TEXTSAMMLUNG
die meinung des bürgers
ausgabe: 04-06/06  april-juni 2006

Nur ein emporkömmling ...

Also für die interessen der wirtschaft habe sich herr Schröder, der SPD-mann, eingesetzt(1). Das sagte herr Baha, Christian Baha, vom Spiegel als hedgefonds-manager aus Österreich vorgestellt. Den sozialisten, herrn Schröder, habe der herr Baha auch zum dinner eingeladen, nach Wien in die Hofburg, wo der herr Schröder den festvortrag: "die Zukunft der globalen Wirtschaft", halten solle(2). Für diese einladung, mit honorar versteht sich, wird herr Baha schon seine gründe gehabt haben. Einer der gründe könnte sein, dass es der bundeskanzler Schröder gewesen war, der das gesetz geschaffen hatte, das dem herrn Baha die chance eröffnete, seine geschäfte "'trickreich', 'lautstark' und 'unorthodox'"(3) auch in der Bundesrepublik zu machen. Gerhard Schröder als der "in Armut geborene Selfmademan"(4) - mit diesem werbeslogan wird herr Schröder sich künftig passgenau vermarkten.

Ich denke, es ist geboten, an einige tatsachen zu erinnern, tatsachen, die im glamour der neuen karriere des bundeskanzlers a.D. verloren gehen könnten. Kaum aus dem amt, da sammelt der herr Schröder posten, wie andere briefmarken sammeln, mal ist es der job als berater eines Schweizer medienkonzerns, mal ist es der job als manager des russischen energiekonzerns Gasprom, mal ist es die rolle als künftiger star der New Yorker redneragentur Harry Walker(5)(5a). Es ist zutreffend, dass der genosse Gerhard nicht das kind reicher leute gewesen war und eine helle kindheit hatte er nach 1945 auch nicht gehabt. Es ist zutreffend, dass der junge Gerhard auf dem 2.bildungsweg das abitur nachgeholt und sein jurastudium als anwalt abgeschlossen hatte. Das sind leistungen, die kleinzureden schäbig ist, aber diese leistungen müssen auch mit der tatsache verknüpft werden, dass herr Schröder seine karriere in der SPD gemacht hatte, eine karriere von Juso-chef, über die stationen: bundestagsabgeordneter, landtagsabgeordneter, ministerpräsident in Hannover bis zum bundeskanzler und parteichef. Diese karriere hat ihr symbol im legendären rütteln am zaun des kanzleramts in Bonn: ich will da rein(6). Sein denken und handeln hatte er auf das ziel: macht, fokussiert. Es ist nicht verwerflich, macht anzustreben, wenn der gebrauch der macht ethisch gebunden und das gemeinwohl der zweck der machtausübung ist. Das sorgfältige beobachten gesellschaftlicher konventionen und das peinliche einhalten der gesetze genügt aber nicht; denn dieses agieren im politischen raum kann auch ein kalkül mit täuschender absicht sein. Medienwirksam, sich auf das erscheinen konzentrierend, hatte herr Schröder der öffenlichkeit sich als macher präsentiert und eine fassade errichtet, die mit gegensätzlichen versatzstücken den doppelten Schröder verbarg, der sich mal als genosse Schröder mit currywurst und fussball inszeniert, ein anderes mal als der boss Schröder, im designerlook und die havanna zwischen den zähnen - Gerhard Schröder, "der genosse der bosse"(7).

Und was hat Gerhard Schröder, der medienkanzler, geleistet, als er der macher im amt gewesen war?(8). Herr Schröder habe, so sagt man, die von Helmut Kohl aufgeschobenen reformen beherzt begonnen und durchgesetzt. Zwei reformen sind es, die auf dauer mit dem namen: Gerhard Schröder, verbunden sein werden; die eine reform ist die Agenda 2010, die andere ist die steuerreform 2000. Es sei bedauerlich, so hört man es immer wieder, dass das volk mit seiner wahl im september 2005 den herrn Schröder in seinem reformeifer gestoppt habe(9), aber immerhin hätte er den mut gehabt, sein schicksal im amt mit den reformen zu verknüpfen - hehre worte, die leer sind für den 50-jährigen AEG-werkmann(10), den herr Schröder auf AlgII gesetzt hat, aber worte, die die augen der oberen zehntausend glänzen lassen, über die herr Schröder das füllhorn der steuersenkung ausgeschüttet hat(11).

