TEXT
1.0 text
1.1 einleitung
1.11 vorbemerkung.
1.12 das gedankenexperiment.
1.13 die aura des werks als problem einer gewandelten welt.
1.2  haupteil
1.21  der wandel der technischen produktion des originals(=unikat) und seine reproduktion in den kopien.
1.22  die idee des kunstwerks als ästhetisches urteil, das original mit seinen kopien verknüpfend.
1.23  die nachrangigkeit der unterscheidung: original und/oder kopie.
1.24 die differenz in den perspektiven: idee des kunstwerks - das kunstwerk im markt.
1.3 schluss
1.31 die logik der differenz: original/kopie, entweder im markt real oder wirksam in der ästhetischen reflexion.
2.0 subtext
2.00 vorbemerkung
2.01 anmerkungen   bis 2.42 .
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1.1     einleitung

1.11

das original kann Ich dem adressaten nicht präsentieren und den text illustriere Ich nicht mit der kopie, üblich im geschäft(2.01).
1.12
Ich beginne mit einem gedankenexperiment. Stellen sie sich vor, dass sie im Louvre vor dem bild der berühmten Mona Lisa stehen. Neben dem original ist eine kopie platziert, die dem original als abbild in allen details technisch gleich ist(2.02). Dem publikum ist nicht kund getan, welches der beiden objekte die kopie ist, respektive das original. Ich kann die wette konstruieren, dass das publikum, unfähig die kopie vom original zu scheiden, das ästhetische urteil dennoch formulieren wird, die urteile jeweils an einem der beiden objekte festmachend. Der streit über die frage, was das original einerseits sei, umkreist von der aura des werks, und die frage, was die kopie andererseits ist, die idee des werks spiegelnd, aber bar des glanzes eines unikats, wird abschliessend nicht entscheidbar sein.
1.13
    Walter Benjamin hatte im ersten drittel des 20.jahrhunderts beobachtet, dass die aura des kunstwerks(2.03) mit den möglichkeiten der technischen reproduzierbarkeit der objekte verloren gegangen sei(2.04).
    Der verlust der aura, von Walter Benjamin noch als möglichkeit diskutiert, ist im zeitalter der digitalen produktion und reproduktion von kunstwerken realität geworden. Die beschworene aura des werks ist nicht mehr herstellbar(2.05) und mit der unmöglichkeit ihrer herstellung ist auch die unterscheidung: original oder kopie, obsolet gefallen; denn kein objekt ist mehr aufweisbar, dem der status des originals oder der status einer kopie zuordbar ist. Jedes objekt erscheint entweder als ein unikat(2.06) oder es ist als objekt ein element in einer reihe gleicher objekte(2.07). Diese feststellung ist schwerlich zu bestreiten, aber die kategorische dichotomie: entweder/oder, hat die aura des kunstwerks nicht als problem aus der welt geschafft. Das lächeln der Mona Lisa, rezipiert als kopie des berühmten werks Leonardo da Vinci's, kann auch dann als ein geheimnis erfahren werden, wenn das original real nicht präsent ist(2.08), als idee des kunstwerks aber ist es in der vorstellung des individums als ich wirklich, vermittelt durch eine kopie des originals.
    Desillusionierend ist der blick auf das treiben im markt(2.09). Das geschäft mit den kunstwerken floriert, einerseits das kunstwerk als kapitalanlage(2.10), andererseits das kunstwerk als objekt des kulturbetriebs(2.11). Der kulturbetrieb als der klassische raum ästhetischer konfrontation ist im moment: das kunstwerk, mit dem markt als funktionsraum ökonomischer verwertbarkeit verknüpft, aber das kunstwerk, seiner aura verlustig gegangen, ist am original nicht mehr eindeutig identifizierbar, und das, was als kopie gehändelt wird, das kann vom original nicht mehr unterschieden werden(2.12). Wenn unter diesen bedingungen an der these festgehalten werden soll, dass der status des originals an die aura des kunstwerks geknüpft sein muss, die aura des kunstwerks aber ohne das original unmöglich geworden ist, dann wird der schluss zwingend sein, dass unter den bedingungen der digitalen produktion und reproduktion die existenz eines kunstwerks zu verneinen ist(2.13). Die objekte des markts, die objekte des kulturbetriebs eingeschlossen, sind zu beliebigen dingen der welt transformiert worden, die, nicht unterscheidbar, im kunstbetrieb wie auf den märkten der welt, als objekte gehändelt werden, die einerseits als kopie des originals ohne aura sind, die aber andererseits, umhüllt vom glanz der aura des originals, als unikate keine kopie sein können. Der mögliche schluss(2.14), im zeitalter der digitalen produktion und reproduktion könne es keine kunstwerke mehr geben, liegt also auf der hand, aber, und der einwand sollte nicht übergangen werden, dieser schluss kann nur dann als richtig ausgewiesen werden, wenn die prämissen dieses arguments auch wahr sind(2.15). Einerseits ist der geschäftige betrieb im kunstmarkt: 2015, ein gewichtiges indiz für die wahrheit der prämissen(2.16), andererseits aber muss ein starker grund geltend gemacht werden, der die beobachteten fakten relativiert, die wahrheit der behaupteten prämissen in den zweifel stellend.
1.2  hauptteil

