TEXTSAMMLUNG

zitat des monats
ausgabe: 11-12/01 november-dezember/2001
 

text:

Bush ist kein Mörder und Terrorist. Aber die Denkstrukturen sind die gleichen.
Ulrich Wickert, Fernsehmoderator
quelle: Max 21/2001 p.42

kommentar:

Das zitat hatte für einen kurzen medienwirbel gesorgt und ist im strudel der immer neuesten meldungen verschwunden - so scheint es, aber gegen den strom des zeitgeistes ist es zwei anmerkungen wert, die aspekte beleuchten, die nicht so schnell vergessen werden sollten.

Zum ersten ist es die methode, die mit fragmenten stimmung macht. Es ist legitim, mit zitaten zu argumentieren, aber wenn ein zitat kritisiert wird, dann sollte die kritik nicht auch noch die dreistigkeit haben, mit der notwendigen verkürzung den genehmen text sich zu verschaffen. Dem zitat geht ein zitat voraus, das Wickert für sein argument angeführt hatte. "Osama bin Laden ist das amerikanische Familiengeheimnis, der dunkle Doppelgänger des amerikanischen Präsidenten"( so die zitierte indische Schriftstellerin Arundhati Roy). Diese beiden aussagen sind in einer reflexion über die ursachen des terrorismus eingebunden, der die menschen in der welt ängstigt. Man kann zu anderen ergebnisse kommen als Wickert sie in seiner kolumne präsentiert hat, aber seine argumentation ist schlüssig und trägt die beiden nun von mir angezogenen zitate. Insoweit muss die meinung des anderen, der die welt anders sieht, respektiert werden.

Dann die zweite überlegung, und diese verweist auf die quelle der angst, die heute die menschen umtreibt. Die phänomene des schreckens sind ubiquitär und waren es immer, so wie der terror im laufe seiner geschichte immer wieder sein aussehen verändert hat; war früher nur ein dolch verfügbar, so ist es heute ein zu einer bombe umfunktioniertes flugzeug - gesteigert wurde die quantität des schreckens, nicht der schrecken selbst, der von den opfern unmittelbar und unwiederholbar erlitten wird. Die mechanismen aber, die den schrecken zum ziel haben, änderten sich nie. Es ist der rigorismus des glaubenden, der in seinem wahn, das gute zu wollen, jede abweichung von seinem gutgemeinten als das böse denunziert, das zum eigenen heil vernichtet werden muss - und zu diesen zweck, so predigt der muslimische mullah, ist alles gerechtfertigt, weil Allah es will, ein hass, der eine beleidigung des propheten ist; gott will es, predigten christliche päpste und liessen die bergpredigt des Jesu von Nazareth in ihren kreuzzügen zu einer anekdote verkommen, und die säkularen politiker heute faseln von der "unendlichen gerechtigkeit" in einer welt, zu deren maass sie den shareholdervalue erklärt haben. Im prinzip unterscheiden sich die denkstrukturen religiöser fundamentalisten nicht von denen ihrer säkularen counterparts, allenfalls stehen ihnen die gewaltmittel nur in unterschiedlicher weise zur verfügung.

Die angst muss fortdauern, solange diese denkstrukturen nicht erkannt und als konsequenz der erkenntnis auch verändert werden. Der erste schritt dazu ist, die dingen beim namen zu nennen. Das hatte Ulrich Wickert getan.

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stand: 02.01.14./ 01.11.30.

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