Die Agenda 2010 ist das programm der verarmung eines drittels der gesellschaft und die steuerreform 2000 das bereicherungsprogramm einer kleinen oberschicht; beide reformen zerstören das gemeinwesen, das die menschen in harter arbeit nach 1945 aufgebaut hatten und das in der welt als sozial- und rechtsstaat(12) anerkannt gewesen war. Mit seinem blick für das maass hatte Ludwig Erhard zu recht gefordert, dass der wohlstand für alle der lohn der arbeit sein müsse, aber diese maxime haben die ideologen des neoliberalismus in die parole verkehrt: bereichert euch auf kosten anderer. Es sind willige knechte, diese ideologen des neoliberalismus und ihre macher, die das geschäft des kapitals besorgen, und herr Schröder war einer der brauchbarsten, der seine dienste angeboten hatte, erfolgreich für sich selbst und für seine auftraggeber. Das spiel des wechselseitigen vorteils zu lasten dritter ist die plattform, auf der der emporkömmling meister sein muss, und dieses spiel des wechselseitigen vorteils zu lasten dritter beherrscht herr Schröder meisterlich, das gemeinwesen aber hat schaden genommen.
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anmerkungen:

(1) meine quelle ist der SPIEGEL, 10/2006, p.28. Der passus als zitat: "Baha hat sich gezielt um den deutschen Polit-Pensionär Schröder bemüht. 'Er hat sich als SPD-Mann für die Interessen der Wirtschaft eingesetzt', sagt er, 'das ist für einen Sozialisten erstaunlich.'"  <==//

(2) herr Schröder hatte die einladung angenommen und den festvortrag gehalten. Der erfolg beim publikum aber war, laut SPIEGEL, mässig. Der SPIEGEL, 12/2006, p.51, schreibt: "Als Schröder fertig ist, räkeln sich zwei junge Broker in der Lounge auf einem weißen Ledersofa. 'Superlangweilig', sagt der eine. 'Und für so was gibt's 70000 Euro', sagt der andere. Die Summe ist eine Vermutung."  <==//

(3) der SPIEGEL, 10/2006, p.28, zitiert in seinem bericht wertungen, die in der wirtschaftspresse über das geschäftsgebaren des herrn Baha geäussert worden sind, ein geschäftsgebaren, das, wie der SPIEGEL ergänzt, von der deutschen Bankenaufsicht mit auflagen gemässigt wurde, worauf herr Baha den vertrieb seiner finanzprodukte zeitweilig in der BRD eingestellte. <==//
(4) der SPIEGEL, 10/2006, p.28. <==//

(5) das sind, den presseberichten zufolge, die neuen und bezahlten job's des bundeskanzlers a.D. Dr.h.c.Gerhard Schröder, und keiner dieser jobs dürfte nach AlgII-tarif mit der 1-euro-gage vergütet werden. Interessanter aber ist ein vierter job, der auch gegenstand eines pressekomentars gewesen war (Frankfurter Rundschau, 11.02.2006, p.11). als berater ohne honorar wird herr Schröder für den manager der RAG in Essen, herrn Werner Müller, tätig werden. Herr Müller ist nicht irgendein manager; in der 1.Schröder-regierung war er wirtschaftsminister gewesen und, aus der groosswirtschaft kommend, stellte er in der politik für die groosswirtschaft die weichen und kehrte nach getaner arbeit in die groosswirtschaft als chef-manager der RAG zurück. Ein schelm, der böse denkt.... <==//

(5a) Ich trage nach, weil meine liste der neuen jobs des herrn Schröder bereits veraltet ist. Die neueste aquisition des herrn Schröder ist ein beraterposten bei der Investmentbank Rothschild - namen sind auch ein omen. (nachricht: WDRIII/06.03.24./17.20uhr und Frankfurter Rundschau, 25.03.2006, p.4) <==//

