TEXTSAMMLUNG
Das fragment des monats
ausgabe (044)/44//2024/ fdm/24.044/ august/2024

Die propheten lügen.
Das phänomen des populismus und das falsche reden ihrer führer.

    Allerorten - rechts, links und mitte - vom populismus ist die rede. Im blickfeld der politischen debatten stehen phänomene, die mit dem traditionalen begriff: populismus,(a) präzis nicht erfasst werden können, weil die konturen populistischer politik fliessend sind(b). Im zwielicht des unbestimmten sind die chancen der populisten verortet, sich das publikum zu schaffen, das sie brauchen, um ihre partikularen interessen durchsetzen zu können, unterworfen den mechanismen der macht, die mit dem gemeinwohl nicht zusammenpassen.

    Die phänomene des populismus sind vielfältig, die als kern den verweis auf "das volk"(lat.: populus) ausweisen, aber der begriff: volk, ist in diesem kontext unscharf, weil zwei aspekte miteinander verknüpft werden, die präzis getrennt werden sollten. Einerseits ist es der terminus: das volk, der auf die biologische abstammung ihrer mitglieder verweist(c), andererseits ist es die gesellschaft als ein ganzes, die traditional mit dem terminus: das volk, bezeichnet wird, eine gemeinschaft von menschen, die aus vielfältigen gründen sich als eine einheit erfahren. Der populismus, eine variante der ideologien, unterläuft diese differenz, weil er zwei kriterien ausweist, die sowohl einen bezug auf das volk als eine abstammungsgemeinschaft haben als auch einen bezug auf das volk als gesellschaft:

  1. der populist sagt, was das publikum hören will, egal, was die situation real ist. Der bezugspunkt ist das volk als eine gesellschaft in ihrer vielfalt.
  2. der populist will "der führer" sein, der seinen machtanspruch auf eine definierte gruppe von menschen geltend macht und diesen machtanspruch auch ausleben will, gleichgültig, ob die gruppe sich über die abstammung definiert oder über ein spezifisches interesse. Die bedingung ist, dass die gesellschaft als ganzes gespalten ist in die, die entweder in der gruppe innen sind oder aussen - tertium non datur.

    In der beurteilung eines populisten ist ein zweites moment wirksam, dessen fokus die methode ist. Wer als populist erfolg haben will, der muss wissen, was das volk(=die gruppe) denkt. Um das herauszubekommen gibt es im deutschen sprachraum zwei redeweisen, die die differenz eindeutig markieren:

  1. Luther schaute dem volk auf's maul(d).
  2. der populist redet dem volk nach dem mund(e).

    Mit den beiden zitaten ist präzis die differenz beschrieben, die den populisten von einem verantwortungsbewussten politiker unterscheidet.

    Die damen/herren: politiker, die ihr mandat ernst nehmen, schauen dem volk auf's maul, weil sie wissen müssen, wie das volk denkt, für das sie eine entscheidung treffen sollen, die mit dem gemeinwohl verträglich ist. In der kommunikation mit dem bürger ist da der stammtisch auch nicht ausgeschlossen.

    Auch die populisten hören auf das volk, aber sie wählen aus und sagen nur das, was das volk hören soll. Das, was das echo des volkes sein soll, das ist de facto das interesse des populisten, der, sein interesse als das interesse des volkes ausgebend, definiert, was die wahrheit sein muss, die das volk umtreiben soll. Es ist die wahrheit, die eine lüge ist.

    Die populisten, die propheten der moderne, lügen und täuschen.
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(a)
die worterklärungen zum begriff: populismus, sind sehr allgemein gehalten und darauf beschränkt, auf die herkunft des terminus aus dem lateinischen: populus/volk, zu verweisen(01). Auf den historischen kontext verweist das Historische Wörterbuch der Philosophie, stichwort: populismus,(02). Der begriff: populismus/populist, ist erst im 19.jahrhundert aufgekommen und spielte vor allem in der auseinandersetzung der politischen parteien in Russland(19./20.jahrhundert) eine grössere rolle.
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(01)
konsultiert wurden die lexika:
  1. Wahrig. Deutsches Wörterbuch,1986
  2. Schmidt. Wörterbuch der Politik,1995
  3. dtv-Lexikon, 2006. Bd.17.
(02)   HWdPh. Basel. 1989. Bd.7. sp. 1100-1105.         (a)<==//  
(b)
das problem ist fassbar, wenn die frage gestellt wird: wer als  populist gezählt werden soll - das angebot an namen ist breit gefächert - Söder, Schröder, Seidel, Le Pen, Johnson, Trump, Hitler, Putin, Milei, ... .        (b)<==//  

(c)      in der perspektive von rechts: das völkische.         (c)<==//  
(d)
die redeweise wird Luther zugeschrieben(01). Sie gilt als maxime für seine bibelübersetzung aus dem lateinischen/griechischen ins deutsche. Die tatsächliche urheberschaft des satzes kann dahingestellt bleiben. Der kern des satzes ist der versuch der mächtigen, das heraus zu bekommen, was das volk tatsächlich denkt, das soll heissen, was die realen bedürfnisse des volkes sind(02). Es sind die erwartungen, die in der gemeinschaft befriedigt sein müssen, wenn die geduld des volkes nicht umschlagen soll in die gewalt, die die unerträglichen lebensverhältnisse verändern soll. 
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(01)    die quelle ist mir nicht bekannt.
(02)
dafür steht der kalif in Bagdad: Harun al Raschid. Von ihm wird erzählt, dass er sich verkleidet unerkannt unter das volk von Bagdad gemischt habe.        (d)<==//  
(e)
der satz spiegelt die allgemeine erfahrung, dass das nachgeplappert wird, was im volk gerade gängig ist. Ein anderes wort ist: seine sache(=fahne) nach dem wind zu richten.        (e)<==//    
finis 

stand: 24.09.01.
eingestellt: 24.08.01.
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