1.21

    die funktion des originals, ein unikat in seiner unverwechselbaren ontischen präsenz, ist in der tradition ein konstitutives moment. Das originale kunstwerk ist als ein daseiendes im sein unter allen weltdingen unverwechselbar als dieses und kein anderes ding der welt ausgezeichnet. Die Mona Lisa gibt es als original nur einmal, alle anderen weltdinge, dasselbe sujet zum gegenstand habend, sind als kopien oder vorstufen zum werk etwas anderes(2.17). Wenn dieses argument im horizont des ontologischen arguments(2.18) geltend gemacht wird, dann ist prima vista das argument plausibel und zwingend. Für die these, dass das echte kunstwerk mit seiner aura nur als original vorstellbar sei, sind die bekannten techniken der produktion und reproduktion von kunstwerken starke argumente, nachvollziehbar in einer langen historia der tradition(2.19). In dieser behauptenden feststellung ist aber auch die meinung impliziert, dass jede faktische kopie des echten kunstwerks nur eine nachahmung des originals(2.20) sein könne, folglich die kopie das wesentliche moment des kunstwerks entbehren müsse, nämlich seine aura.
    Secunda vista ist diese these aus zwei gründen problematisch.
    Zum ersten ist mit den neuen techniken der moderne das erscheinen des originals modifiziert worden. Das traditionale merkmal: die aura des werks, ist nicht mehr tauglich, die neuen situationen angemessen zu unterscheiden. Diese veränderung hatte Walter Benjamin am film, dem medium des 20.jahrhunderts, registriert. Die entwicklungen der technik im 20.jahrhundert haben das kunstwerk der moderne in seinem erscheinen als standard auf die form einer digitalen datei reduziert, real greifbar in der silbrig glänzenden scheibe einer cd(2.21).
    Zum zweiten ist die position des ontologischen arguments bestreitbar. Das, was entweder als original oder als kopie eines kunstwerks ausgewiesen ist, das hat das individuum als ich nur in relationen verfügbar, jede relation für sich, relationen, die das individuum als ich, allein sich selbst bindend, setzt. Ob das individuum als ich im horizont des relationalen arguments das bestimmte weltding: n, in der perspektive der ästhetik urteilend, in einer relation als das kunstwerk: m, in der form des originals fasst, oder ob es das bestimmte weltding: n, das kunstwerk: m, in einer kopie repräsentierend, in einer relation fasst, das kann das individuum als ich nur im horizont des jeweils dritten moments bestimmen, das ausgeschlossen ist(2.22). Wenn das individuum als ich, die frage entscheiden will, ob das real präsente ding der welt: n, das kunstwerk: m, repräsentierend, das original ist oder einer seiner möglichen kopien, dann muss es als begriff, die differenz: original/kopie, behaupten, eine behauptung, die in den phänomenen nachzuweisen durch die digitalen techniken erschwert erscheint, de facto aber unmöglich ist(2.23).
    Das problem der aura des kunstwerks, festgemacht an der unterscheidung: original oder kopie, ist auf der argumentebene der begriffe entscheidbar und entschieden, auf der argumentebene der phänomene aber wird jede entscheidung: original und/oder kopie, bestritten werden, weil alle, die es betrifft, in ihrer perspektive die streitfrage entscheiden müssen. Die techniken der unterscheidung, wirksam und bewährt in der tradition, sind unter den bedingungen der modernen techniken ins zwielicht geraten, und diesen techniken ist kein argument entnehmbar, das klarheit schafft.
1.22
