TEXTSAMMLUNG

das argument des monats
ausgabe: 07/04  juli-september/2004

418 - oder was soll die arbeit wert sein?

Was unterscheidet den wert der arbeit einer putzfrau, die in der Deutschen Bank die geschäftsräume adrett hält, vom wert der arbeit, die der chefmanager dieser Bank leistet? - deren einkommen war in den letzten wochen ins gerede gekommen, und in der publizistischen öffentlichkeit werden zahlen gehandelt, die zwischen 3 und 11.000.000 Euro oszillieren(1). Wenn Ich diese zahlen auf eine überschaubare vergleichsebene umdeute, dann ist, ein 8-stündiger arbeitstag als maasstab des vergleichs zugrunde gelegt, die bestimmte vergleichszahl: 418, das ergebnis(2). Im sozialen kontext hat die nackte zahl: 418, auch den sinn, dass die arbeit des herrn Ackermann, in geld ausgedrückt(8), 418 mal so viel wert ist wie die arbeit seiner putzfrau. 418 - viel oder wenig? Die zahl: 418, bedeutet wenig, weil sie das ergebnis eines kalküls ist, das die zahl: 1, zum fundament hat(3); die zahl: 418, bedeutet aber viel, sehr viel, wenn sie in den kontext der gesellschaft gestellt wird, in der die putzfrau und ihr boss, der herr Ackermann, die gegensätzlichen pole markieren. In der zahl: 418, kreuzen sich die gegenläufigen interessen, die als maasstäbe den wert der zahl relativieren und im schatten der interessen vage erscheinen lassen.

Ich frage also, was die maasstäbe sein können, mit denen menschen den wert ihrer arbeit beurteilen können, wenn sie die früchte ihrer arbeit miteinander austauschen. Ich antworte.

Der erste maasstab sind die erfahrungen der historia. Man sagt, dass in der bekannten geschichte das alte recht schon immer die grossen differenzen im einkommen der menschen gerechtfertigt habe. Das faktum will Ich nicht bestreiten, aber sehr wohl bestreite Ich die meinung, dass die faktische verteilung des gesellschaftlichen reichtums nach maassgabe von armut und reichtum auch die begründung dafür ist, dass jeder für seine arbeit nach dem seinigen entschädigt werden solle. Das argument ist ein zirkelschluss; Ich lege es daher als falsch beiseite.

Der zweite maasstabe beutet eine metapher aus, die metapher, nach der die gesellschaft ein organismus sei; per analogiam werden die faktischen differenzen im einkommen gerechtfertigt; so wie ein lebender körper aus verschiedenen organen mit differenzierten funktionen zusammengesetzt ist, die in einer festen ordnung zusammenwirken, so wird auch die gesellschaft als ein organismus gedeutet, der den unterschiedlichen sozialen gruppen der gesellschaft(4) einen ungleichen anteil am mehrwert der gesellschaft zuordnet. Die metapher ist stark, aber sie ist falsch. Es kann nicht bestritten werden, dass mit der organismus-metapher bestimmte phänomene der gesellschaft plausibel erklärt werden können, so das phänomen der hierarchie, die für den bestand einer gesellschaft durchaus vorteilhaft sein kann(5), aber der versuch, die beschreibung eines phänomens mittels einer analogie in die legitimation des beschriebenen umzudeuten, ist methodisch unbegründet und daher unzulässig. Auch dieses argument lege Ich als falsch beiseite.

