TEXTSAMMLUNG:

die meinung des bürgers
ausgabe: 04-06/07  april-juni 2007   (blieb bis 08/2007 stehen)
 

Die dummheit der lobbyisten.
4650 Euro mehr - für den käufer eines porsche unzumutbar.
Text und subtext

Text:
 

Alle sprechen vom wetter - wir nicht!(1) - up to date redet man vom klima, die lobbyisten aber sprechen über das klima, wenn's in den kram passt.

Es waren schreckenscenarien, die die medien inszeniert hatten, nachdem der UN-bericht über den zustand des weltklimas(2) bekannt geworden war - nüchterne zahlen, die den wissenschaftlern in ihrer tendenz seit jahren bekannt sind. Die politiker verfielen pflichtgemäss in hektik(3) und die lobbyisten signalisierten, dass sie die politiker verstanden haben(4). Wieder einmal viel lärm um nichts? - diesmal wohl nicht; denn unmissverständlich weisen die indizien darauf hin, dass das fragile gleichgewicht der erdatmosphäre durch das tun der menschen auf dauer verändert wird und dass durch die veränderten klimabedingungen auf der erde die existenz der gattung: mensch, gefährdet sein könnte. Für diese prognose gibt es keine beweise, noch nicht, aber die kalkulationen der wissenschaftler können diese möglichkeit nicht ausschliessen(5).

Die situation ist prekär und was tut der lobbyist, der ein vorsänger der interessen ist, an die er sich selbst verkauft hat? Er zetert und schreit mordio, den untergang des brotherren an die wand malend(6); die politiker sekundieren(7). Da hatte es doch die kommission in Brüssel gewagt vorzuschlagen, die grenzwerte für den ausstooss von CO2-gasen bei PKW's von 160gr. auf 120gr/pro km zu reduzieren, werte, von denen das heil der welt sicherlich nicht abhängen wird, die aber den weg andeuten, auf dem das problem der erderwärmung kontrollierbar gehalten werden könnte; denn beim einsatz der energieressourcen ist der schlüssel zum erfolg die optimierung des verhältnisses von verbrauch und leistung. Die bundeskanzlerin und die lobbyisten reagierten wie die Pawlow'schen hunde. Die lobby mobilisierte die presse, dezenter machte es Frau Merkel, die die diplomatischen kanäle aktivierte, und die Brüsseler kommission, halbe sachen machend, knickte mit 140gr/pro km ein. Der fix errechnete preisaufschlag von 4650 Euro(8), den die ausstoossreduzierende technologie bei einem porsche kosten soll, ist ein gewichtigeres argument als der durchdachte plan der Brüsseler kommission, oder die 4650 Euro, die der porschekäufer spart, sind in der simplen logik der lobbyisten das äquivalent für die schäden, die der sturm: Kyrill, im januar 2007 angerichtet hatte, deren beseitigung millionen kosten. Entweder reden die lobbyisten wider ihr eigenes wissen oder sie sind schlicht zu dumm, komplexe sachverhalte zu begreifen.


Subtext:
 

(1)
ein werbespruch der Deutschen Bundesbahn - 1967/2007 die werbesprüche sind wiederkehrende moden.  <==//