das bild der Mona Lisa ist dem individuum als ich gedoppelt präsent, einerseits das berühmte bild im Louvre als das original, andererseits als kopie in den dingen der welt, die, fixiert in den dateien, die global jederzeit in der internetwolke angeklickt werden können und die, gehändelt als ausdrucke einer datei, in den traditionalen medien als beliebige abdrucke erscheinen(2.24). Die differenz im erscheinen ist schwerlich zu bestreiten und dennoch wird immer wieder ein moment konstatiert, das die erscheinungsformen des kunstwerks: Mona Lisa, einander ausschliessend, miteinander verbindet. Das ist das geheimnisvolle lächeln der Mona Lisa, oder formuliert mit einer kategorie der ästhetischen theorie, es ist die idee des kunstwerks: Mona Lisa,(2.25). Die idee des kunstwerks ist eine vorstellung des individuums als ich, die als ästhetisches urteil, anders als die realen bilder, original und/oder kopie, nicht in einer ontischen fülle greifbar ist, weil sie ihren grund im individuum als ich hat, das das ding der welt: n, original und/oder kopie, als das kunstwerk: m, bestimmt. Diese bestimmung kann nur vom individuum als ich, dem fokus des arguments, verifiziert werden, sowohl am original als auch an jeder beliebigen kopie, gut oder schlecht gemacht(2.26). In dieser konstruktion ist es nicht zwingend, dass das individuum als ich, das ästhetische urteil im moment seiner gelebten gegenwart formulierend und die idee des kunstwerks im werk fixierend, das original des kunstwerks real präsent haben muss, die kopie genügt, die das individuum als ich in jedem beliebigen ding der welt(2.27) zur hand hat(2.28), das die funktion realisiert, die erinnerung an das original entweder zu vertreten und/oder diese erinnerung zu unterstützen. In dieser funktion wird mit der kopie, für das original stehend, die unterscheidung: original oder kopie, nicht beseitigt, aber die differenz ist relativiert, die zwischen der kopie und dem original behauptet werden muss; denn der fokus der analyse und der fokus der reflexion ist die idee des kunstwerks, die sowohl im original als auch in der kopie ausgewiesen wird(2.29).
1.23
die unterscheidung: kopie oder original, ist im blick auf das ästhetische urteil dann nachrangig, wenn das original in der kopie, technisch möglich, deckungsgleich reproduziert ist. Mit dieser feststellung sind die kategorien: kopie und/oder original, nicht gegenstandslos geworden, aber diesen kategorien ist in der ästhetischen theorie eine modifizierte funktion zugewachsen, die dem individuum als ich es möglich macht, in seiner reflexion die aura des kunstwerks einerseits mit der kopie zu verknüpfen, das ist das berühmte werk, und in seiner analyse die idee des kunstwerks andererseits vom status des originals zu trennen, das ist das werk, das die epoche prägt. Im forum internum gedacht, aber streitig auf dem forum publicum diskutiert, kann das individuum als ich über kreuz seine vorstellung des kunstwerks am original, ein unikat, als die idee des kunstwerks begreifen, fixiert im ästhetischen urteil, ohne die aura des kunstwerks in den kopien entbehren zu müssen. Die spannung: hier die kopien - da das original, ist unter den bedingungen der produktion und reproduktion digitaler techniken zwar relativiert, aber nicht beseitigt.
1.24
die unterscheidung: kopie oder original, ist in der perspektive: die idee des kunstwerks, nachrangig, weil das problem sowohl am original als auch an den verfügbaren kopien diskutiert werden kann(2.30). In der perspektive: das kunstwerk im markt, aber ist das authentische werk als original immer ein unikat und dieses merkmal: unikat, real in der aura, ist für den sammler das entscheidende moment, das zur idee des kunstwerks quer stehen kann(2.31). Im markt zahlt der sammler für die aura des werks seinen preis, eine zahl, für die das ästhetische urteil irrelevant ist, irrelevant ist aber das ästhetische urteil für den sammler, der mit dem ästhetischen urteil keinen sous rendite erwirtschaften wird. Das, was für die idee des kunstwerks entscheidend ist, verifizierbar an jeder technisch zureichenden kopie, das leistet für den sammler nur das original, anders und präzis formuliert, sein glaube daran, dass das vorliegende ding der welt: n, auch das originale kunstwerk: m, ist. In dieser perspektive ist an der traditionalen unterscheidung: original oder kopie, zwar festzuhalten, aber diese perspektive ist in der moderne, angestossen durch die möglichkeiten der technischen reproduzierbarkeit, digital oder nicht, relativiert, die objekte unterschiedslos im zwielicht haltend(2.32).
1.3 schluss