Der dritte maasstab ist das ökonomische argument. Man sagt, das können des arbeitenden menschen, seine produktivität und die damit verknüpfte arbeitsteilung in der gesellschaft bestimmten den wert seiner arbeit. Die logik dieses arguments weise jedem nach seinem können und seiner leistung den ihm angemessenen platz in der gesellschaft zu(6). Ernsthaft kann nicht bestritten werden, dass jedes individuum als ich über spezielle fertigkeiten verfügen kann, mit denen es sich von den anderen unterscheiden und die chance sich verschaffen kann, gegen jeden anderen sich abzugrenzen; auch kann ernsthaft nicht bestritten werden, dass bestimmte individuen als ich über die fähigkeit verfügen, komplexe arbeitsprozesse effizienter zu handhaben als andere und damit, wie man sagt, mehr als andere leisten können. Das problem allein ist, was die maasstäbe der zuordnung sind, mit denen diese differenzen rational beurteilt werden könnten. Ich zitiere zwei ausserordentliche personen der geschichte, die prima vista viel mit aesthetik, aber wenig mit ökonomie zu tun hatten, und deren wirken bis heute das problem der zuordnung offen lassen. W.A.Mozart und P.Picasso sind zwei ausnahmekünstler par excellence; ihr können und ihre leistung stehen ausser zweifel, die gesellschaften hatten aber damals und heute ihre arbeit unterschiedlich bewertet. Vereinfacht und polemisch formuliert kann man sagen, der eine endete im armengrab, der andere hinterliess den erben ein milliardenvermögen, und wer einen "Picasso" sein eigen nennen kann, der besitzt einen millionenschatz(7). Der ökonomische ertrag der arbeit entspricht im falle Mozarts nicht der leistung, wenn man diesen ertrag, in geld ausgedrückt(8), mit dem ertrag der arbeit von Picasso vergleicht. Nun dürfte es schwierig sein, musik und malerei auf einen nenner zu bringen, um so die zahlen vergleichen zu können, auch ist es fraglich, ob ästhetische kategorien in geld ausdrückbar sind(9), aber die differenzen sollten nicht ignoriert werden, auch dann nicht, wenn das 18. jahrhundert nur bedingt mit dem 20.jahrhundert vergleichbar ist. Mozart ist, platt und direkt gesagt, gemessen an den normen des 20.jahrhunderts gegenüber Picasso schlecht weggekommen. Ist dieses malus mit einer differenz im können oder in der leistung begründbar, das die differenz in der bewertung rechtfertigen könnte? Ist vielleicht das faktum ein hinreichender grund, dass die sparten: musik und malerei, die in der gesellschaft ein moment der arbeitsteilung sind, die ungleiche vergütung geleisteter arbeit rechtfertigen? Diese fragen, suggestiv gestellt, nehmen die antwort schon voraus. Wenn die kriterien: können und leistung, präzise definiert und exakt quantifiziert sind, dann können sie in einer gesellschaft mit einer hoch entwickelten arbeitsteilung brauchbare anhaltspunkte für die bewertung von arbeit liefern, aber als genereller maasstab dürften diese kriterien nur unzureichende antworten bereitstellen, und als rechtfertigung für faktische ungleichheiten taugen sie nicht.