(2)
die sensationspresse hatte den UN-bericht* zu einer apokalypse aufgeblasen, so als sei das unglück wiedergekommen, das den dinosauriern vor 75 millionen jahren den garaus gemacht hatte**. Aber die medien haben sich wieder beruhigt, oder genauer gesagt, sie haben zur zeit nur die objekte ausgewechselt.    <==//
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Intergovernmental Panel on Climate Change. Paris: 02/2007    <==//
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die drohende apokalypse der erderwärmung ist ein lindes lüftchen, verglichen mit dem, was sich aus den archäologischen funden ergeben hatte. Zur zeit der dinosaurier waren die durchschnittstemperaturen höher als der mittelwert im ungünstigsten scenario des UN-berichtes. Zugrunde gegangen waren die dinosaurier aber nicht an der wärme, an die sie sich im evolutionsprozess angepasst hatten, zugrunde gegangen waren sie in einem kosmischen unglück, das schlagartig die durchschnittstemperaturen auf der erde signifikannt absenkte. Solche ereignisse hatte es in der erdgeschichte immer wieder gegeben. Die konsequenzen waren, dass viele gattungen zugrunde gingen, denen die lebensbasis entzogen worden war, aber im evolutionsprozess entstanden auch wieder neue gattungen, die sich an die neuen lebensbedingungen angepasst hatten, so auch die gattung: mensch. Die natur justiert nach störungen ihre regelkreise und pendelt neue gleichgewichte ein, die weder mit den vorausgegangenen kompatibel waren, noch mit künftigen kompatibel sein werden. Diese prozesse, oft über lange zeitperioden, kann der mensch signifikant nicht beeinflussen, aber wenn es doch einmal der fall sein sollte, dann wird das ergebnis für die gattung: mensch, desaströs werden; denn die präponderanz seiner egoistischen interessen schliesst ein stabiles, sich selbst erhaltenes regelsystem aus.  <==//     anm.(2)<==//

(3)
frau Christa Thoben, wirtschaftsministerin von NRW/(CDU), erklärte konditioniert, dass sie zum klimaschutz stehe, aber zu fairen bedingungen*. Sie antwortete dem bundesumweltminister, herrn Gabriel (SPD), der vorgeschlagen hatte, den NRW-braunkohlekraftwerke künftig weniger verschmutzungsrechte gratis einzuräumen. Das also ist die logik der politiker; es muss im umweltschutz fair zugehen, wenn die groosskonzerne, in oligopolen verbunden, die bedingungen diktieren, deren zweck es ist, die renditen der shareholder zu maximieren. Frau Merkel, die bundeskanzlerin, erklärte in ihrer "Internet-Show"**, dass es nicht reiche, sich nur ziele im klimaschutz zu setzen, und der Brüsseler kommision drohte sie auf den besagten dipomatischen kanälen, dass der plan zur CO2-reduzierung deutsche arbeitsplätze vernichte. Es ist unredlich, öffentlich den klimaschutz zu fordern, aber die taten zu hintertreiben, die den schutz der umwelt und die stabilität des klima realisieren sollen***. Wort und tat fallen auseinander - nicht nur bei den politikern in der Bundesrepublik Deutschland.   <==//
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quelle: eine nachricht, WDR5/8.30uhr, am 19.02.2007.     <==//
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quelle: Der Spiegel. 8/2007, p.22  <==//
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der klimagipfel der EU im märz 2007 war im ergebnis nur die erklärung der absicht, dass die 27 mitgliedsländer demnächst etwas für den schutz des weltklimas unternehmen wollen; die bundeskanzlerin, frau Merkel, hatte als ratspräsidentin die show erfolgreich moderiert und die beiden ziele ihrer politik erreicht, medienwirksam klimaschutz zu fordern und der wirtschaft die pfründe zu sichern.  <==//      anm.(3)<==//

(4)
"Der VW-Konzern war in Sachen Umweltschutz immer Vorreiter, und er wird es bleiben"*. Das sind die schlussworte in einem Spiegelinterview, das der VW-chef Martin Winterkorn mit der bemerkung eingeleitet hatte, es sei "unsere Aufgabe als Hersteller", "die Wünsche unserer Kunden zu befriedigen", die kunden aber "wollen Autos mit stärkeren Motoren, mit Klimaanlagen und mit vielen elektronischen Hilfen für mehr Komfort und Sicherheit. Sie kaufen ... Geländewagen"**. Als manager ist herr Winterkorn auf der höhe der zeit, die das heil der welt auf den markt eingeschrumpft hat, der die quartalsberichte zum maass aller dinge gemacht hat.   <==//
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Der Spiegel, 10/2007 p.70-74, zitat p.74      <==//
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ebd.p.70 (collagiertes zitat)  <==//      anm.(4)<==//

