TEXTSAMMLUNG
Das fragment des monats
ausgabe (028)/28//2023/ fdm/22.028/ april/2023

Frieden schaffen ohne waffen.
Die paradoxie des friedens im schatten der gewalt.

    Parolen sind wohlfeil - es ist zu wenig, sich darauf zu kaprizieren, auf den demonstrationen die parole zu schreien und denselben refrain auf vortragsreisen immer wieder anzustimmen(a). Als argument, griffig in seinem duktus, ist die parole: frieden schaffen ohne waffen,(b) richtig, einerseits, andererseits ist das wort: frieden schaffen ohne waffen, unzureichend, weil das argument in der ratio des satzes als falsch ausgewiesen ist; denn, die realität muss in teilen notwendig ausgeblendet sein, wenn der gewollte zweck des arguments realisiert werden soll, der in der logik der gewalt vernichtet sein wird. Im moment der gelebten gegenwart(c) ist die realität de facto von der ubiquitären gewalt(d) zugestellt, die, so scheint es, den akteuren der idee: frieden auf dauer zu schaffen, keine chance einräumt, ohne waffen den gewollten zweck zu realisieren, fokussiert auf die idee, mit dem dauerhaften frieden ohne waffen, die immer präsente gewalt einzuhegen.

    De facto ist reale gewalt nur mit realer gegengewalt eindämmbar. Der zweck der gegengewalt ist auf das ziel beschränkt,  faktische gewalt wirksam zu vernichten, um der zerstörung einhalt zu gebieten, die das resultat der gewalttat ist. Noch nie hat der pazifist, der sogenannte(e), mit seinem wort den gewalttäter hemmen können(f). Der grund für das unvermögen des pazifisten ist in der sozialen beziehung verortet, die den gewalttäter an sein opfer kettet, das opfer an den täter. Das paradox der sozialen beziehung, eine konstruktion wechselseitiger abhängigkeit, gefasst mit der relation: individuum_als_ich:_A<==>genosse:_B,(g), ist gegründet im prinzip der reziprozität des handelns aller, die es betrifft. Die relation: A<==>B, hat nur dann bestand, wenn das individuum als ich, das das ich sein will, den genossen als der_andere anerkennt, der ein ich ist, so wie das individuum als ich selbst das ich ist. Das gilt vice versa. Die anerkennung des je anderen als der_andere können der genosse: B, und das individuum als ich: A,, jeder für sich, nur ad personam leisten(h). Diese bedingung schliesst aus, dass der eine dem je anderen die anerkennung als der_andere abzwingen kann(i).

