TEXTSAMMLUNG
das argument des monats
ausgabe: 07-09/06 juli-september/2006  (blieb bis 12/2006 stehen)
 

Die zivilgesellschaft und der faktor: gewalt.
Anmerkung zur militarisierung der deutschen politik.
Text und subtext
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Text
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Die freiheit, so meinte ein deutscher Verteidigungsminister(1), werde auch am Hindukusch verteidigt. In der aktualisierten version bedeutet der spruch, dass soldaten der bundeswehr im kongobusch die demokratie verteidigen sollen. Die schwarzrote koalition hat beschlossen, zum schutz der geplanten parlamentswahlen im Kongo für ca.4 monate ein kontingent von ca. 800 soldaten zu schicken. Die absicht, den ablauf von wahlen in der Republik Kongo zu sichern, institutionen der demokratie zu schützen und die funktion des rechtsstaats zu gewährleisten, ist sicher lobenswert, aber so wie die dinge im zentrum Afrikas derzeit stehen, ist die Republik Kongo weder ein demokratischer staat noch existiert eine zivilgesellschaft, die nicht einmal in ansätzen(2) erkennbar ist, weil kolonialherrschaft und ein seit 50 jahren permanenter bürgerkrieg das land(3) malträtieren.
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Das zentrum Afrikas ist eine region endemischer gewalt. Reale gewalt aber kann nur mit realer gegengewalt wirksam eingegrenzt werden(4). Die pazifisten der welt irren, wenn sie meinen, dass vernunftgründe genügen, den gewalttäter zur vernunft zu bringen. Aber die bellizisten irren auch, wenn sie meinen, mit gewalt die befriedung der gewalt zu erreichen(5). Geübte gewalt provoziert neue gewalt(6). Der gedanke ist absurd, gewalt mit gewalt beseitigen zu wollen(7), weil die gewalt nur ein ding der welt gegen ein anderes ding der welt austauscht. Das ist das argument, warum auf dem faktor: gewalt, fundament eines naturverhältnisses, keine zivilgesellschaft gegründet werden kann, die zum ziel hat, ihren mitgliedern die konfliktregeln verfügbar zu halten, mit denen sie die gegenläufigen interessen zum gemeinen nutzen verfolgen können, die in bestimmten fällen auch faktisch unvereinbar sind(8).
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Das argument ist zutreffend, dass die zivilgesellschaft des abendlandes das produkt von revolutionen(9) ist, revolutionen, die mit gewalt die alte ordnung durch eine neue ordnung ersetzt haben. Die argumente sind aber historisch falsch, mit denen interessengeleitet behauptet wird, dass die gewalt der treibsatz gewesen sei, der das resultat bewirkt habe, das heute gelobt wird. Die zivilgesellschaft mit ihrer bürgerlich demokratischen ordnung ist von individuen als ich geschaffen worden, die ihre vernunft gebraucht haben und, einander sich respektierend, erkannt hatten, dass sie diese ordnung der gesellschaft nur dann erreichen können, wenn sie dem faktum der gewalt das prinzip der anerkennung des anderen als der_andere entgegensetzen. Die gewalt als ein naturverhältnis können die individuen als ich nicht aus ihrer welt verbannen, aber sie können entscheidendes tun, dass die gewalt nicht der faktor ist, der alles bestimmt, was sich ereignet. Einer der gründe, warum die gewalt in ihren vielfältigen formen das tägliche leben bestimmt, ist die teilung der gesellschaft in viele arme und wenige reiche(10). Die ungleiche verteilung des materiellen reichtums einer gesellschaft bewirkt, dass die, die etwas haben, nichts abgeben wollen und gierig nach immer mehr verlangen, in der kurzschlüssigen kalkulation, dass die materiellen güter sicherheit gewähren; und die, die nichts oder zu wenig haben, ihre bürgerliche existenz auf dem lebensnotwendigen niveau zu sichern, sind unfähig, das lebensnotwendige zu erlangen und nehmen aus not mit gewalt das, was ihnen mit gewalt im überfluss verweigert wird. Die habenden brauchen waffen, um den besitz zu sichern und zu vermehren, die nichthabenden brauchen waffen, um damit das lebensnotwendige zu besorgen - die gemeinsame aufgabe aller, die ordnung der gemeinschaft zu sichern, die allen das lebensnotwendige verschafft(11), gerät dabei aus dem blick, weil jeder seine ansprüche absolut setzt. Das gigantische ausmaass der waffenproduktion(12) in der globalisierten welt ist nur das sichtbare menetekel, dass die individuen, die ein ich sein sollen, sich als gattung selbst vernichten werden, wenn sie diesen weg weiter verfolgen(13).
