Das wort: freiheit, ist ein faszinosum. Der knecht beruft sich auf
seine freiheit ebenso wie der herr. Nicht übersehen werden sollten die
diktatoren und die demokraten, die den cantus firmus: freiheit, bei
jeder gelegenheit anstimmen, passend/unpassend.
Es ist eine bestürzende beobachtung, dass das wort: freiheit, als
passpartout gebraucht wird und als passpartout ist der terminus
potentiell auch missbrauchbar; denn im schlachtruf: freiheit, geht das
wissen unter, dass jede beanspruchte freiheit nicht grenzenlos ist,
sondern gehändelt werden muss als eine gebundene freiheit
(a); denn der
freiheitsraum des einen ist reziprok eingeschränkt durch den
freiheitsraum des je anderen. Der freiheitsanspruch des autokraten kann
tödlich sein für den genossen, weil der autokrat den freien genossen
neben sich nicht dulden kann. Der freiheitsanspruch des neoliberalen,
auf den freien markt pochend, hat die verarmung des konkurrenzunfähigen
marktteilnehmers zur konsequenz und der freiheitsanspruch des liberalen
demokraten hat mit der maxime: laissez-faire, nichts gemein, weil in
der gesellschaft mit dieser maxime die ordnung dem jeweils stärkeren
anheim gestellt ist, das interesse darauf fokussierend, im eigenen
machtanspruch die freiheit des schwächeren verschwinden zu lassen.
So wie die dinge stehen, scheint es ein aussichtsloses unterfangen zu
sein, den begriff: freiheit, als ein versprechen zu bestimmen, jedem
mitglied der gesellschaft das seine möglich zu machen.
Es ist ein moment der logik, dass in jeder denkbaren form von
freiheiten der begriff: freiheit, einer causa bedürftig ist, mit der
das individuum als ich in raum und zeit die phänomene ausweisen kann,
die als begründung einer bestimmten freiheit tauglich sind. Die auswahl
des gültigen grundes erneuert in jedem fall das böse spiel, eine letzte
causa festlegen zu wollen, mit der der eigene freiheitsraum einerseits
vergrössert werden soll und andererseits der freiheitsraum des je
anderen verkleinert wird, der die machtmittel nicht hat, um seine causa
durchzusetzen. Im widerstreit der macht erscheinen die realen
freiheiten als spielsteine, die oft mit der gewalt verknüpft sind.
Das problem des begriffs: freiheit, real in den phänomenen der
bürgerlichen freiheiten
(b), ist rational dann auflösbar, wenn ein
anderer gedanke hinzugenommen wird, dessen logik fundiert ist in der
dichotomie der möglichkeiten: entweder das eine oder das andere -
tertium non datur. Die idee der freiheit also nur eine frage des
blinden zufalls? - nein! Wenn das modell der dichotomie: ja/nein,
konstitutiv in der idee: autonomie des ich, um das moment: bindung,
erweitert wird, dann gilt, wenn die entscheidung zwischen den
möglichkeiten: a oder b, gefallen ist, dass das eine: a, gilt und das
andere: b, nicht gelten kann. Mit der entscheidung ist der zufall in
ein faktum transformiert, eine idee, die Ich mit dem terminus:
autonomie des ich, markiere. Der grundgedanke der autonomie des ich
ist, das sich das individuum, das das ich sein will, sich selbst das
gesetz gibt. Aus seinem individuellen impuls schöpfend, keiner
bedingung unterworfen, entscheidet es sich, entweder für das eine oder
das andere, und wenn es sich entschieden hat, dann hat es sich selbst
absolut an das eine: a, oder das andere: b, gebunden. Im akt der
autonomen entscheidung, missverständlich als freie entscheidung
klassifiziert, hat es sich ohne bedingung einerseits entschieden
(c) und
andererseits sich selbst autonom absolut an das entschiedene, immer
eine position seiend, gebunden. Das, was als die "freie" entscheidung
des individuums als ich erscheint, korrekt formuliert: die autonome
entscheidung des individuums als ich, das ist die selbstbindung des
individuums als ich, die absolut wirkt, aber nur relativ sein kann für
den genossen.
In diesem sinn ist es falsch zu argumentieren, dass die autonomie des
ich und die freiheiten des bürgers identisch seien. Die differenz ist
strikt zu beachten; denn jeder kann, wenn er sich mächtig wähnt, den
freiheitsraum des bürgers einschränken, gleich_gültig, ob legal oder
nicht, die autonomie des ich aber kann der mächtige dem ohnmächtigen
nicht nehmen, weil der mächtige keinen zugang zum forum internum des
ohnächtigen hat. Er kann den ohnmächtigen zwar töten, aber er kann ihn
nicht zwingen, seine autonomie als ich an ihn abzutreten.
Die frage der autonomie ist kategorisch entschieden, im streit aber
bleiben die bürgerlichen freiheiten, dokumentiert in einem prozess der
dialektik zwischen dem individuum als ich und seinem genossen.
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(a)
Immanuel Kant: "Niemand kann mich zwingen, auf seine Art (wie er
sich das Wohlsein anderer Menschen dünkt) glücklich zu sein, sondern
ein jeder darf seine Glückseligkeit auf dem Wege suchen, welcher ihm
selbst gut dünkt, wenn er nur der Freiheit anderer, einem ähnlichen
Zwecke nachzustreben, die mit der Freiheit von jedermann nach einem
möglichen allgemeinen Gesetze zusammen bestehen kann, (d.i. diesem
Rechte des anderen) nicht Abbruch tut." (Über den Gemeinspruch: Das mag
in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis. in:
Kant,Immanuel: Werke. Bd.XI. p.145. Frankfurt am Main: 1969).
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