TEXTSAMMLUNG
das fragment des monats
ausgabe (003)/03/2021/ märz/2021
der finanzmarkt - sich selbst ernährend?
Der markt regle alles! Das mantra der neoliberalen
strategen ist an den börsen der welt geschrumpft auf den satz,
der finanzmarkt sei "ein sich selbst nährender Kreislauf aus
Geld und Ideen, aus Investitionen und Rendite"(a). Herr
Christian Angelmayer(42jahre), chef eines start ups, der mit
biotech im corona-hype milliardär werden will, könnte richtiges
gesagt haben, prima vista, secunda vista aber goutiert er,
geblendet vom grossen geld, eine illusion, die nur dann möglich
ist, wenn der faktor: arbeit, ausgeblendet wird, der den
kreislauf des geldes im markt im fluss hält. Kapital, das sagt
Karl Marx, sei "geronnene arbeit" und der reichtum in der welt
ist als akkumulation geleisteter arbeit das resultat von
bedingungen, unter denen alle teilnehmer im markt ihre
arbeitsleistung eintauschen gegen die güter der welt. In der
realität der modernen märkte erscheint das ideal des
tauschmarkts denaturiert zu einem zerrbild, dessen logik die
ungleichheit aller marktteilnehmer ist, eine logik, die unter
dem schibboleth: freiheit, dem tauschenden bürger im markt als
idee seiner erlösung von allen übeln gepredigt wird.
Wenn das kapital, wie im zitat subkutan behauptet, der motor des
finanzmarkts ist, dann ist die frage nach der herkunft des
kapitals das argument, mit dem die verwerfungen im markt zu
erklären sind. Die spur des modernen kapitals führt, vermittelt
in vielen zwischenstufen der historia, zurück in die antike,
deren geschäftsgrundlage die sklaverei gewesen war. Wenige
eigneten sich die arbeitsleistung der vielen an - mittelbar
durch die ständische organisation der gesellschaft, unmittelbar
mit gewalt. Waren in der alten zeit die kosten für den
physischen erhalt des sklaven der gegenwert für die geleistete
arbeit, so ist es in der moderne der tariflohn, mit zahlen
fixiert im arbeitsvertrag, per saldo, heute wie damals floss und
fliesst der mehrwert der geleisteten arbeit in die tasche der
machthabenden. Das, was früher die gewalt gewesen war, das wird
heute mit dem gesetz realisiert, der grundbass ist allemal der
gleiche: die ungleiche teilhabe im markt, die einerseits im
selben tauschakt den einen marktteilnehmer nötigt, den tausch:
arbeit(sleistung) gegen geld, unter wert zu vollziehen, um
andererseits, spiegelbildlich, dem anderen marktteilnehmer den
mehrwert der geleisteten arbeit als profit(=rendite) zu
überschreiben. Im prinzip ist der reale tausch ein
nullsummenspiel, de facto aber ist auch der faire tausch zu
gleichen bedingungen ein gewinn/verlust-spiel. Das spiel glückt,
wenn der imginäre punkt absoluter gleichheit, in einer engen
marge vom 0-punkt der gleichheit abweichend, in beiden
richtungen transitorisch gequert wird. Der transit ist möglich,
wenn die abweichung in einem definierten bereich festgelegt ist,
vom bürger statuiert mit einem politischen akt und vollzogen in
einer situation, die fragil ist.
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(a) DER SPIEGEL, 50/5.12.2020, p.14.
finis
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stand: 21.04.01.
eingestellt: 21.03.01.
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