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Aber die chancen stehen schlecht, dass die individuen als ich ihrer vernunft folgen werden; dem herdentrieb ähnlich propagiert die schwarzrote koalition die befriedungspolitik mit der waffe(14). Der Kongoeinsatz 2006 ist nur ein dominostein in dieser strategie, weitere zielobjekte werden folgen(15). In Deutschland wie in Europa wird die militarisierung der politik forciert. Die öffentliche versicherung, die wahlen im Kongo abzusichern, ist nur der deckmantel, der die handelsinteressen und die sicherung der rohstoffressourcen verdecken soll. Der handel mit waffen ist nur ein aspekt dieser geopolitischen phantasterei.
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Subtext
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(1)

die bemerkung von Dr.Peter Struck, derzeit chef der SPD-bundestagsfraktion, ist inzwischen sprichwörtlich geworden. Der exakte wortlaut ist mir nicht bekannt. Damals, 2002, herr G.W.Bush propagierte den krieg gegen den terror und führte krieg in Afghanistan, schätzte Ich die bemerkung ein als eine arabeske des politjargons, aber das faktum, dass mir der satz quasi als cantus firmus im bewusstsein geblieben ist, interpretiere Ich heute als indiz für die zunehmende militarisierung der deutschen politik, die mit der vereinigung Deutschlands 1990 in szene gesetzt wurde*. Es kann daher kein zufall sein, wenn der innenminister, herr Schäuble, die fussballweltmeisterschaft 2006 zum anlass genommen hatte, den einsatz der bundeswehr im innern zu fordern, um die fdGO** vor terroranschlägen zu schützen. Dieses denken, immer wieder von interessierten kreisen zur sprache gebracht, ist mit dem geist des grundgesetzes aus dem jahre 1948 und in den jahren des bestehens der Bonner Republik nicht vereinbar. Die damen/herren der Berliner Republik wollen das militär wieder als ordnungsmacht in der gesellschaft etablieren. In der hauptstadt Preussens sind sie ja schon angekommen.
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* Helmut Kohl hatte noch verhalten agiert und liess die neustrategen im sandkasten spielen. Die rot-grüne koalition unter exbundeskanzler Schröder forcierte diese politik mit dem krieg in Serbien, 1999, und dann 2002 in Afghanistan. <==//
** d.h.: freiheitlich demokratische grundordnung. Die zum slogan verkommene formel war seit 1972 die legitimationsformel, mit der die bürgerrechte in der Bundesrepublik Deutschland schritt um schritt eingeschränkt wurden. <==//    (1)<==//
(2)
die zivilgesellschaft und ihre demokratische ordnung bedingen einander. Die struktur einer stammesgesellschaft ist mit der demokratischen ordnung nicht kompatibel. Die demokratische ordnung hat ihre wurzeln in der griechischen antike als im 5-3.jahrhundert v.Chr. in der polis: Athen, die grundsätze politischen denkens formuliert wurden*. Der geographische raum, der heute mit dem namen: Kongo, bezeichnet wird, ist in viele stammesterritorien eingeteilt, die in der langjährigen kolonisation durch die Belgier im 19. und 20.jahrhundert nicht zerstört worden ist. Diese historische tatsache wird fahrlässig ignoriert, wenn für den Kongo als staat eine demokratische ordnung gefordert wird**. Die stammesgesellschaft ist auf der ungleichheit seiner mitglieder gegründet, eine zivilgesellschaft auf dem prinzip der gleichheit. Diese differenz darf nicht ignoriert werden, wenn eine soziale ordnung geschaffen werden soll, die mit dem prinzip der gerechtigkeit vereinbar ist. Weder die europäischen mächte des 18.und des 19.jahrhundert haben diese differenz in ihrer kolonialpolitik geachtet, noch achten die anonymen finanzmärkte des 20.und 21.jahrhundert darauf, die nach der maxime agieren, den grösstmöglichen profit aus den ländern zu schlagen. Die ökonomisch dominierenden mächte, identifizierbar in jenen managern, die an den finanzmärkten das grosse rad drehen, haben überhaupt kein interesse, im Kongo und in vergleichbaren regionen eine zivilgesellschaft entstehen zu lassen oder gar schaffen zu wollen, weil sie, wenn sie's denn täten, die eigenen interessen hintan setzen müssten. Das interesse der menschen, in menschenwürdigen verhältnissen zu leben, ist mit den interessen inkompatibel, die auf den entfesselten finanzmärkten ausgefochten werden.