Der vierte maasstab ist die würde des menschen (Art.1.I.1.GG). Man sagt, der terminus: würde, bezeichne einen unbestimmten rechtsbegriff, eine generalklausel, die mit beliebigem inhalt gefüllt werden könne. Der einwand verweist auf ein konkretes problem, geht aber ansonsten am problem vorbei, und diejenigen, die diese kritik akzentuieren, wissen sehr genau, warum sie es tun; denn es gibt konkrete und präzise vorstellungen darüber, was die würde eines menschen ist. Der begriff: würde des menschen, kann in den vorstellungen festgemacht werden, die das individuum als ich, ein wesen der natur, von sich hat. Zwar unterliegt das individuum als ich den bedingungen der natur, soweit es die biologischen aspekte seiner existenz berührt, aber es unterscheidet sich von jedem anderen lebewesen, insbesondere den tieren, darin, dass es innerhalb der grenzen seiner natur sich selbst als ein ich bestimmen kann. Das individuum als ich schafft sich selbst(10), indem es in seiner arbeit die welt verändert und neu formt. Einerseits greift es in die naturprozesse ein und modifiziert diese nach seinen maassen, andererseits schafft es dinge der welt, die in der natur noch nie vorhanden gewesen waren. Diese prozesse des eingreifens in die vorgänge der natur bezeichne Ich mit dem terminus: arbeit. Zwar leistet das individuum als ich die arbeit stets für sich, aber die werke der arbeit, also die dinge, die es mit den anderen tauschen kann, schafft das individuum als ich mit seinem anderen, der wie das individuum als ich ein individuum als ich ist, dem es selbst der andere ist. Die relation: ich<==>der_andere, ist ein wechselseitiges verhältnis der anerkennung. Das individuum als ich, wenn es sich selbst als ein ich begreifen will, muss seinen anderen anerkennen, so wie der andere, der sich auch als ein ich begreifen will, den anderen als seinen anderen anerkennt. Was das individuum als ich als seinen selbstwert ansieht, eben seine vorstellung von würde, dass muss es seinem anderen ohne einschränkung auch zubilligen, wenn nicht, dann vernichtet es sich selbst als ich; ein konstitutives moment dieser selbstschätzung oder würde ist die erwartung des individuums als ich, dass sein anderer ihn in dieser selbsteinsschätzung in der gleichen weise anerkennt. Die anerkennung konstituiert ein prinzip der äquivalenz, das keine kautelen zulässt und somit als ein maasstab fungieren kann, das die bewertung der arbeit ermöglicht, die beide miteinander austauschen wollen und können. Man mag einwenden, dass dies ein sehr abstraktes prinzip sei, aber dem entgegne Ich, dass das individuum als ich einige grundbedürfnisse hat, die es befriedigen muss, wenn es sich in seiner existenz erhalten will; eines dieser grundbedürfnisse ist, mit einem terminus der bürgerlichen gesellschaft formuliert, sein tägliches brot, das es sich im austausch mit den produkten seiner arbeit erwerben kann. Was für das individuum als ich sein tägliches brot ist, das definiert jede gesellschaft mit ihrem realen erscheinen(11). Eine gesellschaft aber, die mit ihrer struktur die befriedigung dieses kernbedürfnisses individueller existenz hintertreibt, kann keine humane gesellschaft sein; denn sie verneint faktisch das prinzip der gegenseitigen anerkennung und setzt an die stelle der anerkennung des anderen als den anderen den egoismus des individuums, das die logik der ausbeutung des einen durch den anderen als norm setzt. Diese bemerkung leitet über zum fünften möglichen maasstab.

Der fünfte und letzte maasstab ist das argument des marktes, es ist das diktat des shareholdervalue. Die apologeten dieses maasstabes behaupten, dass die gesellschaft ein grosser markt sei(12), auf dem jeder marktteilnehmer seine arbeit frei nach dem prinzip von angebot und nachfrage anbieten kann. Ihre theorien eines marktes, der sich selbst reguliert, sind blendend und zugestanden, es ist eine grandiose idee, dass jedermann frei sein soll, ohne jede fremdeinschränkung, nach können und leistung seine arbeit dem anderen zur nutzung anzubieten, um als äquivalent ebenso frei eine entschädigung zu erhalten. Aber diese idee, in der theorie ein glasperlenspiel, in der praxis ein mörderisches treiben, funktioniert nach dem nullsummenspiel selektiv und schiebt dem marktakteur, der hat, noch mehr zu, das dieser dem, der wenig hat, wegnehmen muss; denn das hauptinstrument des marktes: angebot und nachfrage regeln den preis, funktioniert nicht nach dem äquivalenzprinzip der zahl: 1, sondern nach der schwerkraft der zahlen: 2 und grösser. Was der einen seite der marktbilanz positiv zugeschoben wird, das wird der anderen seite negativ entzogen, und je stärker das prinzip nach der einen seite wirkt, desto stärker wirkt es auf der anderen seite. Es kann nicht bestritten werden, dass nach diesem mechanismus die arbeit des einzelnen bewertet wird, aber die resultate dieser bewertungen, getrennt nach anbieter und nachfrager, decken sich nicht, und welche bewertung gelten soll, das entscheidet der stärkere(13), falls nötig auch mit gewalt. Entgegen des neoliberalen geschwätzes, das allerorten en vogue ist, ist es die reale arbeit, die den mehrwert schafft, der in der gesellschaft verteilt werden kann, aber die reale arbeit wird marktkonform geringer bewertet als die imaginierte arbeit des kapitals, dessen shareholder den in der arbeit geschaffenen mehrwert aufsaugen.