1.31

    einerseits ist in der perspektive: die idee des kunstwerks, die unterscheidung: original oder kopie, nachrangig(2.33), andererseits ist die behauptung des kunstwerks als orginal in der perspektive des markts der angelpunkt, in dem die manipulationen der marktteilnehmer zusammenkommen(2.34). Die differenz in den perspektiven zwingt zur strikten trennung dieser bereiche, weil das argument, gültig in dem einen bereich, im jeweils anderen bereich falsch, zumindest aber irrelevant ist(2.35). Die kriterien und die mechanismen, die für das ästhethische urteil fundierend sind, haben keine funktion, wenn das kunstwerk als tauschobjekt auf dem markt gehändelt wird(2.36). Und die kriterien des marktes, nach denen die einschlägigen geschäfte im markt abgewickelt werden, haben nichts mit der kunst zu tun, weil diese manipulationen auch auf alle anderen im markt gehandelten güter anwendbar sind. Aber eine signifikante verschiebung in der gewichtung der differenz: kopie/original, sollte beachtet werden. Das verhältnis des originals zur kopie ist umgekehrt reziprok(2.37). In der ästhetischen reflexion(2.38) kann die bedeutung des originals zurückgestellt werden, weil das ästhetische urteil nicht zwingend an das original gebunden ist, es kann an jeder brauchbaren kopie verifiziert werden(2.39). Der wechsel des status: original oder kopie, ist im markt ausgeschlossen, wenn die objekte der kunst gemakelt werden. Hier geht es um die identität des objekts, die gesichert sein muss, wenn das geschäft, sache gegen geld oder geld gegen sache, korrekt zustande kommen soll(2.40) oder nicht(2.41).
    Unter den bedingungen der digitalen produktion und reproduktion sind die erscheinungsformen von original und kopie verändert worden, die funktion dieser erscheinungsformen in den perspektiven: markt oder kunst, sind unverändert. Die brauchbare kopie als verkörperung der idee des kunstwerks, erfüllt in der reflexion des ästhetischen urteils die gleiche funktion wie das begehrte original mit seiner aura, aber auf dem markt ist das original das entscheidende moment, ohne dass der aura des werks eine besondere funktion im tauschgeschäft zukommen kann. Die reflexion des kunstwerks, die das individuum als ich lebt, ist ein anderer daseinszustand als der besitz eines kunstwerks, das ziel der begierde des sammlers. Der sammler hat sein glück an einen anderen gegenstand geknüpft als der kunstliebhaber, gleichwohl das gleiche werk der kunst der bezugspunkt ist, einmal in der form des originals, dann in den formen seiner kopien(2.42).
finis
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//==> subtext

anfang<==//

stand: 16.04.01.
eingestellt: 15.02.15.

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