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* damit ist nicht behauptet, dass es in stammesgesellschaften keine traditionellen verfahren der meinungsbildung gibt, die europäischen regeln sehr ähnlich sind. Die parlamentarische debatte und das dorfpalaver haben gemeinsamkeiten, aber diese ähnlichkeiten sollten das trennende nicht verdecken. Der ruhende punkt in der stammesgesellschaft ist die gruppe (der clan); das individuum, das sich zu einem ich selbst geschaffen hat, ist das fundament der demokratischen ordnung. Das abendland hatte einen langwierigen prozess durchleben müssen, bis das ideal der gruppe durch das ideal des individuums als ich ersetzt wurde. Es ist unvernünftig, die differenz zwischen der stammeskultur und der zivilgesellschaft wertend gegeneinander ausspielen zu wollen. Das problem ist, dass in der globalisierten welt des 21.jahrhunderts das weltmodell des individuums dominiert und damit das weltmodell der gruppe niederrangig erscheint, aber es spricht einiges dafür, dass auf die dauer der zeit das modell der gruppe wirkungsvoller sein wird, wenn es misslingt, das modell des individuums in seinen grenzen zu halten. <==//
** aus europäischer sicht ist die forderung nach demokratischen strukturen vernünftig, aber die forderung verkehrt sich in unvernunft, wenn die sozialen bedingungen einer demokratischen ordnung ignoriert werden. Damit ist der Kongo, soweit er als staat in der politischen debatte wahrgenommen wird, in einer misslichen situation. Einerseits wird von der Republik Kongo zurecht die demokratie als standard eingefordert, andererseits ist aber dieser staat: Republik Kongo, im bewusstsein der menschen weder ein staat im modernen sinn, noch eine nation. Es ist ein geographischer raum, der keine struktur moderner kommunikation hat, aber von einer vielzahl ethnischer gruppen belebt ist, die, wie in den zeiten der ahnen, den sozialen kontakt zu den unmittelbar angrenzenden gruppen pflegen. <==//   (2)<==//
(3)
der Kongo hatte weder unter belgischer kolonialherrschaft noch seit der unabhängigkeiterklärung 1960 eine reale chance gehabt, eine zivilgesellschaft zu entwickeln. Der belgische König Leopold II hatte als privatmann das land schamlos ausgeplündert und die traditionalen kolonialmächte: Frankreich und England*, hatten kein interesse gehabt, dass das land mit einer schwierigen geographie und einer traditionalen stammeskultur sich zu einer zivilgesellschaft entwickelt, in der demokratische institutionen funktionieren können, die in Europa seit der französischen revolution 1789 in langwierigen prozessen geformt worden sind. Wer über die zustände im zentrum von Afrika heute räsoniert, der sollte diese erbschaft in sein kalkül einbeziehen.