Nach dieser aufzählung der möglichen maasstäbe lasse Ich es offen, was die zahl: 418, real bedeuten kann; denn der maasstab für die bewertung der realen arbeit ist keine frage der theorie, sondern eine der praxis, und für die praxis sind die realen interessen der individuen als ich maassgebend. Der erfolg aber ist kein fall der moral sondern der macht. Nüchtern konstatiere Ich, dass derzeit das argument des marktes, präziser, das diktat des shareholdervalue, den wert der arbeit bestimmt, und die würde des menschen ist das sedativum, mit dem die willigen politiker den terror des marktes als sachzwänge schönreden.
 

anmerkungen:
 

(1) diese zahlen sind in der presse häufig zitiert worden; sie taugen als orientierungswerte für das problem, und damit soll es genügen. Die vergütung des herrn Ackermann wird auf ca.11 millionen Euro pro jahr beziffert, im ranking der europäischen topmanager ist herr Ackermann nicht einmal spitze; im sogenannten niedriglohnsektor der BRD werden gemäss tarifvertrag an der untersten lohnkante ca.3,00€ brutto pro stunde gezahlt, was im lohndumping faktisch gezahlt wird, ist unbekannt, oder präziser formuliert, darüber wird nicht mehr geredet.
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(2) der 8-stunden-arbeitstag ist der maasstab für die berechnung der vergleichszahl. Für die putzfrau summiert sich der tagesverdienst auf  24,00€ brutto. Die berechnung des tagesverdienstes von herrn Ackermann ist etwas komplexer. Das jahr setze Ich mit 365 tagen an, den tag mit 24 stunden, für die stunde ergibt die rechung den zahlenwert: 1255,70€. Demnach hätte der herr Ackermann einen rechnerischen tagesverdienst von 10045,60€. Diese zahl ergibt im vergleich mit der zahl: 24,00€ die die verhältniszahl: 418 (gerundet).  <--//

(3) die maasstabszahl: 1, besagt für sich wenig; denn was die zahl: 1, bedeutet, oder gar in ihrem wesen sein soll, das ist unter den mathematikern umstritten. Ihre meinungsverschiedenheiten hindern aber die mathematiker in keiner weise, ihre theoriegebäude auf dieser zahl aufzubauen. Sie ist ein solides fundament, das es erlaubt, jede mögliche zahl in eine stetige folge von zahlen einzuordnen und so jeder zahl seinen platz (rang) in der gesamtheit der zahlen zuzuordnen. Die zahl: 418, besagt nichts anderes als dass sie den rang: 418, hat, der von den rängen: 417 und 419, eingegrenzt ist. Sicher, das sind prima vista banale aussagen, aber mehr an bedeutung kann die zahl: 418, nicht transportieren. Gelegentlich verwenden die mathematiker den terminus: zahlenwert. Das ist ein terminus technicus der mathematik und sollte nicht mit den termini verwechselt werden, die in der moral oder in der ökonomie den begriff: wert, bezeichnen. <--//

(4) die theorien der soziologen bestimmen die gruppenphänomene in der gesellschaft unterschiedlich, aber in der meinung, dass jede gesellschaft als ein ganzes differenziert ist, konsentieren alle soziologen, soweit sie diese differenzierungen analog mit der metapher eines organismus beschreiben. Die lehnsgesellschaften im mittelalter mit den festgefügten ständen (adel, handwerker und bauern, ausgeschlossene) unterscheidet sich in der form zwar erheblich von den formen der bürgerlichen klassengesellschaft (kapitalisten, dienstleister und proletariat), oder den formen der geschichteten gesellschaften im Westeuropa des 20.jahrhunderts (ober-/mittel-unterschicht, mit weiteren binnendifferenzierungen), aber diese gesellschaftstypen differieren in den hierarchien der sozialen gruppen nur wenig, weil jede soziale gruppe im ganzen der gesellschaft unverzichtbar ist, und der anteil jeder gruppe an den ressourcen der gesellschaft ungleich gewichtet ist. <--//

