TEXTSAMMLUNG
die meinung des bürgers
ausgabe: mdb/(30)05/22 / mai/2022 /(blieb stehen bis 10/2022)
Frieden schaffen ohne/mit waffen.
Der Ukraina-krieg/2022, mit kalkül seit jahren
strategisch geplant und realisiert mit einem beispiellosen
zynismus, hat die frage wieder aktualisiert, die der ständige
begleiter des homo sapiens ist: wie kann/soll frieden geschaffen
werden? - Zwei positionen stehen konträr gegenüber, die, so
scheint es, sich einander ausschliessen: entweder krieg mit
waffen oder ohne waffen frieden. Die rechnung ist zu simpel, um
richtig sein zu können. Die dokumente der historia belegen es:
mit waffen gab's immer krieg und ohne waffen hat es noch nie den
zustand des friedens gegeben, obgleich davon immer wieder
verzweifelnd geredet wird. Die plausibelste erklärung des
problems ist, wenn auf das phänomen: gewalt, als konstitutives
kennzeichen der natur verwiesen wird(a).
Solange über die fragen des friedens und der kriege gestritten
wird, solange wird über die möglichkeit gestritten werden, was
der weg sein solle, die omnipräsente gewalt in der welt so
einzuhegen, dass die phänomene der blooss zerstörenden gewalt
den bestand der gesellschaften nicht auflösen und die menschen
sich selbst befähigen, einen modus vivendi zu schaffen, der
allen, die es betrifft, die chance bereitstellt, das gemeinsam
zu bewältigende leben in frieden zu gestalten. Das problem der
menschen ist nicht, die gewalt als phänomen zu eliminieren,
ubiquitär als phänomen der natur präsent, weil es eine aufgabe
der menschen ist, die omnipräsenten gewaltphänomene auf
definierte bereiche des gesellschaftlichen lebens
einzugrenzen(=einhegung der gewalt), um so die gewalt in ihrer
zerstörerischen kraft unter kontrolle halten zu können. Im
horizont dieser these ist die position der pazifisten, ihr
lemma: frieden schaffen ohne waffen,(b) ebenso falsch, wie die position der
bellizisten, ihr lemma: frieden schaffen mit waffen,(c) falsch ist.
Eingekapselt in ihren ideologien, den spielarten des pazifismus
und/oder des bellizismus, verkennen die ideologen der gewalt
und/oder die ideologen der gewaltfreiheit, dass die ubiquitäre
gewalt allein ein mittel sein kann, mit dem alle, die es
betrifft, ihre bestimmten zwecke, fixiert in den interessen,
legitim oder nicht, verfolgen wollen und realisieren werden. Der
grund für das faktum der kriege und/oder das faktum des
ausständigen friedens sind nicht die möglichen waffen(d), mit denen
interessen verfolgt werden, sondern die gründe für den
ausständigen frieden und den allgegenwärtigen krieg(e), sind die
auseinanderlaufenden interessen, die von allen, die es betrifft,
nicht auf einen gemeinsamen nenner zu bringen sind. Es sind die
menschen, die den unablässigen fluss der gewalt in bewegung
halten, gleich_gültig, ob sie schreien: zu den waffen, oder:
nieder mit den waffen; denn, so stehen die dinge, die menschen
und ihre führer sind unfähig, die dialektik der gewalt zu
begreifen, die, gesetzt in raum und zeit, notwendig die
gegengewalt generiert, mit der die gewalt perpetuiert wird. Aus
diesem kreislauf der gewaltphänomene kommen die menschen nicht
heraus, wenn sie nicht willens sind, ihre interessen so zu
ordnen, dass die realen interessen in ihrer gegensätzlichkeit
sich nicht ausschliessen.