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*  die USA sollten nicht unterschlagen werden; sie sind mit ihrer wirtschaftsmacht heute quasi der globale kolonialherr. Die regierung: Bush/Cheney, tut ihr bestes, diesen ruf zu bestätigen. <==//    (3)<==//
(4)
das modell ist die notwehr. In einer notwehrlage ist nur die gewalt zugestanden, die erforderlich ist, um reale gewalt unwirksam zu machen. Gewalt, die dieses maass zerbricht, ist blosse gewalt, die die erforderliche gegengewalt erlaubt. Dieser gedanke aktiviert das bild der waage, deren gleichgewicht transitorisch ist. In der theorie mag das bild genügen, in der praxis ist es trügerisch. Im blick auf die realen schwierigkeiten, das gleichgewicht der waage auf dauer herzustellen, bleibt die idee der balance als projektion in die zukunft dennoch gültig, weil nur im blick auf die projektion in die zukunft das maass bestimmbar ist, mit dem im moment der gelebten gegenwart beurteilt wird, ob ein gleichgewicht behauptet werden kann oder nicht. Wer dieses maass respektiert, der ist, wenn er in der notwehrsituation gewalt anwendet, gerechtfertigt.  <==//
(5)
das wort kann mächtig sein, aber wer meint, dem wortgewaltigen mit dem prügel eins auf maul zu geben, der wird es tun, wenn der vorteil winkt. Diese erfahrung kann man beklagen, aber es sind klagen, die in der geschichte ungehört verhallen. Ebenso leer ist das auf propaganda zielende gerede, man müsse die gewalt, damit der grosse friede endlich ausbreche, ein letztes mal anwenden. <==//
(6)
das gebot der bergpredigt(Matth.5.39), dass, wer geschlagen werde, auch die andere backe hinhalten solle, wird missverstanden, wenn die erfahrung faktischer gewalt nicht mit gegengewalt abgewehrt werden dürfe. Das gebot meint etwas anderes, nämlich das verbot der rache. Die geschehene gewalttat kann nicht durch eine erneuerte gewalttat aus der welt geschafft werden; denn die logik der erneuerten gewalttat gebiert immer wieder nur neue gewalttaten. Dieser zirkel muss durchbrochen werden, und der zirkel der gewalttaten wird durchbrochen, wenn auf die gewaltanwendung verzichtet wird, die über das zur abwehr faktisch erlittener gewalt notwendige hinausgeht. <==//
(7)
die idee ist pervers, dass demokratie quasi herbeigebombt werden könne. G.W.Bush mit seiner entourage irrt, wenn er glaubt, dass sein glaube an das gute genüge, um den einsatz jener gewalt zu rechtfertigen, die das ende der gewalt zum ziel haben soll(a). Eine politik, die den glauben an das gute schamlos im interesse der wirtschaft instrumentalisiert, muss scheitern. Im Irak ist das scheitern dieser politik zu besichtigen. Gewalt als mittel der politik ist nicht nur moralisch inakzeptabel, und gewalt ist auch dann kein moment der politik, wenn die faktische gewalt im politischen prozess nicht ignoriert werden kann. Zumindest in der kultur des abendlandes gilt seit der europäischen aufklärung der konsens, dass die schaffung einer zivilgesellschaft das ziel der politik ist(b). Ein grundpfeiler(c) der zivilgesellschaft ist die kommunikation der menschen untereinander. Diese kommunikation soll der demokratischen ordnung genügen. Eine demokratische ordnung ist aber nur dann denkbar, wenn alle, die es betrifft, gemeinsam sich darüber verständigen, was an gemeinsamen aufgaben anliegt. Diese verständigung ist dann möglich, wenn die menschen miteinander reden und im reden über die sachen sich auf die beste erreichbare lösung einigen. Jeder versuch des einem dem anderen eine lösung mit zwang aufzunötigen, zerstört den prozess der kommunikation, der auf einen konsens abzielt, dem alle zustimmen können(d).