(5) das soziale strukturprinzip: hierarchie, ist per se weder gut noch böse; es gewährleistet eine konkrete ordnung, die jedem mitglied in der hierarchie der gesellschaft seinen bestimmten funktionsplatz zuordnet. Zumindest unter dem aspekt der ordnung ist die position an der spitze der sozialen leiter ebenso erforderlich wie die am unteren ende. Aus dieser tatsache ist aber nicht ableitbar, dass in der hierarchie die da oben, das meiste kriegen müssen, und die am anderen ende, die da unten, mit dem rest abgespeist werden. Auch die versuche gehen fehl, die auf die beobachtung verweisen, dass es in der natur ähnliche ordnungen gäbe, so habe im wolfsrudel der leitwolf einen anspruch auf das beste stück der beute. Ich habe keinen zureichenden grund, diese beobachtung in zweifel zu ziehen, aber es zeugt schon von einer beachtlichen chuszpe, aus dem phänomen ein gesetz zu destillieren, das als naturgesetz gültig sein soll. <--//

(6) es ist eine vergebliche mühe, eindeutig und abschliessend festzustellen, ob das können und die produktivität der individuen als ich der grund für die fortschreitende arbeitsteilung sei, oder ob die arbeitsteilung die bedingung ist, dass die menschen ihr können und ihre leistung optimieren können. Vieles spricht dafür, dass es ein wechselseitiges bedingungsverhältnis ist, das die eindeutige bestimmung ausschliesst, was die ursache und was die wirkung ist. Das sind wichtige fragen, aber diese fragen sind nicht entscheidend. Das problem der arbeitsteilung ist auf einer anderen ebene zu erörtern, und auf dieser ebene ist die arbeitsteilung ein skandal da, wo sie als instrument der ausbeutung des könnens und der leistungen von anderen missbraucht wird, indem kleine gruppen in der gesellschaft, die auf kosten der anderen leben, die allokation des gesellschaftlich erarbeiteten mehrwerts monopolisieren. Ich unterlasse es nicht, auf die analysen des kapitalistischen wirtschaftsprozesses zu verweisen, die der alte Marx im 19.jahrhundert vorgelegt hatte und die im 21.jahrhundert immer noch aktuell sind; auch wenn seine beispiele von damals heute nicht mehr 1 zu 1 zitiert werden können, so stehen die beispiele des 21.jahrhundert denen des 19.jahrhundert an gemeinheit in nichts nach. <--//

