TEXTSAMMLUNG
zitat des monats
ausgabe: (31)11-12/2011 november-dezember/2011
(blieb stehen bis 09/2012)
 

Text:

"Und was ist Träumerei? Eine jährliche Rendite von 15% ist excellent und realistisch."
Harald Weygand (Head of Trading bei GodmodeTrader.de)
(quelle: FiPa Financial Paper. Sonderausgabe: Oktober 2011, p.12.
Anzeige als beilage in: Frankfurter Rundschau. 15./16.10.2011.(01)).
Kommentar:
 
Die sprache ist ein merkwürdiges phänomen. Ein satz, der, im ganzen stehend, immer ein fragment ist, kann in seiner existenz, fixiert in einem dokument der historia, ein eigenleben entwickeln, für das der autor des satzes zwar immer der urheber sein wird, der aber in jedem falle nicht verantwortlich sein kann für das, was der zitator des zitierten satzes an gehalt, das eigenleben des zitats, diesem satz beilegt. Das zitat kreiert eine neue welt, die eine andere welt ist.

Das zitat ist aus zwei sätzen komponiert, eine frage und eine antwort, sätze, die zueinander disparat sind(02). Zueinander sind die sätze in ihrer konstellation beliebig. Vielfältiges kann gegenstand der träumerei sein; im blick hat herr Weygand sein arbeitsfeld und in diesem bezirk ist es egal, ob die rendite: 15%, der gegenstand der träumerei ist, oder ob eine anlage von kapital der gegenstand der träumerei sein soll, für die herr Weygand die zahl: 15, als "excellent und realistisch" einschätzt. Aber was ist das für eine welt, in der von 15% rendite geträumt wird?(03), träume, die instrumentalisiert werden für zwecke, die zwar ein moment der gesellschaftlichen realität sind, die aber die ordnung jeder gesellschaft destablisieren.

Was über die zahl: 15, gesagt werden kann, das ist auf die feststellung beschränkt, dass die zahl in der zahlenreihe die 15.rangstelle einnimmt und keine andere(04). Das ist, für sich betrachtet, eine magere auskunft. Das bild erscheint anders, wenn gefragt wird, was die 15.rangstelle in der welt bedeuten könnte, die, so scheint es, der inbegriff von welt ist, die für herrn Weygand die welt sein soll. Nun, herr Weygand vermakelt wertpapiere und der wert eines papiers, das wird mir wohl nicht bestritten werden, ist, in geld ausgedrückt, fixiert in einer zahl, z.b. 100 euro(05). Jeder sparer weiss, dass er heute gut bedient ist, wenn er auf sein sparbuch mit diesem guthaben 1% zinsen kriegt, das macht, hier wird's interessant, real einen Euro. Wenn herr Weygand aber das wertpapier mit dem nennwert: 100, makelt, dann sind es bei der zahl: 15, schon fünfzehn euro, eine differenz, die dann sinnfällig wird, wenn das genossene mahl im restaurant bezahlt werden soll. Wie kann das sein? - nun gut, die erklärung ist einerseits simpel, andererseits aber verwickelt. Der fall ist simpel, weil in jedem rechtssystem festgelegt ist, was der kapitalertrag eines wertpapiers sein soll, sei's als aktie, sei's als sparbuch - mal dieser wert, mal jener. Der fall ist aber verwickelt, wenn nach dem realen grund gefragt wird, der die offenkundige differenz erklären soll und rechtfertigt. Die logik der zahlenreihe schliesst aus, dass die differenz aus den genannten zahlen abgeleitet werden kann. Die ableitung der differenz ist erfolgversprechender, wenn der grund in den unterscheidbaren formen der wertpapiere festgemacht wird. Die antwort evoziert aber die frage, was die unterscheidung begründet, das die wertpapiere, zumindest im versprechen, einmal 15% rendite bringen werden, im anderen fall nur magere 1%? Antwortend kann auf den markt verwiesen werden, der es zulasse, dass das eine papier eben mehr hergebe als das andere. Diese antwort könnte das argument sein, mit dem der grund für die differenz im ertrag fixiert wird, aber was wird nun als grund für dieses argument geltend gmacht? - eine antwort die wieder eine frage impliziert, eingebunden in den strauss notwendiger fragen, mit denen der faktische grund eingekreist wird, der als plausibel(06) akzeptiert werden kann. Ich gehe mit meiner behauptung wohl nicht fehl, wenn Ich sage, dass die arbeit einer der möglichen gründe ist, mit der die differenz erklärt werden kann und auch gerechtfertigt wird, der arbeit, mit der die menschen ihre existenz sichern(07). D'accord, der wert jeder vom menschen geleisteten arbeit kann in der einen oder anderen weise quantifiziert werden, fixiert in einer zahl, aber diese zahlen, realistisch für die quantifizierung geleisteter arbeit in frage kommend, bewegen sich, ausweislich der in der historia erstellten statistiken, im engen umkreis der magischen zahl: 1. Und das, was der mensch über das notwendige zum leben hinaus an mehrwert mit seiner arbeit schafft, das bewegt sich im bereich der zahlen: 1 - 5. Der zweck der arbeit ist ein gedoppelter, zum ersten die anstrengung des individuums als ich, die für seine existenz notwendigen mittel zu schaffen, zum zweiten, das ist die perspektive seiner sorge um die zukunft, ein plus an wert, eben der mehrwert seiner arbeit, über den der einzelne frei verfügen können sollte. Die marge für diesen mehrwert ist, in zahlen ausgedrückt, klein und übersteigt im statistischen mittel die zahl: 5, nicht(08). Mit den statistischen zahlen sollte aber die beobachtung nicht unterschlagen werden, dass der tätige mensch für seine arbeit oft nicht einmal das existenzminimum erlösen kann, den möglichen fällen exorbitanter ausreisser nach oben zum trotz(09).