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(a) sagen kann man viel, aber das gesagte als dokument hat eine eigene existenz, die oft, nicht immer, das dementiert, was gesagt wird. G.W.Bush ist nicht glaubwürdig. <==//
(b) ob dieser konsens auch für den islamischen kulturkreis oder den asiatischen kulturkreis gültig ist, das dürfte eine frage der interessengeleiteten interpretation sein. Ich meine, dass die grundlegenden texte dieser kulturen in diesem sinn gelesen werden können, wenn die bürger der alten welt an einem dialog über die unterschiedlichen weltauffassungen interessiert sind. <==//
(c) ein anderer wichtiger grundpfeiler ist die daseinsfürsorge für alle mitglieder der gesellschaft. Dieser aspekt ist hier nicht der gegenstand der erörterung. <==//
(d) das politische handeln, inkompatibel mit der gewalt, ist nur auf dem fundament der kommunikation möglich. Dieses handeln, das im dissens immer den konsens voraussetzt, ist auch in den formen gesellschaftlicher ordnung denkbar, die keiner demokratischer ordnung folgen, die aber ordnungen sind, die vergleichbare lösungen zulassen. Die bedingung ist, dass diese ordnungen dem prinzip der anerkennung des anderen als der_andere genügen. <==//    (7)<==//
(8)
der zweck der zivilgesellschaft ist es, regeln zu schaffen, die gewährleisten, dass das individuum als ich das theoretisch unmögliche praktisch realisiert. Die leistung der zivilgesellschaft ist es, die konflikte soweit zu mediatisieren, dass auch das unvereinbare in raum und zeit koexistieren kann. Die ergebnisse des interessenausgleichs werden nicht immer jeden wunsch eines individuums als ich befriedigen, aber was gemeinsam erreicht wird, das sollte jeden zufrieden stellen. Dieser ausgleich ist in der zivilgesellschaft gewährleistet. <==//
(9)
dass die gewalt in der evolution politischer ordnungen eine entscheidende rolle hat, ist in den dokumenten der historia belegt, aber die funktion, die die gewalt in diesen prozessen hat, ist, wenn das bild zugestanden ist, mit der rolle eines geburtshelfers zu beschreiben, nicht aber in der funktion des erzeugers einer ordnung, die mit dem begriff: das_politische, kompatibel ist. Es ist das untrügliche zeichen, dass die ordnung der gesellschaft in dem maasse schwindet, wie die gewalt in den gesellschaftlichen zuständen zunimmt. Gewalt trifft auf gegengewalt und in der zeit klärt sich, welche gruppe der gesellschaft fähig ist, sich gegen die anderen gruppen durchzusetzen. Das gleichgewicht mächtiger ist aber labil, wenn die beteiligten, im jargon: die sieger und die besiegten, sich nicht auf eine neue ordnung verständigen, die ohne offene gewalt funktioniert. Die mediation der gegenständigen interessen gelingt aber nur dann, wenn konsens darüber besteht, dass die gewalt als mittel der streitschlichtung prinzipiell ausgeschlossen ist*. In den geglückten revolutionen waren die individuen als ich erfolgreich, den mediationsprozess in die gesellschaftliche ordnung zu implementieren, aber ohne brüche und rückschläge ist das nie gelungen. Die bürgerliche ordnung, die in England 1688 durchgesetzt wurde, war erst möglich geworden, nachdem Oliver Cromwell 1649 den könig hatte köpfen lassen; die republikanische ordnung der französischen Revolution konsolierte sich erst im 19.jahrhundert, nachdem die republikaner 1793 die schreckensherrschaft Robespierre's überlebt hatten und im konsulat Napoleon Bonaparte's eine kurzzeitige befriedung durchlebten, deren früchte weder durch das kaisertum Napoleon's noch in der nachfolgenden restauration revidiert wurden. Garant der ordnung ist das recht, nicht die waffe.