(7) es dürfte einigkeit darüber bestehen, dass das ausserordentliche können von Mozart und Picasso ebenso anerkannt ist wie ihre leistungen, die heute viele zum eigenen vergnügen nutzen können. Aber hatten Picasso und Mozart, als sie noch lebten, für ihre arbeit den adäquaten oder angemessenen gegenwert auch erhalten? - Es ist ein teil der legende, dass das genie im armengrab endete. Mozart hatte mit seiner arbeit, wie man heute sagt, viel verdient, aber diese zuflüsse in geld waren für ihn immer zu wenig gewesen, um den lebenstils eines freien künstlers finanzieren zu können. Mozart war, gesellschaftlich gesehen, blooss ein diener diverser herrschaften, die sich seine dienste, solange er das erwartete à la mode lieferte, etwas kosten liessen, und als der geschmack der herrschaften sich änderte, wurde der diener im massengrab entsorgt. Mozart's werk war im 18. jahrhungert mehr oder minder ein freies gut, das jedes cleverle auszubeuten konnte, das auf's geschäftemachen sich verstand. Heute ist Mozart's musik ein allgemeines gut, das den makel hat, auf dem markt der interessen keine schnelle mark zu produzieren; da eröffnen die bilder eines malers ganz andere perspektiven. Legende ist es auch, dass Picasso alles in geld verwandelte, was ihm in die finger geriet - ein lumpiges blatt mit einer linie von Picasso's hand war faktisch eine neue geldnote. Sicher, Picasso konnte schon frühzeitig von seinem können leben und er produzierte auch hinreichend vieles, für das sammler ihren obulus entrichteten, aber die zeiten hatten sich auch gewandelt. Picasso war kein diener mehr, er war ein unternehmer, der mit ästhetischen produkten am markt erfolg hatte, und er hatte erfolg, weil seine produkte am markt nachgefragt wurden. Die frage aber bleibt stehen. Haben die marktteilnehmer die arbeit des künstlers Picasso bewertet, oder sind die preise, die ein Picasso heute bei Christie erzielen kann, nicht die bewertung der lust des sammlers, der eine arbeit Picasso's besitzen muss, oder das kalkül eines spekulanten, der eine profitable geldanlage wittert? Wenn Ich die preisentwicklung der letzten jahre verfolge, dann haben die preise der bilder Picasso's viel mit markt, aber nichts mit kunst zu tun. <--//

(8) In den modernen gesellschaften ist der direkte austausch der arbeit nicht üblich; der austausch wird in der regel über das geld als tauschmittel abgewickelt. Das geld - genauer die reale münze - ist eine geniale, aber problematische erfindung der menschen. Die münze hat als artifizieller gegenstand im tauschprozess eine vermittlungsfunktion, die einerseits den tauschprozess vereinfacht, andererseits aber kompliziert. Das grundproblem ist die äquivalenz der getauschten gegenstände. Im direkten tausch muss ermittelt werden, ob das ding: a, und das ding: b, den gleichen wert haben. Dieser vorgang ist verdoppelt, wenn die münze: m, als tauschmittel dazwischen geschaltet ist: a zu m und m zu b. Der tauschvorgang wird in zwei selbständige teile aufgeteilt, was in komplexen gesellschaften erst den austausch der güter, und damit auch den austausch der arbeit über grosse räume und zeiten möglich macht. Aber beständig bleibt das problem virulent, ob die getauschten gegenstände einander auch äquivalent sind; denn die frage, ob ein ei zu 10 cent billig oder teuer ist, kann nicht eindeutig beantwortet werden, weil weder dem ei die 10 cent als sein innerer wert mitgegeben sind, noch der münze, die den zahlwert: 10, hat.
1.verweisung <--//         2.verweisung <--//

(9) es ist streitig, ob ein ästhetischer wert mit einer zahl adäquat ausgedrückt werden kann. Ich halte es nicht für möglich. Zum einen dürften alle plausiblen argumente, die eine theorie formulieren könnte, ebenso plausible gegenargumente evozieren; zum anderen ist der nutzen zweifelhaft, wenn eine rechnung aufgemacht würde, die zum beispiel den ästhetischen wert eine bildes von van Gogh mit dem ästhetischen wert von zwei bildern Manet's bilanzieren. Ebenso ist es rational nicht nachvollziehbar, dass der ästhetische wert eines bildes von van Gogh zum zeitpunkt des entstehens keinen sous erbrachte, hundert jahre später aber auf einer versteigerung dem verkäufer ein kapital von 80 millionen dollar verschaffte. Die ästhetische qualität eines bildes ist etwas anderes als das material des objektes, das für sich eine mit farbklecksen bedeckte leinwand ist und dessen materialwert ein paar dollar sind; wieder etwas anderes sind die motive eines sammlers, der für seine favoriten viel geld aufzuwenden bereit ist. Von den spekulanten rede Ich nicht, die in einem kunstwerk nur eine ware sehen, die mit profit weiter verscherbelt werden soll.  <--//