Im blick auf diese situation, die theoretisch eindeutig
erklärbar ist, ist die pragmatische auflösung der
konfliktsituationen etwas anderes, weil jede gefundene auflösung
eines konfliktes ein factum der vergangenheit ist, das als
modell für eine neue auflösung im anstehenden moment der
gelebten gegenwart zwar erinnert werden kann, die aber im moment
der gelebten gegenwart als erinnertes factum der vergangenheit
neu realisiert werden muss(f).
Die aktuelle debatte in der Bundesrepublik Deutschland um die
lieferung von waffen, schwer und/oder leicht, an die Ukraina ist
eine solche situation, in der das erfordernis der gegenwart und
die erfahrungen aus der vergangenheit in einem nicht auflösbaren
gegensatz miteinander verknüpft sind(g). D'accord, der überfall Russlands auf
die Ukraina, inszeniert von einer korrupten elite(h), ist nackte gewalt,
gegen die nur gegengewalt wirksam sein kann. Der angegriffene
weiss sich legimiert, wenn er mit gegenwalt sich zur wehr setzt,
um der auslöschung seiner existenz zu entgehen, aber die logik
der gewalt, real im krieg, ist kein argument, das in seiner
logik konträr gesetzt ist zur logik des friedens(i), fassbar in einem argument. Der friede,
immer gerückt in eine weite ferne, wird mit argumenten
geschaffen, die in ihrer gegensätzlichkeit von den akteuren,
fähig und willens zum frieden, in diskursen ausgehandelt werden
müssen, dann, wenn die eingehegte gewalt, transformiert in
argumente, als konfligierende interessen austariert wird. Dieser
ausgleich der interessen erfordert argumente, nicht aber waffen(j), die allein das
gegenteil des angestrebten zieles bewirken können. Die waffe
scheidet folglich als denkbare alternative aus.
Aber, so wie die dinge jetzt stehen, scheint der (ferne) frieden
eine fata morgana zu sein, eine projektion in die zukunft, die
aber gedacht werden muss, wenn im moment der gelebten gegenwart
die gewalt nicht das dominierende faktum sein soll. Das, was die
lager der bellizisten und pazifisten scheidet, das ist die
differente perspektive auf die phänomene der gewalt. In der
situation allgegenwärtiger gewaltphänomene haben beide lager
recht, jedes lager auf seine weise, aber diese einschätzung kann
nur dann gültig sein, wenn die repräsentaten der beiden lager
ihre behauptung im horizont der je anderen position
reflektieren. Der verfechter der waffen kann nur die gewalt
perpetuieren, wenn er die realität des (fernen) friedens
ausblendet, der verfechter der eliminierung von waffen macht
sich schutzlos gegen die gewalt des waffenbesitzers, wenn er die
pazifizierende drohung mit der waffe ausschliesst, die den
angreifer zur kalkulation des risikos zwingen kann. Das problem
der sich ausschliessenden optionen, reduziert auf die eine oder
die andere möglichkeit, ist die mitte zwischen den positionen,
die, theoretisch möglich, praktisch im moment des durchgangs
durch die mitte transitorisch realisiert wird. Die akteure im
prozess von krieg und frieden müssen fähig sein, den notwendigen
ausgleich der interessen im prozess zu wollen. Der streitpunkt
ist, ob die akteure derzeit dazu fähig sind, zweifel sind
begründet und diese zweifel sind die quelle der
angst.
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(a)
Ich definiere: gewalt ist die ersetzung eines
zustandes durch einen anderen zustand. In der natur ist das
als prozess exakt die beschreibung der metabolie der materie.
Folglich ist die gewalt das spezifische merkmal der natur(01),
der der homo sapiens sich als ihr teil nicht entschlagen kann.
