TEXTSAMMLUNG

zitat des monats
ausgabe: 04-06/07 - april-juni/2007      (blieb bis 08/2007 stehen)

text:

"Uns ist nicht eingefallen, wie wir das Problem realistisch lösen können."
Horst Seehofer,
CSU und Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
quelle: DER SPIEGEL 1/2007, p.35


kommentar:

die rede von herrn Seehofer ist, losgelöst vom kontext, eine banalität, aber gemach, auch das banale kann wahr sein.

Als schlussatz eines artikels über die gentechnik spiegelt die rede Seehofers die konflikte, die unvermeidbar sind, wenn die neue technik in der deutschen landwirtschaft implantiert werden soll. Alle projekte sind heftig umstritten, aber unverdrossen fördert der herr minister die streitigen projekte. Es ist schon eine Crux, die die gentechnik-industrie mit der natur hat. Partout will die natur nicht von ihrem weg abweichen. Da bestäuben sich viele nutzpflanzen im wind über grosse weiten selbst und weil die insekten mit den pflanzen segensreich für alle in einer symbiotischen einheit kollaborieren, entziehen sich die pflanzen jeder industriellen kontrolle. Diese eigentümlichkeiten in der natur ruinieren den traum der gentechnik-industrie, ihre manipulierten pflanzen(1)punktgenau(2) auf die vom geometer klar fixierten flächen zu beschränken; denn die genveränderten pflanzen können nicht auf die zugewiesenen flächen beschränkt werden und gefährden so andere pflanzensorten durch auskreuzung, mit der folge, dass der bauer, der den traditionellen, gentechnikfreien landbau betreiben will, seinen grund und boden nicht mehr mit dem gleichen recht frei nutzen kann wie der nachbar, der auf sein recht pocht, genveränderte pflanzensorten anzubauen. Beide rechtsansprüche schliessen sich aus, und wo das eine recht die oberhand behält, muss das andere recht weichen.

Die situation ist misslich, deshalb schelte man den politiker nicht zu hart; denn manchmal redet er wahr und bestätigt die weisheit des volkes, dass ein blindes huhn auch mal ein korn findet.

zusatz:
herrn Seehofer und seinesgleichen könnte geholfen werden, wenn sie sich auf die alte rechtsregel besännen, dass der störer des rechtsfriedens weichen müsse. Wer den grund für eine rechtsfolge gesetzt hat, der ist auch für die folgen seiner setzung verantwortlich(3). Das streitige problem wäre aufgelöst, wenn dem nutzniesser der gentechnik die beweislast uneingeschränkt auferlegt wäre zu beweisen, dass er nicht der schädiger sei, der für alle von ihm verursachten schäden bis auf den letzten heller aufzukommen habe - mit der kommerziellen anwendung der gentechnik, die nur das ziel der profitmaxierung zu lasten dritter hat, wäre im markt kein geschäft mehr zu machen.


anmerkungen:

(1)