(10) die unterscheidung von mensch und tier ist problematisch, aber der konsens gilt, dass die unterscheidung sinnvoll ist. Es gibt differenzierende merkmale, die entweder nur dem tier oder nur dem menschen zugeordnet werden. In seinem lebensvollzug ist das tier vollständig in seiner gattung determiniert, und das exemplar hat nur geringe möglichkeiten, seinen lebensvollzug zu variieren und den umständen anzupassen, die alle der situation, und damit dem zufall zuzurechnen sind. Was das exemplar für seine existenz benötigt, das findet es unter den durchschnittlichen bedingungen; es ist der mangelsituation ausgeliefert, und in den zeiten des überflusses sorgt es nicht vor und häuft die benötigten dinge an - das eichhörnchen, vielfach zitiert, ist kein passendes beispiel. Die bedingung des tausches, ein vorrat an tauschbaren gütern, stehen dem tier nicht zu gebote, und wenn vergleichbares in der fauna beobachtet werden kann, dann sind diese phänomene ein merkmal der gattung. Im prinzip ist das exemplar, determiniert durch die bedingungen seiner art, auf sich gestellt. Ebenso sind die phänomene der gruppenbildung  artspezifische verhaltensweisen, für die der terminus: arbeitsteilung, irreführend ist. Anders der mensch, der auch als das nicht festgelegte tier bezeichnet wird. Das individuum als ich ist im prinzip offen, es kann auf seine umwelt einwirken und diese, seinen bedürfnissen und vorstellungen angepasst, auf dauer verändern. Es ist üblich, diese handlungsweise mit dem terminus: arbeit, zu kennzeichnen. Mit ihrer arbeit verschaffen sich die individuen als ich die chance, nicht nur in den zeiten des überflusses für die zeiten des mangels vorzusorgen sondern sie schaffen auch die dinge, die über das lebensnotwendige hinausgehen. Die individuen als ich schaffen sich die dinge, die die voraussetzung für den tausch sind, der sie mit dem anderen in sozialen gruppen verbindet. Im tausch eröffnen sich für das individuum als ich möglichkeiten, die es in einen vorteil umwandeln kann, aber wenn es tauscht, dann unterwirft es sich auch den verfahren, die es mit den anderen erfunden hat, um den austauschprozessen form und dauer zu geben. Diese verfahren des austausches sollen jedem individuum als ich in der gemeinschaft das benötigte verschaffen, aber die erfahrung zeigt, dass die geltenden verfahren diesen dienst nicht immer gewährleisten; die regel ist, dass die gesetze des marktes vorteil und nachteil ungleich verteilen. Das tier unterliegt diesen verteilungsprozessen nicht - als exemplar findet das benötigte oder es geht zugrunde. Mit den erfundenen marktgesetzen haben die individuen als ich die allokation der chancen per zufall ausser kraft gesetzt, und wer über die erforderliche macht verfügt, kann vorsätzlich jedem anderen vom benötigten ausschliessen, der nicht über die akzeptierten tauschmittel verfügt oder diese nicht in der geforderten zahl zur verfügung hat. In der natur ist der hunger ein periodisches problem, weil die verfügbarkeit der geeigneten lebensmittel grossen schwankungen unterliegen kann; der hunger, den die menschen leiden, ist ein problem der verteilung der güter, weil die güter nach dem gesetz des marktes ausgetauscht werden, dessen maass die gegensätzlichen interessen der individuen als ich sind. <--//

