomenologie des Geistes schreibt Hegel: "Daß das Wahre nur als System wirklich oder daß die Substanz wesentlich Subjekt ist, ist in der Vorstellung ausgedrückt, welche das Absolute als Geist ausspricht (...). Das Geistige allein ist das Wirkliche; es ist das Wesen oder Ansichseiende, - das sich Verhaltende und Bestimmte, das Anderssein und Fürsichsein - und {das} in dieser Bestimmtheit oder seinem Außersichsein in sich selbst Bleibende; - oder es ist an und für sich. - Dies Anundfürsichsein aber ist es erst für uns oder an sich, es ist die geistige Substanz"(2). In der "Wissenschaft der Logik. Zweiter Teil. Die subjektive Logik oder die Lehre vom Begriff" präzisiert Hegel die identifikation der substanz mit dem begriff. Hegel schreibt: "Die dialektische Bewegung der Substanz durch die Kausalität und Wechselwirkung hindurch ist daher die unmittelbare Genesis des Begriffes, durch welche sein Werden dargestellt wird"(3). - "der begriff nun ist die absolute Einheit des Seins und der Reflexion, daß das Anundfürsichsein erst dadurch ist, daß es ebensosehr Reflexion oder Gesetzsein ist und daß das Gesetztsein das Anundfürsichsein ist"(4). - "Diese unendliche Reflexion in sich selbst, daß das Anundfürsichsein erst dadurch ist, daß es Gesetztsein ist, ist die Vollendung der Substanz. Aber diese Vollendung ist nicht mehr die Substanz selbst, sondern ist ein Höheres, der Begriff, das Subjekt"(5). - "Im Begriffe hat sich daher das Reich der Freiheit eröffnet. Er ist das Freie, weil die an und für sich seiende Identität, welche die Notwendigkeit der Substanz ausmacht, zugleich als aufgehoben oder als Gesetztsein ist und dies Gesetztsein, als sich auf sich selbst beziehend, eben jene Identität ist. Die Dunkelheit der im Kausalverhältnisse stehenden Substanzen füreinander ist verschwunden, denn die Ursprünglichkeit ihres Selbstbestehens ist in Gesetzsein übergegangen und dadurch zur sich selbst durchsichtigen Klarheit geworden; die ursprüngliche Sache ist dies, indem sie nur die Ursache ihrer selbst ist, und dies ist die zum Begriffe befreiteSubstanz"(6). - "Der Begriff, insofern er zu einer solchen Existenz gediehen ist, welche selbst frei ist, ist nichts anderes als Ich oder das reine Selbstbewußtsein"(7). In seiner Philosophie der Geschichte hat Hegel schliesslich den begriff: begriff, mit der idee der freiheit verknüpft. Hegel schreibt: "(...) die Weltgeschichte ist nichts als die Entwicklung des Begriffes der Freiheit"(8). Der begriff, der sich selbst erzeugt und bewegt, ist mit der idee: weltgeschichte, identisch, die aber in raum und zeit nur das werk des hegelschen subjekts sein kann. Abschliessend schreibt Hegel: "Daß die Weltgeschichte dieser Entwicklungsgang und das wirkliche Werden des Geistes ist, unter dem wechselnden Schauspiele ihrer Geschichten - dies ist die wahrhafte Theodizee, die Rechtfertigung Gottes in der Geschichte. Nur die Einsicht kann den Geist mit der Weltgeschichte und der Wirklichkeit versöhnen, daß das, was geschehen ist und alle Tage geschieht, nicht nur nicht ohne Gott, sondern das Werk seiner selbst ist"(9). <==//
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(1) sprachkritisch ist das verfahren Hegel's ein verknüpfen verschiedener termini, denen bestimmte bedeutungen zugeordnet sind. Das schafft den schein, dass Hegel unterscheidbare und unterschiedene begriffe miteinander identifiziert, ein verfahren, das im ontologischen argument konsistent ist, weil jedes dasseiende ding auf das sein als seinen quellgrund zurückgeführt werden kann, der, umfassend im begriff: sein, fixiert, subjekt, gott und den begriff identisch erscheinen lässt. In den schriften zur philosophischen propädeutik hatte Hegel diese identifikationen, im blick auf die gymnasialpraxis*, in klaren anweisungen ausgeführt. Im abschnitt über die Religionslehre** schreibt Hegel: "Über den Begriff Gottes. §{1} Gott ist 1. das Sein in allem Sein, das einfache Erste und Unmittelbare. (...)§{2} 2. Das Sein ist Wesen (.../§{3}...) es offenbart sich als absolute Substanz (...) §{7} 3. Gott ist Subjekt; er ist das allgegenwärtige allgemeine Wesen oder die Substanz von allem, (...) §{8} Gott ist der absolute Geist; nur insofern ist die Existenz der Welt nicht bloß seine Erscheinung - (...) sondern Schöpfung. Daß Gott Geist und Schöpfer ist, macht seinen Grundbegriff aus"***. <==//
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* Hegel. Texte zur Philosophischen Propädeutik. p.9-302 //==>2.93.07<==//
** Hegel. Texte zur Philosophischen Propädeutik. /9.Religionslehre. p.275-290 //==>2.93.07. <==//
*** Hegel. Texte zur Philosophischen Propädeutik. /9.Religionslehre. p.280-281 //==>2.93.07. <==//
(2) Hegel: Phänomenologie des Geistes. Vorrede. p.28. //==>2.93.07. <==//
(3) Hegel. Wissenschaft der Logik II. p.246 //==>2.93.07. <==//
(4) Hegel. Wissenschaft der Logik II. p.246 //==>2.93.07. <==//
(5) Hegel. Wissenschaft der Logik II. p.248-249 //==>2.93.07. <==//
(6) Hegel. Wissenschaft der Logik II. p.251 //==>2.93.07. <==//
(7) Hegel. Wissenschaft der Logik II. p.253 //==>2.93.07. <==//
(8) Hegel. Philosphie der Geschichte. p.539-540 //==>2.93.07. <==//
(9) Hegel. Philosphie der Geschichte. p.540 //==>2.93.07<==//