im prinzip betreibt die gentechnik-industrie das, was die traditionellen züchter von pflanzen und tieren seit urzeiten gemacht haben; sie haben die in den reproduktionsprozessen entstandenen natürlichen mutationen ihren zwecken unterworfen. Diese beobachtung sollte in der öffentlichen debatte berücksichtigt werden, wenn gegen die gentechnologie vom leder gezogen wird; denn was die menschen seit urzeiten mit erfolg betrieben hatten, das kann doch nicht das schlechthin böse sein, wenn sie vergleichbares mit den avancierten techniken machen, nämlich die erzeugung von mutanten für andere zwecke. Aber so einfach liegen die dinge nicht; denn es gibt eine differenz, die den vergleich der traditionellen züchtung von lebewesen mit der produktion industriell provozierter mutationen ausschliesst. Die lebensprozesse in der natur sind ein sich selbst regulierender prozess, und mutationen, die sich nicht im leben behaupten können, verschwinden, ohne eine spur zu hinterlassen, mutationen aber, die sich behaupten, werden, weil die prozesse langsam ablaufen und über viele generationen sich hinziehen können, in die regelkreise der natur integriert, sodass jede mutation zwar die störung eines bestehenden regelkreises gewesen war, die aber den regelkreis nicht in seiner existenz gefährdet hat. Die eingriffe des menschen in die regelkreise der natur haben mittels der gentechnik eine andere struktur. Die gentechnik instrumentalisiert die mutationen der natur, indem sie einerseits den takt der veränderungen beschleunigt ohne sicherzustellen, dass die regelkreise der natur an das tempo der veränderungen angepasst sind; anderseits konstruieren die menschen mit der gentechnik mutationen, die nicht durch zufall in der natur entstehen können* und folglich der störfaktor in den regelkreisen der natur sind, der die struktur der regelkreise im kern verändert. Nicht das faktum der mutationen in der natur ist das problem der gentechnologien, das problem sind die regelkreise der natur, die durch erfolgreiche mutationen soweit verändern werden, dass andere, neue regelkreise entstanden sind, die das alte leben nicht mehr zulassen**. Es ist keinesfalls zwingend, dass diese veränderungen immer negativ bewertet werden müssen***, aber der mensch beurteilt in seinem wissen die sachverhalte zumeist monokausal, die faktisch multikausal sind. Was im kalkül funktioniert, das ist nicht der zwingender beweis, dass in der komplexen realität das kalkül auch bestand hat. Hier liegen die gefahren, die mit der gentechnik unabweisbar verknüpft sind. Die menschen in ihrem kurzsichtigen hochmut können mit der gentechnik fakten schaffen, die sich als kontraproduktiv erweisen und letztlich auch die gattung: mensch, nicht nur gefährden, sondern auch vernichten können****.
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*
die implantation eines genpartikels einer gattung in das gen einer anderen gattung ist kein zufall, sondern das resultat einer gewollten aktion. So ist die resistenz einer genveränderten maissorte gegen den maiszünsler keine laune der natur, sondern das werk der industrie.    <==//
**
in der natur ist es gleichgültig, ob ein regelsystem der natur kollabiert oder nicht; das kollabierte regelsystem wird durch ein anderes regelsystem ersetzt. Die gattung: mensch, ist in der natur ebenso gleichgültig, wie die dinosaurier in der natur gleichgültig gewesen waren.   <==//
***
der austausch eines regelsystems kann durchaus erwünscht sein - so im fall der krankheit, die den menschen plagt. Aber es ist eine illusion, dass es in der natur ein regelsystem geben könnte, das als system ohne das korrektiv: krankheit, funktionieren könnte. Es gibt keine medizin, die ohne nebenwirkung wäre.   <==//
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mit der option: untergang der menschheit, mag die sensationspresse spielen, aber kein seriöser wissenschaftler kann heute die konsequenzen prognostizieren, die durch die gentechnik möglich werden könnten. Viele genmanipulationen dürften unproblematisch sein, weil die elastizität der regelungssysteme in der natur grooss ist, aber diese beobachtung schafft keine sicherheit und ein unfall mit unkontrollierbaren folgen ist nicht ausschliessbar. Das sollte ein argument sein, mit der gentechnik sorgfältig und zurückhaltend umzugehen, aber die zeiten sind für diesen rat schlecht; denn das kapital hat in den gentechnologien chancen für neue profite zu lasten anderer gewittert.   <==//
(anm.1)<==//
(2)
man streitet darüber, ob die abstandsgrenzen zwischen den feldern mit traditioneller anbauweise und gentechnisch veränderten pflanzen 50m betragen soll oder 200m. Offenbar kennen die streitenden experten nicht die dinge, von denen sie behaupten, dass sie diese fachkundig beurteilen können. Eine biene hat, wenn sie futter sammelt, einen aktionsradius von ca.3 km; ergebnisse der meterologie belegen, dass die winde staubpartikel um den ganzen globus transportieren. Ich stelle fest, dass die für die einschlägigen gesetze festgelegten abstandsgrenzen ein öffentlicher betrug sind, der in der absicht inszeniert wird, einer interessengruppe zu lasten anderer interessengruppen den privatnützlichen vorteil zuzuschanzen.    <==//
(3)
die ideologen des neoliberalismus haben die verantwortlichkeit umgekehrt, den rest besorgt die logik des kapitals.    <==//
finis

stand: 07.08.23.

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