    Das ist der horizont für den diskurs, der die parole: frieden schaffen ohne waffen, zum objekt hat. Einerseits ist die einhegung der gewalt das ziel, das, wenn gewalt geübt wird, nicht ohne die waffen der gegenwehr erreichbar ist, andererseits ist die möglichkeit erst dann real, den frieden zwischen allen, die es betrifft, zu leben, wenn jeder für sich den genossen als den anderen, der der_andere ist, anerkennt. Das hat zur bedingung, dass der gebrauch von waffen keine option sein kann. Der theoretische gedanke, kreisend um die utopie: der ewige Friede,(j), erfordert in die praxis das wechselseitige vertrauen, dass alle, die es betrifft, leben können, wissend, dass der je andere keinen grund hat, gewalt gegen den genossen anzuwenden. Die bedingung dieses vertrauens ist, dass der eine den je anderen anerkennt als der_andere, in jedem moment der gelebten gegenwart(k), unabhängig davon, was die verfolgten interessen sind(l).
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(a)
das porträt des friedensaktivisten: Jürgen Grässlin. Seine motive sind zu loben, sein handeln aber ist im ergebnis nicht zielführend(01).
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(01) Uwe Buse: Ein bisschen Frieden. DER SPIEGEL, 01/2023, p.54-58.        (a)<==// 
(b)
den slogan: "Frieden schaffen ohne Waffen", haben Robert Havemann und Rainer Eppelmann geprägt(01). Aktuell wird das "Manifest für Frieden" diskutiert, als petition promotet von Sarah Wagenknecht und Alice Schwarzer(02).
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(01) den Berliner Appell "Frieden schaffen ohne Waffen"(25.01.1982), hatten Robert Havemann und Rainer Eppelmann verfasst(*1).
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(*1)
quelle: https://www.jugendopposition.de/node/150380.
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(02)
quelle: https://www.change.org/p/manifest-für-frieden?recruiter=63690469&recruited_by_id=59531cca-3418-4e33-8f67-597e7f919560       (b)<==// 
(c)
das, was als gewalt real erfahren worden ist, das ist ein factum der vergangenheit, real als dokument der historia, das erinnert wird und sein spiegelbild in den projektionen in die zukunft hat. Es sind die erinnerungen, die den kreislauf der gewaltakte in dauer halten(01).
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(01) zum problem der zeiterfahrung andernorts en detail(*1).
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(*1) INDEX/register //==>stichwort: zeiterfahrung.      (c)<==// 
(d)
die definition der gewalt, gültig im relationalen argument, lautet: gewalt ist die ersetzung eines zustandes durch einen anderen zustand(*1).
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(*1) INDEX/register //==>stichwort: gewalt.      (d)<==// 
(e)
der terminus: pazifist, bezeichnet begriffe und phänomene, die streitig sind. Hier muss es genügen, auf die problemsituation hinzuweisen.      (e)<==// 
(f)
d'accord, es gibt anekdoten, die davon berichten, dass das wort genügte, um den gewalttäter zu bewegen, von der gewalt weiterhin abstand zu nehmen. Für den moment mag das genügen, aber in der erfahrung gilt, dass das wort das taube ohr des gewalttäters nicht erreicht, der die fehlende gegenwehr als ansporn deutet, weiter gewalt zu üben, solange, bis er selbst das objekt einer stärkeren gewalt werden wird.       (f)<==// 
(g)
hinweis zum sprechen der formeln.
  1. lies: das individuum als ich grooss A relationiert wechselseitig den genossen grooss B,
  2. lies: grooss A relationiert wechselseitig grooss B,
  3. lies: der andere mit unterstrich.      (g)<==// 
(h)
der hinweis auf das prinzip: anerkennung des anderen als der_andere, muss genügen, dazu andernorts en detail(01).
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(01) INDEX/register //==>stichwort: prinzip:_adaad_a.      (h)<==// 
(i)
der begriff: anerkennung, ist im blick auf Hegel's these problematisch, dass der knecht, respektive der herr, im streben nach anerkennung durch den je anderen in einem "Kampf auf Leben und Tod" verstrickt seien. Dazu andernorts en detail(*1).
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(*1) INDEX/register //==>stichwort: dialektik:_herr/knecht und dialektik/herr_und_knecht.      (i)<==// 
(j)
Immanuel Kant hat die idee eines "ewigen Friedens", als postulat entwickelt. Sein gedanke ist heute noch gültig. Kant hatte seine idee des immerwährenden friedens im rahmen des rechts ausgemalt, ein rahmen, in dem der willen zum frieden implementiert sein muss, der wille nämlich, den alle, die es betrifft, haben müssen, wenn sie die gegensätze in der gesellschaft austarieren wollen, die im frieden gelebt werden sollen.      (j)<==// 
(k)
der (ewige) friede ist kein objekt, das auf dauer besessen werden kann, der friede muss in jedem moment der gelebten gegenwart neu geschaffen werden, um als ein ewiger frieden in dauer zu bestehen. Dafür sind keine waffen erforderlich, mit denen das potential der gewalt allein vergrössert, aber nicht beseitigt wird.      (k)<==// 
(l)
aktuell ist der friede zwischen den ukrainern und russen eine fata morgana und im blick auf diese illusion ist es jetzt schon notwendig zu überlegen, was ein dauerhafter friede werden könnte, geschaffen in verhandlungen gleichberechtigter partner auf augenhöhe. Ich denke, dass drei essentials realisiert sein müssen:
  1. das freie wort in den gesellschaften, um die fake-propaganda kontrollierbar zu halten,
  2. die wechselseitige anerkennung als souveräner staat und gesellschaft,
  3. die territoriale integrität der Ukraina in den grenzen von 1991.
Utopische bedingungen? - Ich denke: nein; denn anders kann das wechselseitige vertrauen nicht gesichert werden, das der genosse und das individuum als ich, jeder für sich, ad personam schaffen müssen, wenn sie ohne gewalt in frieden leben wollen.      (l)<==// 
finis

stand: 23.05.01.
eingestellt: 23.04.01.
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