(e) argument: //==>2.21.06   und //==>2.22.08   und //==>2.22.34 <==//

(f) das problem habe Ich ausführlicher in dem essay: "Der weltgeist Hegel's - das bin Ich, das sind Sie, das sind wir alle, jeder für sich" erörtert(1).
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(1) Richter. Der weltgeist Hegel's. 015:weltgeist. //==>2.93.25. <==//

(g) Hegel ist in einem dilemma. Entweder unterwirft sich Hegel der logik seiner dialektik, dann bleibt er in der linearen dialektik gefangen, die ihn immer wieder auf den weg zurückzwingt, solange er, die vermittlung abbrechend, im ende nicht selbst verschwunden ist. Oder Hegel nimmt seine zuflucht in tautologien, die er mit identifikationen heterogener weltdinge zu erzwingen sucht, tautologische sätze, denen alles beigelegt werden kann, was beliebt. Die identität kann Hegel nur in der vollendung erreichen, die der physische tod des individuums als ich ist. Der differenz, die das leben ist, kann Hegel nicht entkommen, solange das individuum, das lebt, sich als ich schafft.     <==//
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(2.72.03/(a)<==//
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(text/1.2.1)<==//


2.72.03

das subjekt Hegel's ist nicht eindeutig bestimmt. Die identifikation der begriffe: "gott, sein, substanz, geist und subjekt"(a) macht diese untereinander austauschbar. Hegel's satz: "Gott ist Subjekt"(b) verknüpft als logisches urteil das logische subjekt: gott, mit dem logischen prädikat: subjekt; das logische prädikat: subjekt, hat in Hegel's satz die funktion eines merkmals für das logische subjekt: gott. Folglich muss der satz: subjekt ist gott, der als ein anderer satz und über die identifikation vermittelt, formal möglich ist, falsch sein. Was aber auf der ebene der begriffe eindeutig ist, das erscheint auf der ebene der phänomene vieldeutig; denn, vermittelt über die identitätssetzungen: "gott als subjekt, subjekt als substanz und substanz als gott", ist der satz: subjekt ist gott, mit dem satz: gott ist subjekt, austauschbar, Was als sprachliche rabulistik erscheint, das setzt Hegel's formel: "diese Menschwerdung des göttlichen Wesens"(c), vielfältigen deutungen aus(d). Der mensch, Hegel's subjekt, als gott? - Hegel war philosoph und kein religionsstifter; seine zeitgenossen waren keine götter, auch wenn einer sich so gefühlt haben mag. Hegel reflektierte die bedingungen, unter denen der mensch ein subjekt sein kann, wenn er im horizont des geglaubten gottes sich selbst als einen von gott ausgeschlossenen bestimmt. Das subjekt, das glaubt, ein geschöpf des geglaubten gottes zu sein, kann der frage, die es beunruhigt, nicht ausweichen, der frage, warum sein geglaubter gott sich in ihm, seinem geschöpf, überhaupt entäussert hat(e), eine entäusserung, die eine entzweiung zwischen dem schöpfer und dem geschöpf setzt, die, in einer