TEXTSAMMLUNG
die meinung des bürgers

ausgabe: (13)07-09/2008  juli-september/2008 (blieb bis 12/2008 stehen)
 

Die flexiblen typen der moderne - im schock.
Der fall: Norbert Hansen.

Herr Norbert Hansen, gestern als boss der bahngewerkschaft transnet noch mediengerecht im clinch mit bahnchef Mehdorn, verkündet jetzt, von bahnchef Mehdorn zum personalchef der DB AG gekürt, die streichung weiterer arbeitsplätze; er fordert, ganz manager, aber noch nicht im amt inthronisiert, mehr leistung von den mitarbeitern. BILD fasste die neue meinung des herrn Hansen so zusammen: "Ein Lokführer kann auch mal Abteile aufräumen"(1). Gut! - die Bundesrepublik Deutschland ist ein freies land und jedermann könne, so er will, seine meinung frei äussern, wenn er die rechte anderer nicht verletzt. Herr Hansen ist darum nicht zu tadeln, dass er eine meinung geäussert hat, aber dem bürger steht es auch frei, sich seinen reim auf die gewendete meinung des herrn Hansen zu machen.

Herr Hansen ist flexibel, bestens dem mainstream angepasst und er weiss genau, was in der gerade angesagten position sich schickt. Man redet als gewerkschaftsboss eben anders denn als manager und wer die seite gewechselt hat, von dem wird erwartet, dass er spurt. Das ist der preis, der in der Berliner Republik entrichtet werden muss, wenn karriere gemacht werden soll. Zwar ist es chic, von werten zu reden, allemal ist es einträglicher, das gemeinwohl dem eigennutz hintanzustellen. In der Berliner Republik gibt es viele Hansens, die ihr schäfchen ins trockne gebracht haben(2) oder dabei sind, es noch zu tun(3). Die ideale von gestern, mit denen die damen/herren politiker einst angetreten waren, sind heute zerbrochene phrasen und gedanken darüber, warum sie zerbrachen, macht sich keiner dieser damen/herren politiker; denn auch das ist ein teil des preises, zu dem sie versorgt sind(4). In allen historisch dokumentierten zeiten war die maxime, von der politik moral einzuforden, ein nicht eingelöster anspruch gewesen, aber den historischen fakten entgegen muss, wenn die gemeinschaft aller, die es betrifft, gelingen soll, daran festgehalten werden, dass in der politik, in der globalisierten welt die wirtschaft eingeschlossen, die moral kein accessoire ist, das man sich eben mal leistet oder auch nicht; denn mit der moral sind die normen bestimmt, ohne die keine gesellschaft möglich ist, die als human bezeichnet werden könnte. Die humane gesellschaft ist kein markt, auf dem die grösse des geldscheins das absolute maass ist. Und was ist die gesellschaftliche realität in der BRD 2008? Wenn man diese zum maasstab nimmt, dann ist die feststellung nicht vermeidbar, dass die BRD regrediert.
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Anmerkungen:
(1) BILD,16.05.2008,p.2. Das zitat im kontext: "Es gibt mittlerweile viele regionale Bahngesellschaften, die zeigen, wie es gehen kann. Da ist dann z.B. ein Lokführer nicht nur dafür verantwortlich, den Zug zu steuern - sondern kann in den Zugabteilen auch mal aufräumen oder auf einem kleinen Bahnhof mit anpacken. So etwas ist in einem großen Konzern wie der Bahn AG natürlich schwieriger. Aber in diese Richtung müssen wir(a) langfristig denken"(b).
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(a) "... müssen wir" ? - gut gelernt, herr Hansen, aber die zeiten sind passé, als man im pluralis maiestatis das volk kujonierte.
(b) der lokfahrer als putzfrau? - der gedanke wäre apart, wenn der manager sein büro auch mal fegen würde. Aber gemach, dem einen stehen die millionen entgegen, das andere schaffen die millionen im markt.   <==//

(2) drei namen: Gerhard Schröder, Wolfgang Clement und Otto Schily - partes pro toto. Es ist nicht verwunderlich, dass es sozialdemokraten gewesen waren, die auf der sozialen leiter nach oben fallen wollten. Entgegen der schönrederei in der Bonner Republik funktionieren die regeln der klassengesellschaft(a) ununterbrochen; wer unten ist, der bleibt unten, und wer oben ist, der bleibt auch oben. Von spektakulären einzelfällen abgesehen war die soziale mobilität immer klein gewesen und blieb beschränkt auf die unmittelbar angrenzenden schichten. Aber wer unten ist, der schaut sehnsüchtig nach oben, und der wunsch, oben sein zu wollen, setzt kräfte frei, die den getriebenen auf der sozialen leiter nach oben fallen lassen; denn wer oben ist, der muss nach unten schauen, ob er helfer finden kann, die für ihn die arbeit machen. Das angebot ist grooss, aber aus dem nützlichen esel soll niemals ein edles pferd werden. Die herren: "Schröder, Clement und Schily" haben ihren job gemacht, sie sind ersetzbar und werden ersetzt.
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(a) die frage, ob es eine klassengesellschaft geben könne, oder ob die gesellschaft nur sozial geschichtet sei, will Ich hier nicht debattieren, aber Ich will es nicht unterlassen, auf die simple tatsache zu verweisen, dass es in jeder sozialen gemeinschaft ein gefühl für oben und unten gibt. Es ist nicht nur ein faktum der statistik, dass die spaltung der gesellschaften in arme und reiche ein phänomen jeder sozialen gemeinschaft ist, deren mitglieder sich faktisch nicht mehr persönlich kennen können. Der eine oder der andere mag subjektiv seiner klassifizierung als reich oder arm widersprechen wollen, aber der einschätzung durch den anderen kann keiner sich entziehen. In dieser perspektive halte Ich an dem terminus: klassengesellschaft, fest, der stabile sozialbeziehungen über den wechsel der generationen hinaus bezeichnet, soziale beziehungen, deren begriffe aber in der historia immer wieder veränderungen unterworfen waren*. Die bewertung dieser strukturen ist ein anderer aspekt, aber das ist hier nicht der gegenstand der reflexion.
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* der begriff: klassengesellschaft, ist eine schöpfung des 19.jahrhunderts, davor sprach man von der ständischen gesellschaft. Mit der definition des begriffs: klassengesellschaft, hatte Karl Marx die historischen prozessen aufgegriffen, die die soziale ordnung Europa's im 18. und 19.jahrhundert verändert hatten. Der alte adel hatte einen anderen lebensstil goutiert als die bürger goutieren wollten, die die parolen der reformation aufgesogen hatten und mit dem teufel paktierten, aber die ordnung: hier reichtum - da armut, wurde nicht angetastet.   <==//

(3) einem ondit zufolge, umgehend dementiert, sollen mit dem geplanten börsengang der DB AG einige politiker aus dem verkehrsministerium in den vorstand der DB AG wechseln. Die zeit wird zeigen, welchen wert die dementis gehabt hatten.     <==//

(4) und was war das weitere schicksal der herren: "Schröder, Clement und Schily"? - sie sind jetzt manager und lobbyisten, die das lied ihrer neuen herren singen.     <==//
finis


stand: 08.12.31.  // eingestellt: 08.06.30.
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