(6) erst im historischen rückblick erschliesst sich die stringenz dieser parteikarriere. Jene legende von Bonn, oft erzählt, aber historisch vielleicht nicht ganz exakt dokumentiert, enthält den kern der ambitionen des jungen parteisoldaten Schröder, der auf der ochsentour durch die parteigremien nur das eine ziel im blick hatte, als offizier die mannschaftsquartiere hinter sich zu lassen. Beim marsch durch die institutionen kann keiner dieses ziel ohne helfer erreichen, und wer nach macht giert, der darf sich bei der wahl seiner helfer auch nicht auf den tross beschränken, der auf der ochsentour mitläuft, er muss seine helfer anderwärts suchen und finden; Gerhard Schröder hatte sie gefunden. <==//

(7) in den medien ist seit jahren der titel: genosse der bosse, geläufig. Ich weiss nicht, wann dieser titel das erstemal in der öffentlichen diskussion gebraucht worden ist. Ich denke aber, das dieser titel treffend den emporkömmling Schröder charakterisiert, der in dem bereich seiner herkunft nicht zuhause sein will und im bereich seiner wünsche nur geduldet wird, solange er nützt. <==//
(8) Ich sollte es genauer sagen: was herr Schröder als macher sich im amt geleistet hat. Das chaos der rot-grünen koalition zu beginn der amtszeiten 1998 und 2002 sind peanuts, unterhaltung für's volk und seine medien, verglichen mit den reformen, die herr Schröder unter dem deckmantel: reformstau der regierung Kohl, in der Bundesrepublik Deutschland in szene gesetzt hat. <==//

(9) was herr Schröder liegen lassen musste, das wird die schwarz-rote-koalition unter Merkel und Müntefering vollenden. Das ist auch eine kontinuität der politik, die durch demokratische wahlen nicht mehr durchbrochen wird. <==//

(10) der schwedische elektrokonzern Lux wird 2007 das AEG-stammwerk in Nürnberg schliessen und die belegschaft in die arbeitslosigkeit entlassen, sozialverträglich, wie man im jargon zu sagen pflegt. Zwar hat die belegschaft mit einem langen streik dem konzern noch einige millionen abgetrotzt, aber an der tatsache ändert das nichts, dass die langjährigen AEG-arbeiter, oft in 2. und 3. generation, am arbeitsmarkt der BRD keine chancen mehr haben, und, wenn 2 jahre ins land gegangen sein werden, nach Hartz IV auf das niveau der sozialhilfe abgeschoben werden. Die begründung des konzerns ist der skandal, der ebenso simpel ist wie zynisch. 5% rendite, in einer funktionierenden wirtschaftsordnung ein solider gewinn, genügen den shareholdern nicht, die durch ihre manager anderswo 25% und mehr rendite aus den arbeitern rausschinden lassen. <==//

(11) Die Zeit (nr.9, 23.02.2006, p.19) titelte: Schröders ungerechte Reform, und schreibt: "Könnte das Volk über die Steuerpolitik abstimmen und zwischen verschiedenen Reformplänen auswählen, hätte die rot-grüne Steuerreform keine Chance gehabt". Es waren die experten, kundig im dickicht des deutschen steuerrechts, die die steuerreform 2000 ausbaldowert hatten, und das ergebnis lässt sich sehen. Steuermilionäre sparen steuern im 7 stelligen bereich, die krankenschwester aber muss draufzahlen, wenn sie die senkung ihrer lohnsteuer mit den gestrichenen steuervergünstigungen und zusätzlichen gebühren bilanziert. Passgenau mit dem inkraftreten dieser steuerreform 2000 gerieten die öffentlichen haushalte 2001ff in die miesen. Verrechnet man die steuergeschenke an die groosswirtschaft und für die vermögenden mit den fehlbeträgen in den öffentlichen kassen, dann wird im spiegel der statistiken der grund sichtbar, warum der sozialstaat der BRD nicht mehr bezahlbar ist. Der anteil des herrn Schröder an dieser gewollten politik sollte nicht niedrig veranschlagt werden.  <==//

(12) der sozialstaat und der rechtsstaat sind die beiden seiten der medaille: demokratische ordnung in der Bundesrepublik Deutschland. Wer den sozialstaat zerstört, der zerstört mit dem rechtsstaat auch die demokratische ordnung. Die soziale sicherheit der bürger ist die bedingung, dass die bürger friedlich in ihrer gesellschaft leben können, in der alle ihre interessen verfolgen, ohne den anderen zu schädigen. <==//
 
 

stand: 06.07.26.

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