versöhnung aufzuheben, die sehnsucht des subjekts ist. In der dialektik hebt Hegel die entzweiung spekulativ als versöhnung auf. Das subjekt Hegel's kann erst dann bei sich sein, wenn die vermittlung des positiven und negativen ihre vollendung gefunden hat, die in der finalen tat die identifikation des subjekts mit seinem gott ist. Die finale tat aber bricht die dialektik ab. Was Hegel in der vollendung der vermittlung denkt, das ist real der physische tod des menschen, der die gemeinsame schnittmenge ist, die das subjekt Hegel's und das individuum als ich des relationalen arguments(f) haben. Real wird die dialektik Hegel's in der ästhetik der romantik durchdekliniert, die den sieg des helden in seinem tod feiert(g), aber der gesuchte tod ist nur eine fata morgana, die das subjekt Hegel's vor den augen hat, wenn es aus dem dasein in's sein flieht, das es nur um den preis seiner physischen vernichtung erreichen kann. Hegel hat die logik seiner dialektik nicht durchschaut.
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(a) die belegstellen werden im argument: 2.72.02, zitiert(1).
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(1) argument: //==>2.72.02/(d/1). <==//

(b) Hegel. Texte zur Philosophischen Propädeutik. /9.Religionslehre. p.281 //==>2.93.07. <==//

(c) Hegel verwendet die formel in der Phänomenologie des Geistes an zwei stellen(1).
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(1) Hegel. Phänomeologie des Geistes. p.545 und 552. //==>2.93.07. <==//

(d) seine deutung hat Hegel in diesem zitat fixiert. "Hier also ist in der Tat das Bewußtsein oder die Weise, wie das Wesen für es selbst ist, seine Gestalt, seinem Selbstbewußtsein gleich; diese Gestalt ist selbst ein Selbstbewußtsein; sie ist damit zugleich seiender Gegenstand, und dieses Sein hat ebenso unmittelbar die Bedeutung des reinen Denkens, des absoluten Wesens. - Das absolute Wesen, welches als ein wirkliches Selbstbewußtsein da ist, scheint von seiner ewigen Einfachheit herabgestiegen zu sein, aber in der Tat hat es damit erst sein höchstes Wesen erreicht. ( ... ) Das Niedrigste ist also zugleich das Höchste; (...) dies ist also in der Tat die Vollendung seines Begriffes; und durch diese Vollendung ist das Wesen so unmittelbar da, als es Wesen ist"(1). Die bestimmung, resultat zu sein, präzisiert Hegel: "Wessen wir uns in unserem Begriffe bewußt sind, daß das Sein Wesen ist, ist das religiöse Bewußtsein sich bewußt. Diese Einheit des Seins und Wesens, des Denkens, das unmittelbar Dasein ist, ist (...) ebenso sein unmittelbares Wissen. (...) Gott ist also hier offenbar, wie er ist; er ist so da, wie er an sich ist; er ist da, als Geist"(2).
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(1) Hegel. Phänomenologie des Geistes. p.553-554 //==>2.93.07.
(2) Hegel. Phänomenologie des Geistes. p.554 //==>2.93.07. <==//