(5)
das faktum der erderwärmung wird von seriösen wissenschaftlern nicht mehr infrage gestellt. Das statistische material der letzten 150 jahren ist eindeutig und auch die subjektive wettererfahrung weist die gleiche richtung. Die statistischen zahlen klären aber weder die ursachen der prozesse, noch ist geklärt, was die folgen sein werden, wenn die richtung der veränderungsprozesse unverändert bleibt. Die wissenschaftler können erklärungsmodelle anbieten für kausale prozesse, die den menschen in einem beachtlichen maass plausibel sind, aber diese erklärungen sind keine logisch zwingenden beweise. Mit ihren methoden und erklärungsmodellen können die wissenschaftler hinweise geben, wie die menschen sich verhalten sollten, wenn sie das eine oder andere ergebnis vermeiden oder erreichen wollen, aber sie sollten, wenn sie dem ethos der ratio respekt zollen wollen, keine rezeptbücher* anbieten, die einen erfolg nur vorspiegeln. Wirksam auf dauer sind nur die maassnahmen der menschen, die die toleranzmargen der natur beachten, die den sich selbst regulierenden ökologischen systemen gesetzt sind. Kein komplexes, sich selbst regelndes system ist statisch, es ist auf veränderungen im system angewiesen, wenn es bestand haben soll, aber das maass der veränderungen darf die immanenten toleranzmargen nicht überschreiten. Ist das der fall, dann kollabiert ein bestehender regelmechanismus und anstelle des zerstörten entsteht ein anderer mechanismus. Vermutlich sind die menschen im 21 jahrhundert zeugen dieser veränderungsprozesse, die den grenzpunkt der unumkehrbarkeit schon überschritten haben könnten.    <==//
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der amerikanische nobelpreisträger Paul Crutzen schlägt vor, mit raketen in der oberen atmosphäre schwefel zu verstäuben, um so den einfluss der sonnenwärme zu mindern(a). Prima vista ist der vorschlag mit den künstlichen wolken plausibel. Monokausal könnte der vorschlag technisch sogar funktionieren, aber es ist zu bedenken, dass die erdatmosphäre ein komplexes regelungssystem mit multikausalen bezügen ist. Der gutgemeinte vorschlag könnte also fatale folgen haben und dafür gibt es mindestens ein beispiel. Zwischen 1970-1990 sind massenhaft FCKW-gase eingesetzt worden, die den komfort der menschen steigerten, aber langfristig die schützende Ozonschicht in der erdatmosphäre zerstörten. Das sogenannte geo-enginering mag in lokal begrenzten feldern erfolgversprechend sein, global dürften die nachtteile dieser technik die vorteile aufheben - für die gattung: mensch, vielleicht mit fataler konsequenz.    <==//     anm(5)<==//

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(a)
Frankfurter Rundschau, 12.02.2007,p.3    <==//    anm.(5)<==//.


(6) der präsident des europäischen autoverbandes Acea, Sergio Marchione, meint, dass die verteuerung der autos durch strenge abgasregeln um durchschnittlich 2350 Euro "die Autoindustrie umbringen würde"*. Auch Kassandra macht sich unglaubwürdig, wenn sie übertreibt.   <==//
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Frankfurt Rundschau, 03.02.2007, p.11.    <==//      anm(6)<==//

(7)
die politiker sind von den lobbyisten nicht zu unterscheiden* und die lobbyisten machen die politik**. Der fall: Matthias Wissmann (CSU), ist vorerst der letzte***.   <==//
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dazu mehr in meinen essay: Die damen/herren politiker - ihr handwerk und die moral. Aspekte der politischen kultur in der Berliner Republik. Die meinung des bürgers, 07-09/2006, Subtext: 1.05.        <==//
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meldung in der Frankfurter Rundschau, 08.02.2007: der bundesrechnungshof prüft die ministerien, "ob und in welcher Funktion sie externe Mitarbeiter von Unternehmen oder Verbänden beschäftigen, die von den Unternehmen und Verbänden bezahlt werden".  <==//
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Matthias Wissmann soll präsident des Verbandes der Deutschen Autoindustrie (VDA) werden. Karl-Heinz Büschemann hat den hintergrund des seitenwechsels in der kolumne: profil, der Süddeutschen Zeitung, 26.03.2007, auf den punkt gebracht: "Wissmann, der es nie geschafft hatte, Wirtschaftsminister zu werden, vertrat in der Regel Meinungen, die in der Industrie verbreitet waren. Schon 1994 hatte er sich als Verkehrsminister auf die Seite der Autoindustrie geschlagen, indem er mitteilte, ein Tempolimit und ein Spritpreis von fünf Mark gefährde den Aufschwung der deutschen Wirtschaft. Das gefiel der Industrie schon damals".  <==//     anm(7)<==//