Es ist also unzulässig, das merkmal: gewalt, aus dem begriff:
homo sapiens, herauszustreichen, weil, wenn das die bedingung
des arguments wäre, mit diesem begriff kein exemplar der
gattung: homo sapiens, benennbar wäre; denn es gilt, dass es
die leistung der menschen ist, durch ihre arbeit in der natur,
den bereich der kultur geschaffen zu haben, in dem einerseits
die gewalt als ein konstitutives moment seiner existenz
eingehegt ist, andererseits aber die gewalt als ein moment
seiner existenz bestätigt wird. Das problem der gewalt ist
ihre einhegung, damit die menschen die ihnen implizite gewalt
rational händeln können. Mit dieser these ist die sogenannte
reine auflösung des gewaltproblems ausgeschlossen.
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(01)
zum begriff: natur, immer klein geschrieben,
andernorts en detail mehr. INDEX/register
//==>stichwort: natur. text(a)<==//
(b)
"frieden schaffen ohne waffen" ist das lemma der
friedensbewegung in Deutschland. Ich greife es auf und
modifiziere es, indem Ich es mit dem lemma der bellizisten
verknüpfe. Als methodischer kunstgriff ist das verfahren
zulässig, wenn dadurch die auflösung des problems der
friedensbewegten angestossen wird. text(b)<==//
(c)
das lemma der bellizisten ist: "si vis pacem, para
bellum"(01). Das problem ist, aus dem gegensatz genau das
richtige herauszugreifen und als lösung des konflikts zu
präsentieren. Zumindest die bellizisten sind bisher den beweis
schuldig geblieben, dass es die waffe ist, oder die blosse
drohung mit ihr, die den dauerhaften frieden gesichert hat.
Der "Kalte Krieg"(1945-1990) war kein frieden und die zeit
nach 1990 bis jetzt hat die menschen auf der welt dem
ersehnten frieden nicht näher gebracht, ganz im gegenteil, wie
die konflikte weltweit seit 1990 belegen.
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(01)
zitiert nach: Kudla,Hubertus: Lexikon der
lateinischen Zitate. München: 2007, nr.630, p.106. Meine
übersetzung ist: "wer frieden will, der muss den krieg
vorbereiten". text(c)<==//
(d)
der blick auf die historia der waffentechnik liefert
den hinreichenden beweis, dass die weiterentwicklung der
waffen unter dem falschen etikett: fortschritt der technik,
den frieden zwischen den menschen nicht befördert hat, sehr
wohl aber ist das potential der zerstörung ins gigantische
ausgeweitet worden. text(d)<==//
(e)
es ist das zeugnis der unvernuft der menschen, dass
es tag um tag kriegerische auseinandersetzungen auf der erde
gibt. Derzeit ist die gesteigerte resonanz in den medien auf
die Ukraina-krise fixiert - der krieg im Jemen, der
konflikt in Palästina seit 1948, die stammeskämpfe in Mali und
Nigeria, usw., usw. sind vom schirm der medien verschwunden,
aber sie schwelen weiter, real ungelöst. Jahr für jahr weist
die statistik kriegerische konflikte im zahlenbereich: 30-50,
aus. text(e)<==//
(f)
richtig am topos, die geschichte sei der lehrer der
menschheit, ist allein das wissen, dass in den dokumenten der
historia von konflikten berichtet wird, die als modell für
mögliche auflösungen brauchbar sein können, allein, das
problem ist, dass diese modelle zwar erinnert werden,
realisiert aber werden sie in einer neuen, einer anderen
situation, die einerseits vergleichbar sein kann, die
andererseits nicht diesselbe ist. Insofern ist das schaffen
des friedens eine permanente aufgabe, die erst dann ein ende
haben kann, wenn, was wissen in raum und zeit ist, geschichte
nicht mehr möglich sein wird, dann aber ist das reden von
frieden und krieg gegenstandslos, weil es keinen menschen
geben wird, der davon erzählen kann und keinen, der dem
erzähler zuhört. text(f)<==//
(g)
nicht mehr nachvollziehbar sind derzeit die debatten
in der Bundesrepublik Deutschland. Einerseits wird das
vorsichtige, von furcht besetzte agieren des bundeskanzlers
Olaf Scholz als "nicht-handeln" kritisiert, andererseits
überschlagen sich seine kritiker im kriegerischen geschrei
nach mehr und schweren waffen. In dieser kritischen situation
des aktuellen krieges um die Ukraina ist das nüchterne abwägen
der risiken geboten, die jeder anwendung von waffen implizit
sind, um das notwendige tun zu können, den agressor in die
schranken zu weisen. Es ist schon erstaunlich, mit welchem
eifer, jede zeit ausser betracht lassend, die alten positionen
geräumt werden, die bis dato als unverrückbar gegolten hatten.