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* das gewaltmonopol des staates hat die funktion, die gewaltfreie ordnung zu sichern. Unter der bedingung, dass die staatliche gewalt die regeln sichert, die die ordnung der gesellschaft bewirken, sind die beamten des staates zur anwendung von gewalt ermächtigt. Die ermächtigung hat ihre quelle im willen derjenigen, die dem staat als institution die anwendung der gewalt eingeräumt haben. <==//     (9)<==//
(10)
die verteilung des gesellschaftlich erarbeiteten reichtums wird immer streitig sein. Auch in einer funktionierenden zivilgesellschaft wird es arme und reiche geben, aber die extreme der verteilung von 0 und 1 kann keine zivilgesellschaft aushalten; die absolute gleichheit aller ist ebenso ein phantasma wie der absurde gedanke, dass einer alles hat und alle anderen nichts haben. Wenn die zivilgesellschaft prosperieren soll, dann muss die toleranzzone ungleicher verteilung des reichtums eng definiert sein, aber wie eng diese zone sein soll, das ist der gegenstand widerstreitender interessen, die in der zivilgesellschaft nach den regeln der demokratischen ordnung  verhandelt werden sollen und verhandelt werden müssen. <==//
(11)
waffen sind instrumente der gewalt, und die gewalt ist ein phänomen, das in jeder gesellschaft ein bestimmender faktor ist. Es ist daher töricht anzunehmen, dass es gesellschaften ohne waffen geben könnte(a). Die waffe selbst ist nicht das problem, es ist das individuum, das ein ich sein will, und das die waffe zu einem zweck gebraucht. Es macht daher keinen unterschied, ob die waffen in einer gesellschaft des überflusses vorhanden sind oder in einer gesellschaft, die not leidet. Sie werden gebraucht, um einen vorteil zu erlangen, sei's, das in der not das lebensnotwendige auch mit der waffe beschafft wird(b), sei's, dass die gier nach immer mehr mit der waffe befriedigt werden soll(c).
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(a) es mag berichte über gemeinschaften geben, in denen die beobachter keine waffen festgestellt haben. Die beobachtung dürfte ihren grund darin haben, dass die definition des begriffs: waffe, unklar ist. Praktisch jedes ding der welt kann in eine waffe umfunktioniert werden, wenn das ding der welt geeignet erscheint, einen angriff zu führen oder abzuwehren. <==//
(b) es ist eine schwierige abgrenzungsfrage, unter welchen bedingungen darüber reflektiert werden kann, ob der einsatz von waffen zur erlangung des lebensnotwendigen gerechtfertigt ist oder nicht. Es sind konstellationen vorstellbar, in denen die erlangung des lebensnotwendigen mit gewalt gerechtfertigt werden könnte, aber das sind extreme situationen, und es ist geboten, diese situationen genau zu analysieren, um eine bewertung vorzunehmen. Dieses problem lasse Ich hier offen. <==//
(c) die gier nach immer mehr besitz ist das motiv, das zumeist die anwendung einer waffe bestimmt. Es ist ausgeschlossen, dass die befriedigung der gier nach immer mehr gerechtfertigt werden kann. In diesem fall ist die verwendung einer waffe immer mit dem makel der illegimität verknüpft. <==//    (11)<==//
(12)
die produktion und der handel mit waffen ist ein geschäft, das den produzenten und den vermarktern grosse profite verschafft. Nach statistiken des Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI(a) hat die Europäische Union 2005 die USA und Russland im waffenexport übertroffen. Unter den zehn grössten Rüstungsexporteuren nimmt die Bundesrepublik Deutschland nach Frankreich und vor Grossbritanien die 4. rangstelle ein(b). Parallel zum offiziellen handel mit den grossen waffen blüht der schwarze handel mit kleinwaffen(c); auf diesen märkten(d) versorgen sich die warlords überall auf der welt mit den mordmitteln, die die menschen terrorisieren. An diesen strukturen muss eine politik ansetzen, die ernsthaft den frieden will. Die produktion und der handel mit waffen(e) ist unter ein striktes öffentliches reglement zu stellen. Nicht die ausweitung ist das ziel dieser restriktiven maassnahmen, sondern die einstellung der produktion von waffen und die unterbindung des handels mit waffen. Es ist eine notwendige utopie.
