TEXTSAMMLUNG
die meinung des bürgers
ausgabe (25)10-12/2018/ oktober-dezember/2018(blieb stehen bis: 11/2019)
 
Beschämend - schamlos.
 
Wie eine sternschnuppe ist in der presse dieser fall(01) aufgeglüht und verloschen ... .

Den fall im gedächtnis fest zu halten ist notwendig. Der vorliegende fall ist in der struktur der rechtspolitik der Bundesrepublik Deutschland kein zufall. Der fall ist einerseits das konsequente produkt einer ordnung, die die gesellschaft in arm und reich teilt(02), und der fall spiegelt andererseits ein phänomen der gesellschaftlichen praxis, die einerseits den skandal als skandal ausweist, andererseits aber alles beim herkommen belässt, das den skandal perpetuiert.

Was ist der fall? Die details sind kurz notiert(03). Einem opfer des NS-regimes ist nach langem kampf eine opferrente gemäss gesetz zugestanden worden. Alt geworden verbrachte er die verbliebene lebenszeit in einem Pflegeheim. Für diese zeit wurde ihm die opferrente von 660,15€ auf 352,00€ gekürzt, die überzahlte leistung, 4100,00€, treibt der staat beim sohn, der erbe, ein. Die kürzung ist in dem gesetz statuiert, das die rente gewährt(04).

Es ist beschämend, dass der staat, seine existenz mit dem motto: >die würde des menschen<,(05) rechtfertigend, einerseits eine kleine entschädigung als ausgleich für schweres unrecht gewährt und andererseits diese >kleinigkeit< wieder einkassiert mit der begründung, dass im alter die lebensumstände des empfängers sich verändert haben. Es ist zutreffend, dass für den einzelnen der betrag von 660,15€ viel geld ist, umso mehr, wenn davon die hälfte gestrichen wird. Peanuts für den staat aber ist die summe der leistungen, die für alle berechtigten dieser gruppe gezahlt werden, dann, wenn die zahl dieser leistungen in beziehung gesetzt wird zu den summen, mit denen die damen/herren: politiker, als verantwortliche haushälter des staats jahr für jahr jonglieren(06).

Schamlos bedienen die damen/herren: politiker, ihre klientel. Sie, die damen/herren: politiker, sind es, die, auf die beachtung des gemeinwohls ihren eid geleistet habend, mit den mächtigen in der gesellschaft(07) geschäfte auf gegenseitigkeit machen.

Ein fall von vielen(08).

Es ist die pflicht des staates, die gesundheit der bürger vor den schädlichen folgen industriellen wirtschaftens zu schützen. Die damen/herren: politiker, sind fleissig. Am band produzieren sie die grenzwerte für die stoffe, die, im produktionsprozess anfallend, die  gesundheit der menschen schädigen. Vor jahren wurden die grenzwerte für die giftstoffe festgelegt, die im verkehr bei der verbrennung von dieselkraftstoff entstehen. Diese grenzwerte, von der wissenschaft vorgeschlagen, fanden, schon durch lobbying abgemildert für die verursacher, eingang in das gesetz. Da stehen sie nun und keiner rührt sich, einerseits die, die das gesetz zu erfüllen haben, andererseits die, die die durchführung des gesetzes überwachen sollen. Die autoindustrie(09) konstruierte keinen motor, mit dem die grenzwerte effektiv eingehalten werden, vielmehr hatten die techniker, wenn nicht im auftrag, so doch unter duldung der konzernmanager, eifrig und mit einsatz von intelligenz eine software entwickelt, mit der in den abstrakten laborversuchen, vom staat ausschliessend gefordert, die grenzwerte dem schein nach zwar eingehalten werden, auf den strassen aber reissen die geprüften fahrzeuge mit ihren giftigen abgasen die grenzwerte des gesetzes um ein viellfaches. Und was tun die damen/herren: politiker? - sie schauen diesem treiben zu und akzeptieren jahr für jahr, dass die industriemanager, verbandelt mit ihnen, die öffentlichkeit und ihre kunden täuschen und betrügen konnten, solange, bis der skandal am 18.09.2015 aufbrach. Und was geschah, als der betrug nicht mehr zu vertuschen war? - die damen/herren: politiker, machen weiter, als sei nichts geschehen.

Die manager der autoindustrie hatten gewusst, dass sie mit ihren produkten das recht umgingen. Sie wissen, dass sie unmittelbar die kunden um ihr geld betrogen und mittelbar die gesundheit der menschen beschädigt haben(10). Der skandal ist, dass die damen/herren: politiker, einerseits die milliarden den mächtigen zuschanzen und andererseits das wenige geld streichen, mit dem grosses leid entschädigt werden soll. Von dem, was die gesellschaft zusammenhält, ist keine rede, nämlich von der moral(11).
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(01)