(11) das tägliche brot ist eine alte bitte und forderung der menschen. Es ist das maass, das die glaubwürdigkeit und stabilität einer gesellschaft sichert. Wenn die soziale struktur einer gesellschaft der grund ist, dass nicht jeder sein tägliches brot sich verschaffen kann, dann ist diese gesellschaft unglaubwürdig, sie ist schwach und gewalttätig. Es ist ein skandal, das in einer reichen gesellschaft, Ich spreche von den USA, eine nicht kleine schicht mit dem terminus: working poor, bezeichnet wird. Diese menschen arbeiten hart, oft mehrere jobs zugleich, und der ertrag ihrer arbeit reicht nicht, die bürgerliche existenz zu sichern. Das problem wird derzeit in der BRD unter dem stichwort: niedriglohnsektor, diskutiert. Ich erinnere an die einsicht der europäischen aufklärung, dass es der zweck jeder gemeinschaft ist, seinen mitgliedern schutz zu gewähren, sei diese gemeinschaft nun eine familie, ein clan, eine gesellschaft oder der staat, und dieser schutz schliesst das tägliche brot ein. Eine gemeinschaft verweigert teilen der gemeinschaft den zugesagten schutz, wenn sie seinen arbeitenden mitgliedern bedingungen zumutet, unter denen sie für ihre arbeit nicht den gegenwert erhalten können, der für einen bürgerliches leben erforderlich ist; die gemeinschaft schliesst diese menschen aus der gemeinschaft aus -  sie vegetieren buchstäblich, und sie vegetieren schlimmer als ein tier; denn es ist ein leiden, das ihnen willkürlich aufgenötigt wird. Es ist eine ausrede, eine dumme und gemeine dazu, wenn diese zustände mit dem hinweis auf die gesetze der wirtschaft gerechtfertigt werden. Die ökonomie ist das produkt der arbeitenden menschen und dieses produkt kann so verändert werden, dass es die menschen nicht terrorisiert. <--//

(12) die gesellschaft ist kein markt, und was als markt gemeinhin angesehen wird, das ist ein instrument, das die individuen als ich sich geschaffen haben, um in der gesellschaft bestimmte probleme der verteilung von gütern rational zu regeln. Von jeher war der markt, auf dem güter ausgetauscht werden, strikten regeln unterworfen. Diese regeln sind, wie das neoliberale schwätzer des typs: Westerwelle, rumposaunen, keine folterwerkzeuge, die die freiheit der bürger zerstören, sie sind die bedingung dafür, dass der markt funktionieren kann, damit jedermann, der auf dem markt güter anbietet oder nachfragt, den gegenwert erhält, den er für angemessen hält. Es gibt erfahrungswerte für den realen wert der dinge, die auf dem markt ausgetauscht werden, aber diese erfahrungen stören die neoliberalen schwätzer des typs: Westerwelle, die mit dem schlagwort der deregulierung alle grenzen einreissen wollen, weil sie den stärkeren, präziser, den vermeintlich stärkeren in der verfolgung seiner interessen behindern, die der vermeintlich stärkere auf kosten der anderen realisieren will. Die differenzen in der bewertung einzelner güter ist ein indiz für die marktmacht, über die der anbieter oder der nachfrager verfügt, und dieser macht muss jeder sich beugen, der ein bestimmtes gut am markt anbietet oder nachfragt. Die macht aber fragt nicht nach dem angemessenen preis für eine ware, sondern will nach den möglichkeiten den maximalen preis durchsetzen. Wer in diesem bösen spiel, dem spiel der börsen, nicht mithalten kann, der wird, wenn er sein angebotenes gut am deregulierten markt anbieten muss, nicht einmal seine produktionskosten herausschlagen können. Auf dem markt, dem deregelulierten der neoliberalen, ist die arbeit der menschen nur noch eine ware, die verhökert wird....  <--//

(13) die aktuelle diskussion um die verlängerung der arbeitszeiten zeigt, welchem druck die bewertung der arbeit derzeit in der BRD ausgesetzt ist. Der deal, den der globalplayer: Siemens, den arbeitenden menschen in zwei produktionsstätten in NRW abgepresst hat, ist in der substanz lohndrückung - die funktionäre der DDR selig nannten das verfahren: erhöhung der arbeitsnorm. Ein ahistorischer vergleich? - Ich denke: nein; der vergleich zeigt, dass die logik der macht keine unterschiede macht und auch vor der gewalt nicht zurückschreckt, wenn der stärkere sagt, wo's langzugehen hat. Noch nie hat die macht einzelner gruppen, die andere demütigt, eine friedliche gesellschaft geschaffen - im gegenteil.  <--//

stand: 04.10.21./ 04.07.15.

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