Die pazifisten gerieren sich als bellizisten und die
bellizisten schieben ihre unterlassungen seit drei jahrzehnten
den pazifisten in die schuhe. Es spricht einiges dafür, für
die aufrüstung der Bundeswehr einen fonds von 100mrd€
ausserhalb des ordentlichen haushalts aufzulegen, um die akute
notlage bewältigen zu können, aber es ist eine illusion,
künftig damit den frieden erreichen zu können. Dieses kapital,
investiert in bildung und erhalt der biosphäre, hat eine
sichere rendite als es die enormen profite sein können, die
die rüstungsfirmen sich aus dem kuchen herausschneiden.
text(g)<==//
(h)
bis zur agression in der Ukraina am 24.02.2022,
hatte Ich gute gründe gehabt, den "herrn" im Kreml als
rational denkenden politiker einzuschätzen, aber er hat mich
getäuscht. Zarp00(01) ist ein faschist(02), der sich eine
camarilla geschaffen hat, die von den nazi's
Hitler-Deutschlands nicht unterscheidbar ist(03). Der "herr"
im Kreml, der gelehrige schüler des Stalin'schen KGBs, hat es
meisterlich verstanden, seine wahren gedanken zu verbergen,
die ihre wurzeln im 19.jahrhundert haben. Die
wiederherstellung der Sowjetunion in der form des zarentums
bis 1917 ist seine chimäre, die in der zerstörung der Ukraina
nicht vollendet sein wird - der zar war schon einmal der herr
in Warschau gewesen und schon immer waren die Städte: Berlin
und Paris, eine russische kolonie ... .
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(01) lies: zar klein p null null.
(02)
mit den termini: faschist und faschismus, wird
eine geisteshaltung klassifiziert, die als system nicht
kohärent ist, aber, in den zusammengestückelten teilen ist
der sogenannte putinismus gut beschreibbar: Stalin steht
neben Hitler und Mussolini, von allem etwas.
(03)
die alten männer des politbüros der KPdSU waren
wenigsten dem anschein nach in der nachfolge Lenin's und
Stalin's noch als sozialisten identifizierbar gewesen,
obgleich ihnen der alte Marx piepegal war, dessen schriften
sie nicht verstanden hatten, vorausgesetzt, sie haben diese
texte überhaupt gelesen. Die neuen oligarchen, einst stramme
genossen, sind das geblieben, was sie immer waren:
kleptokraten, egal, welche ideologie gerade en vogue ist.
text(h)<==//
(i) fdm (017)17/2022,
fragment des monats: die logik des friedens. text(i)<==//
(j)
es ist eine verquere logik, dass waffen erforderlich
seien, weil es waffen gibt. Es ist der blosse anschein, der
die illusion boostert, dass allein die waffe den schutz gegen
eine drohende waffe bieten kann. Es sind die menschen, die,
wenn sie die waffe führen, sich auch des arguments bedienen
müssen, um miteinander kommunizieren zu können. Insofern haben
sowohl die pazifisten als auch die bellizisten recht, wenn sie
als argument die existenz der waffen entweder radikal in frage
stellen oder radikal fordern. Die lösung des gegensatzes aber
ist die idee der mitte, in der sich alle, die es betrifft,
vereinen müssen zum gemeinsamen handeln - ohne
gewalt. text(j)<==//
finis
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stand: 22.11.01.
eingestellt: 22.05.01.
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