Westfälische Nachrichten, 06.08.2018. Abdruck eines berichts des dpa-korrespondenten Georg Ismar.   (01)<==//
(02)
die teilung der gesellschaft in arm und reich ist ein soziales problem, mit dem die gattung: homo sapiens, seit beginn der evolution konfrontiert ist. Es ist ein faktum der erfahrung, dass in jeder sozialen ordnung eine hierarchische struktur(*1) feststellbar ist, die eine einteilung ausweist, die mit den termini: "oben/unten, mehr/weniger, eben: arm/reich", bezeichnet werden kann. Das ist eine konstante der sozialen ordnung und die ideale gleichheit aller vor dem gesetz ist ein transitorisches moment, das in der einen oder in der anderen richtung gekreuzt wird. Vernünftig ist es in einer definierten marge, abweichend vom idealpunkt der gleichheit, die faktischen differenzen einzugrenzen und innerhalb dieser definierten grenzen die ungleichheit zuzulassen. Das problem ist die frage, wie grooss die abweichung von der idealen gleichheit sein soll. Das festzulegen ist die aufgabe der damen/herren: politiker, vom bürger mandatiert, die das feld gestalten sollen, indem sie einen ausgleich der interessen schaffen. Die skandalösen unterschiede zwischen arm und reich sind das produkt der handelnden damen/herren: politiker, die, geleitet von ihren widerstreitenden interessen, die ordnung dann für schlecht halten, wenn für die vielen wenig gezahlt werden soll, die aber die ordnung dann für gut halten, wenn ihre klientel, die wenigen, davon profitieren, und sie selbst, zu lasten der anderen, den vielen, anteil haben am profit.  (02)<==//
(03)
beiseite gestellt bleiben können die details des falles, so der name des verstorbenen, der noch einmal das opfer der mächtigen geworden ist. Hier interessiert nur die struktur der rechtsordnung, die es in der Bundesrepublik Deutschland möglich macht, dass dem schwachen in der gesellschaft auch das letzte genommen wird, um es dem starken zuzuschustern, die transferkanäle verschleiernd(*1).
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(*1)
die damen/herren: politiker, die das zu verantworten haben, sind gute christen, zumindest kennen sie das wort in der schrift(+1), aber haben sie es auch begriffen?
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(+1)
die schrift sagt: "wer hat, dem wird gegeben; wer aber nicht hat, dem wird auch das, was er zu haben meint, weggenommen werden"(Lukas 8,18). Siehe auch die parallelstellen bei Lukas 19,26, Markus 4,25, Matthäus 13,12 und 25,29.   (03)<==//
(04)
das gesetz ist das Allgemeine Kriegsfolgengesetz(AKG)(*1). Die entscheidende norm steht in den härtefallrichtlinien, geändert im november 2014.
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(*1)
im internet hatte Ich nur gefunden, dass das gesetz in der fassung von 2011 gültig ist. Das finanzministerium hat mir nach wiederholter anfrage nur den text der richtlinien, stand 11/2014, zur verfügung gestellt.   (04)<==//
(05)
"Die Würde des Menschen ..."(Art.1 I 1GG) ist ein unbestimmter rechtsbegriff, der in der politischen debatte als ein passpartout gebraucht wird, nicht immer in guter absicht.  (05)<==//
(06)
das, was als relativierung missverstanden werden kann, das taugt nicht als argument. Ich verweise auf die maasstäbe, mit denen die sachverhalte beurteilt werden, die hier auf der agenda stehen. Die millionen >fliessen<, wenn eine starke lobby ihren einfluss geltend machen kann; es wird >gespart<, wenn keine lobby druck macht.  (06)<==//
(07)
die notwendige frage ist, wer die mächtigen sind, die ihre lakaien herrschen lassen. Es ist aber schwierig, darauf zu antworten und die antworten sind nicht zureichend(*1), im besten fall sind es >flash's<, die das geschehen in der welt der mächtigen kurz illuminieren.
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(*1)
eine reportage in der ZEIT gibt einblick in die welt der reichen, die auch die mächtigen in der gesellschaft sind(§1). Wirksame macht wird im stillen ausgeübt und dieser macht sind die damen/herren: politiker, unterworfen, sich dieser einflussnahme auch kalkulierend unterordnend.
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(§1)   Cwertnia,Laura: Die da oben. DIE ZEIT,nr.31,17.07.2018.p 19-20.  (07)<==//
(08)
der fall ist dem politikfeld: subventionen, zuzuordnen. Das problem der subventionen greife Ich nicht auf, und das, was in dem skandal, betitelt: dieselgate, der gegenstand ist, das ist ein fall für den staatsanwalt. Die damen/herren: politiker, sind in dem fall aber involviert, weil sie mit den subventionen für die autoindustrie erst das umfeld geschaffen haben, in dem der betrug möglich gemacht wurde.  (08)<==//
(09)
Ich spreche, die konventionen der öffentlichen debatte akzeptierend, pauschal von der >autoindustrie<. Anfangs stand nur VW am pranger, die anderen kamen peu á peu hinzu, und nun ist klar, dass alle autokonzerne in dem skandal verwickelt sind, der eine mehr, der andere weniger, aber das macht die sache nicht besser.   (09)<==//
(10)
der Europäische Gerichtshof hat festgestellt, dass jährlich durch feinstaub und stickoxyd ca. 400.000 menschen zu tode kommen und eine grosse zahl an menschen in ihrer gesundheit geschädigt werden(*1). Ob die zahl zutreffend ist oder nicht, das ist nicht entscheidend, allein ein nachgewiesener fall genügt, um die manager in den konzernen und die damen/herren: politiker, für ihr handeln wegen totschlags in haftung zu nehmen.
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(*1)
die zahl hatte Ich in einem rundfunkbeitrag gehört, in der presse habe Ich keine einschlägige information nachlesen können.   (10)<==//
(11)
der rückgriff auf die moral ist problematisch. Die maxime: gewinn zu machen, ist, nicht bestritten, ein teil der bürgerlichen moral. Aber die maxime kann bestritten werden, wenn sie darauf hinausläuft, dass der gewinn privatisiert, der angerichtete schaden aber sozialisiert wird. Der profit lohnt sich, wenn's um die millionen geht, und peanuts ist der ausgleich für erlittenes unrecht im schäbigen spiel.   (11)<==//
finis
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stand: 19.11.06.
eingestellt: 18.10.01.

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