TEXTSAMMLUNG

Das fragment des monats
ausgabe (049)/49//2025/ fdm/25.049/ januar/2025

Haydn's sonate rauscht durchs Elfenbein.
Die Musikkritik und ihre blüten - ein aspekt des erkennens der wirklichkeit.

    Ashkenazy hatte Chopin's polonaise As-Dur über die rampe gewuchtet(a) und Zacharias lässt eine sonate Haydn's durchs Elfenbein rauschen(b) - eine systematische durchsicht der konzertkritiken, publiziert in den medien, dürfte eine grosse anzahl solcher stilblüten in das licht der kritik stellen. Es sind formulierungen, die amüsieren können, vieles in ihrer bildhaften sprache aussagend, aber, sie erzählen nichts über die musik selbst, die der gegenstand der kritik ist, oder, präziser gesagt, sein sollte.

    D'accord, es ist ein schwieriges unterfangen, emotionen rational auszusprechen, vor allem dann, wenn der bericht über ein ereignis, nämlich die information über das geschehene, auch die funktion hat, propaganda für das ereignis selbst zu machen. Da wird schon mal übertrieben und das bild ist schief ... .

    Wirksam aber ist in den (scheinbar) verunglückten formulierungen ein anderes problem. Es ist das sprechen über die musik, die als eine sprache sui generis gelebt und erlebt wird. Die musik, gehört im moment der gelebten gegenwart, ist etwas anderes als die musik, die das individuum als ich mittels seiner sprache in einem anderen moment der gelebten gegenwart erinnern kann. Das problem in der kommunikation zwischen der (gehörten) musik und dem sprechen über diese musik ist verortet in der differenz zwischen der gehörten musik und dem sprechen über das gehörte. Es kann darüber diskutiert werden, ob die differenz relativ ist oder absolut, aber in jedem diskurs ist es die differenz, die nur das individuum als ich, sein genosse eingeschlossen, überbrückt, indem es seine relationen zu den phänomenen der musik und den phänomenen seines sprechens über diese musik setzt. Das problem der relation: musik<==|==>sprache, ist verortet im individuum als ich, das als das bestimmende dritte moment in der relation kein moment sein kann(c).

    Ein bekanntes phänomen ist die programmusik, von der gesagt wird, dass mit der musik eine tatsache ausgedrückt werde, formuliert in einem argument(d), pars pro toto, die tondichtung: Die Moldau(B.Smetana). Dieses musikstück ist so bekannt, dass die "programmerzählung" und die "musik" so dicht miteinander amalgamiert sind, dass im inneren ohr die musik aufploppt, wenn das wort: Moldau, gesagt wird, und wenn die musik erklingt, das wort: Moldau, im kopf ist. Das ist ein faktum, das aber nicht die folgerung zulässt, dass das musikstück: Moldau, auch der fluss: Moldau, ist(e). Es mag sein, dass der komponist: Smetana, bei der komposition die Moldau als teil seiner tschechischen heimat im kopf gehabt hatte, seine komposition aber evoziert nicht zwingend beim hörer die vorstellung des flusses: Moldau. Diese verknüpfung ist eine konvention, die auf diverse elemente gestützt sein kann, aber, und das ist tradition, diese konvention ist lokal begrenzt(f).

    Der schluss von der musik auf ein programm, das mit der sprache ausgedrückt wird, ist logisch ebenso unzulässig wie der schluss von der sprache auf die musik unzulässig ist(g).

    Wenn der musikkritiker, der beim leser etwas abliefern muss, formulierungen erfindet, die gemeinhin als stilblüten klassifiziert werden, dann ist er genötigt, die differenz: musik/sprache, zu realisieren - und das geht manchmal schief ... .
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(a)
diese beschreibung eines konzerts ist eine alte erinnerung an die kritiken im Kölner Stadt-Anzeiger(1965-1974), in meinem gedächtnis hängengeblieben. Ich lasse es offen, was wahrheit ist und was dichtung. Der gegenstand der kritik war ein klavierabend im Kölner Gürzenich. Der damals aufstrebenden pianist: Vladimir Ashkenazy, hatte in seinem programm auch Chopin's polonaise in As-Dur(op.53) gespielt.    (a)<==// 
(b)
Arndt Zinkant: Hinreissender Schwung und drohende Wolken. Christian Zacharias: Klavier-Recital im Bagno. Westfälische Nachrichten, 28.05.2024. Christian Zacharias spielte Haydn's sonate: Hob.XVI:39.    (b)<==// 

(c)
dieser gedanke wiederholt in einer graphik(trialektische modus).
Die momente:
1.moment: das individuum als ich,
2.moment: die musik(als phänomen in allen seinen möglichen formen),
3.moment: die sprache(als das sprechen und denken über musik).
Die relationen: (01)
1.rel.: individuum_als_ich<==|==>musik,
2.rel.: individuum_als_ich<==|==>sprache,
3.rel.: musik<==|==>sprache.
graphik:
 
                             
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(01)   das relationszeichen: <==|==> , lies: relationiert wechselseitig.    (c)<==// 
(d)
die phänomene der sogenannten programmusik sollen hier nicht diskutiert werden, aber mit den vielfältigen formen der programmusiken kann die differenz: sprache/musik, gut illustriert werden.    (d)<==// 
(e)
das problem ist in der malerei gefasst in der relation: bild<==|==>realität. D.C.Friedrich's bild: Der Watzmann, ist nicht der berg: Watzmann, in den Bayrischen Alpen.    (e)<==// 
(f)
die probe auf's exempel kann gemacht werden. Wer von den bekannten daten über Smetana's Moldau keinerlei kenntnis hat, der wird, das ist die prognose, das bestimmte musikstück: die Moldau, nicht mit dem phänomen: die Moldau als fluss, verknüpfen; denn aus der tonfolge des hauptthemas ist die assoziation: Moldau, nicht ableitbar(01).
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(01)
das hauptthema von 6 tönen auf der tonleiter ist in einem 6/8-takt rhytmisch organisiert. Die abfolge der 6 tonstufen ist in vielen musikstücken als zentrales motiv nachweisbar.    (f)<==// 
(g)
ein text kann vielfältig vertont werden und differente texte werden einer bestimmten melodie unterlegt.    (g)<==//   
finis

stand: 25.02.01.
eingestellt: 25.01.01.
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