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(a) Frankfurter Rundschau, 13.06.2006, p.1 und 2. <==//
(b) waffenhandel, um die handelsbilanz zu schönen? - ein zweifelhafter ruhm. Es passte der regierung Kohl ins kalkül, die forderungen der DDR-regimekritiker laut zu unterstützen, schwerter zu flugscharen umzuschmieden, aber als man die wiedervereinigung feiern konnte, hatte diese regierung nichts besseres zu tun, als den bestand der NVA-waffen zu verscherbeln. Die überflüssig gewordenen panzer der BuWe wurden nicht einfach verschrottet, was übrigens die billigste weise der entsorgung gewesen wäre, sondern sie wurden, immer noch für ein geschäft brauchbar, an die NATO-staaten verhökert. <==//
(c) zuverlässige statistiken gibt es nicht, nur Schätzungen. Die unicef meint, dass "jedes Jahr 500000 Menschen den Tod" durch waffen fänden. zitiert nach der Frankfurter Rundschau, 24.06.2006. <==//
(d) es gibt plausible gründe, dass die geheimdienste aller interessierten staaten, insbesondere der CIA des herrn G.W.Bush, auf diesem markt mit von der partie sind. Es ist schon pikant, dass damals, als die bösen Sowjets* in Afghanistan krieg führten, die USA über mittelsmänner des CIA die aufständischen Muhascheddins mit waffen versorgten, die dann, nachdem sie als Taliban die macht ergriffen hatten, einem herrn bin Laden asyl boten, das dieser zu seinen anschlägen gegen die USA ausnutze.
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* so äusserte sich herr Reagan mehrmals.  <==//    (12d)<==//
(e) waffen sind keine handelsgüter, es sind mittel, die zerstören und töten. Wer mit neuen waffen in die kriegsgebiete reist, der will nur die kriegshandlungen fortsetzen. <==//    (12)<==//
(13)
diesen gang der historia hat Th.W.Adorno treffend beschrieben: "Keine Universalgeschichte führt vom Wilden zur Humanität, sehr wohl eine von der Steinschleuder zur Megabombe". (Negative Dialektik. Frankfurt am Main: 1966, p.312./=Gesammelte Schriften, Band 6, p.314) <==//
(14)
gezielt hatte der exbundeskanzler, herr Schröder, diese politik eingeleitet, zuerst der Balkan, dann Afghanistan. Die bundeskanzlerin, Frau Merkel, und ihr aussenminister, herr Steinmeier, der schon unter Schröder gedient hatte, setzen die politik der militarisierung des politischen prozesses fort. Im wertenden rückblick ist die zurückhaltende politik des herrn Schröder, sich an Bush's Irak-abenteuer zu beteiligen, neu zu beurteilen. Es waren taktische überlegungen gewesen, die den herrn Schröder, innenpolitisch motiviert, bestimmt hatten, in den medien den rebellen zu mimen. Die sache hätte auch ganz anders kommen können, wenn's denn opportun gewesen wäre, und es ist nicht abwegig, wenn hypothetisch unterstellt wird, dass der herr Schröder in Bagdad auch ganz gern dabei wäre, wenn herr G.W.Bush in Bagdad seine siegesparade halten könnte; für die BAMS wären allemal ein paar bilder drin. <==//
(15)
der einsatz im Kongo ist auf 4 monate begrenzt*. Das sagen die damen/herren politiker der Berliner Republik heute, aber der november 2006 ist noch gar erreicht, da reden sie von einer expedition in den Sudan, die angedacht werde, und sie äugeln schon mit dem Libanon.
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* der Spiegel in der ausgabe nr.29/2006,p.32, druckt eine karte ab, auf der die jetzigen einsatzorte der Bundeswehr im ausland verzeichnet sind. Diese einsätze sind bereits mehrfach verlängert worden. <==//    (15)<==//
finis

stand: 07.01.03.

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