(e) die versöhnung mit gott ist eine glaubensfrage und für die glaubensfragen ist der theologe zuständig, von dem der gläubige eine der vielfach möglichen antworten erwartet. Der philosoph sollte sich nicht in die händel der theologen einmischen, aber als zaungast kann er sich aus diesen händeln nicht raushalten, weil auch er mit dem problem der entzweiung in seiner säkularen variante, der differenz, konfrontiert ist. Was das individuum als ich ist, das ist es in der differenz zwischen dem leben, das in seiner geburt gesetzt worden ist, und dem leben, das durch den physischen tod beendet sein wird. Weder der theologe noch der philosoph können sich der frage entziehen: warum diese differenz? warum diese entzweiung? - Die fragen verlangen eine antwort, aber die antwort ist entweder die neuformulierung der frage, die den prozess offen hält, oder die frage ist, den prozess abbrechend, in der antwort verschwunden - spurenlos. Feststellbar ist das faktum, dass die antworten die bedrängende frage implizieren, solange der prozess des lebens dauert, und die antworten, mit denen behauptet wird, den prozess stillgestellt zu haben, sind spekulationen, die der spekulierende für sich zu verantworten hat, solange er in raum und zeit spekuliert.     <==//

(f) argument: //==>2.22.26. <==//

(g) das romantische prinzip fixiert das subjekt Hegel's im moment seiner vollendung. Das subjekt Hegel's, ästhetisch gewendet, ist erst dann ganz bei sich, wenn es sich im moment der selbstrealisation als subjekt aufgehoben hat. Als kunstwerk ist das romantische prinzip im liebestod der Isolde und der Senta gestaltet worden(1). Es sollte aber nicht übersehen werden, dass das romantische prinzip im religiösen gefühl verwurzelt ist(2). Für den christen ist der tod des gottessohns am kreuz sowohl ein symbol für die entzweiung des menschen von seinem gott als auch seine versöhnung mit diesem gott; es ist das opfer des lebens, das die schuld des lebens tilgen soll(3). Der kreuzestod Jesus' wird symbolisch im gesuchten tod der martyrer wiederholt, die, kühl kalkulierend, ihren platz im himmel mit dem opfer verdienen wollen. Die zynische kopie dieser logik realer vernichtung sind die rechtfertigungen, mit denen die islamistischen selbstmordattentäter ihren gott erpressen, im paradies die jungfrauen zur verfügung gestellt zu bekommen, geglaubte versprechungen der mullahs, die den namen des propheten missbrauchen. <==//
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(1) Isolde opfert sich, um mit Tristan weiter zu leben - anderwo. Senta opfert sich, um mit ihrem opfer den holländer vom fluch zu befreien, der sich untergehend mit dem gott versöhnen kann.    <==//
(2) diese perspektive hatte Novalis eingenommen*.
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* Novalis. Das Christentum oder Europa. p.731-750. //==>2.93.21. <==//
(3) das religiös motivierte erlösungsmodell hat eine säkulare variante, die nicht übersehen werden sollte, weil sie, alles religiöse beiseitelegend, sich auf Hegel berufen kann. Die reale entfremdung im kapitalismus soll mit der aufhebung des kapitals aufgebrochen werden und im materiellen paradies auf erden versöhnt sein. Eine alte utopie, deren reale einlösung im 20.jahrhundert kläglich gescheitert ist.    <==//
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(text/1.2.12)<==//

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fortsetzung:
subtext: 2.81.01 - 2.81.02

<==// (anfang/bibliograpische angaben)

stand: 16.04.01.

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