TEXTSAMMLUNG

zitat des monat

ausgabe:  0801 : Hans Werner Henze   : musik                        (august 2001)

text:

    Ich komponiere "glückliche musik".

    Hans Werner Henze, im gespräch mit Helmut Lachemann,
    quelle: hörfunk, WDRIII/ 01.06.24./ 23.05uhr

kommentar:

Das zitat ist in zweifacher hinsicht bemerkenswert.

zum ersten: den satz hatte Ich in der dokumentation eines gesprächs gehört, das der komponist Hans Werner Henze mit seinem kollegen Helmut Lachemann vor einiger zeit in Stuttgart geführt hatte. Aufgemerkt hatte Ich bei den zwei wörtern: glückliche musik. Ich habe sie in meine vorstellungen so eingefügt, wie der satz es formuliert, der hier die funktion des zitates hat. An hand der dokumentation liesse sich verifizieren, wie Hans Werner Henze die beiden wörter in seinem sprechen tatsächlich verwendet hat, aber der nackte wortlaut kann nicht das entscheidende sein. Entscheidend ist, wie das sprechen beim adressaten, bei dem hörer angekommen ist, der bereits im moment seiner wahrnehmung das gehörte bearbeitet. Dieser aspekt ist im geprächunbedingt zu beachten, weil die akustische wahrnehmung eines arguments in einer anderen weise erfolgt, als die wahrnehmung über das auge, die zumindest im geschriebenen text eine wenn auch nicht immer verlässliche, aber doch leicht handhabbare gedächtnisstütze hat. Es ist also schwieriger zu vermeiden, dass argumente sich in die interpretation des hörers einfügen, die zumindest nicht in der intention des sprechers gelegen haben, zumal dann, wenn man dem sprechenden nur halb zugehört hatte, und fragmente sich dann zu einem ganzen aufplustern können.

zum zweiten: was ist "glückliche musik"? - zumindest macht sich diese kombination zweier wörter immer gut, aber ist die verknüpfung zweier zeichen im zeichen zugleich auch eine verknüpfung der phänomene oder der begriffe, die das zeichen bezeichnet? Ich bestreite das; es gibt die phänomene: gute und schlechte musik, auch die begriffe sind sinnvoll, wenngleich die definition der begriffe schon schwieriger ist. Es gibt auch die phänomene und die begriffe: glück, und: musik. Das sind disparate bereiche, die bestenfalls in einer metapher zusammengezwungen werden können. Eine andere sache wiederum ist es, wenn konstatiert wird, dass das gefühl des glückserlebens von musik begleitet wird; auch kann das erleben von musik das gefühl des glückerlebens evozieren, aber diese phänomene erscheinen immer getrennt, auch dann, wenn ein individuum sie im vollzug seines lebens im moment der gelebten lebens als aufeinander bezogen erfährt. Was also soll dann: glückliche musik, sein? - Ich weiss es nicht, nur dieses weiss Ich: es ist eine miserable metapher, die gedankenlos dahergeredet wird.

stand: 01.07.28.

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