(8)
die zahl: 4650, habe Ich einer sekundärquelle* entnommen; Ich vertraue der quelle, weil Ich zum ersten nicht über die möglichkeiten verfüge, die richtigkeit der zahl zu überprüfen, und zum zweiten weil mehrere zahlen in die debatte geworfen sind, die erheblich voneinander abweichen**. Der preis für die schadstoffsenkende technologie hängt von verschiedenen bedingungen ab, und entscheidend ist nicht der exakte betrag, sondern die tendenz, die in den zahlen erkennbar ist. 4650 Euro aufschlag auf einen mit ca.85.000,00 Euro kaufpreis gelisteten porsche sind 5,47% mehrkosten für einen luxus, den der porschefahrer sich zu lasten der allgemeinheit leistet. Es gibt keinen rationalen grund, den fahrer eines porsche daran zu hindern, seiner lust zu frönen, PS-stark mit tempi über 200 durch die landschaft zu rasen, aber bitte, wenn er es tut, dann zu den kosten, die er verursacht***. Aufklärend, die kritik an den energiefressenden 300PS-modellen beantwortend, fragte der VW-chef, Martin Winterkorn: "Sollen wir künftig alle Trabi fahren?"****. Es mag ja zutreffend sein, dass seine kundschaft immer leistungsstärkere fahrzeuge wünscht, die serienmässig 300PS bieten und den selbstwert des fahrers bei 300km/h kitzeln; es mag auch sein, dass herr Winterkorn seine aufgabe als produzent darin sieht, die wünsche der kundschaft zu befriedigen*****, aber in einer gesellschaft, die sich als human verstehen will, ist es nicht vernünftig, die kosten/nutzen-rechnung eines produkts und die wünsche der konsumenten auf das verhältnis: produzent - konsument, einzuschränken, das sowohl den konsumenten als auch den produzenten erlaubt, ihre lüste zu frönen und die kosten ihrer lust bei der allgemeinheit abzuladen. Es ist dumm, das ausleben dieser lüste administrativ verbieten zu wollen, aber es auch unvernünftig zu dulden, dass die profiteure nicht die kosten ihrer lüste tragen, die sie zu lasten der allgemeinheit ausleben. Die moderne gesellschaft braucht weder einen porsche für wenige noch braucht sie den trabi für den grossen rest, aber was die bürger brauchen, das sind fahrzeuge, mit denen sie ihr mobilitätsbedürfnis, für alle, auch die natur tragbar, befriedigen können. Das auto ist eine rationale alternative, aber der private PKW ist nicht die einzige möglichkeit.   <==//
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Frankfurter Rundschau, 03.02.2007, p.11: Hohe Aufschläge für Autos errechnet.   <==//
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so spricht der präsident des europäischen autoverbandes Acea, Sergio Marchione, von 2350 Euro. Frankfurter Rundschau, 03.02.2007.   <==//
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in der kapitalistischen welt ist es üblich, die privat verursachten kosten bei der allgemeinheit abzuladen. Die verschmutzung der umwelt mit abfall jeder art war solange kein beachtetes problem, solange die müllmengen begrenzt waren und die natur diese belastungen in ihren regelkreisen auffangen konnte. Ein auto, das abgase in die luft ablässt, ist für die natur kein problem, aber die zahl der autos in 3-stelliger millionengrösse ist für die natur ein mengenproblem, das sie nicht mehr ausgleichen kann.   <==//
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Der Spiegel, 10/2007, p.72  <==//
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ebd.p.70   <==//      anm(8)<==//

finis

stand: 07.08.23.

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