Das ist die welt, in der träume, wenn sie denn real werden sollten, real sein können. Wenn herr Weygang, wie zitiert, von 15% rendite träumt, präzis formuliert, von 15% rendite faselt, dann weiss herr Weygand entweder nicht, wovon er redet, das disqualifiziert ihn als berater in allen finanzdingen, oder herr Weygand weiss sehr genau, was er, von 15% rendite fabulierend, tut. Diese beratung erfüllt aber den tatbestand des betrugs(10).

-------
Anmerkungen

(01) der herausgeber der anzeige ist die Derixx GmbH & BörseGo AG, München. In der selbsteinschätzung heisst es: "Die BörseGo AG ist ein banken- und verlagsunabhängiges Dienstleistungsunternehmen im Finanz- und Börsenbereich". Auf der seite: 2, im impressum, lassen die herausgeber der aufwendigen anzeige auch gleich einen "Haftungsausschluss" drucken: "Weder die Autoren noch die Herausgeber haften für einen möglichen Verlust, den ein Anleger mittelbar oder unmittelbar erleidet, weil er seine Anlageentscheidungen auf Veröffentlichungen dieser Sonderpublikation gestützt hat".  (01)<==//

(02) als hintergrund sollte registriert werden, dass die äusserung des herrn Weygand teil einer ausgeglügelten marketingstrategie ist, in der kaum etwas ohne absicht geschehen dürfte. Die verknüpfung zweier disparater bereiche menschlicher erfahrung ist also kein zufall, und es passt, in der sozialen wirklichkeit mit dem gefühl der romantik zu spekulieren, wenn die krude realität der finanzmärkte in einem angenehmeren umfeld platziert werden muss.  (02)<==//

(03) man ist, wie's scheint, in den zeiten der finanzmarktkrise bescheidener geworden. So hatte herr Ackermann, chefmanager der Deutschen Bank, vor der krise erklärt, dass eine rendite von 25% auf's eigenkapital überlebensnotwendig sei, aber gemach, die hedgefondsmanager streichen schon wieder, zumindest was ihre boni betrifft, zahlungen im milliardenbereich ein. Wie - nur eine milliarde? In den märkten rechnen die damen/herren: finanzjongleure, bereits in billionen.  (03)<==//

(04) Richter,Ulrich: Das prinzip der zahl: 1. In: www.ur-philosoph.de  //==>bibliographie //==>textsammlung/argument des monats //==>(20)09/07(04)<==//

(05) ein hinweis, oberlehrerhaft aussehend, ist notwendig. Es ist zu beachten, dass es einen unterschied macht, ob die angabe einer zahl auf den nominalen wert des papiers verweist oder auf den realen. Diese differenz ist auf dem parkett der börsen eine differenz ums ganze, aber in meinem beispiel kann Ich diese differenz vernachlässigen; meine aufmerksamkeit ist auf die struktur des problems fokussiert, in der jeder konkrete fall gleich erscheint, mit jedem börsentag anders bewertet. (05)<==//

(06) ein grund, der plausibel ist, genügt, von den wahren gründen, den sogenannten, rede Ich nicht. Ich habe nicht die absicht, mich mit den akteuren auf den finannzmärkten gemein zu machen, die immer dann auf die philosophie rekurrieren, wenn die ideologen des freien markts, mit ihrem ökonomischen latein am ende, von den ewigen gesetzen des marktes schwätzen.  (06)<==//

(07) selbst die ideologen der deregulierten märkte reden, den terminus: arbeit, vermeidend, von der produktivität, die als index für ökonomische werte in den märkten operationalisiert wird. Über das, was mit dem terminus: produktivität, bezeichnet wird, kann aber nur dann sinnvoll gesprochen werden, wenn die arbeit des menschen der gegenstand des diskurses ist; denn es gilt unbestritten, dass weder die natur arbeitet, wenn alles in veränderungen eingebunden erscheint, noch arbeitet die pflanze oder das tier, wenn sie sich durch spezifische aktivitäten in ihrer existenz erhalten, noch arbeitet, dem ondit zum widerspruch, das kapital, gleichwohl das kapital als eine mögliche form verdinglichter arbeit präsent ist(*).
----
(*) Karl Marx spricht plastisch von "geronnener arbeit"(+).
     ----
     (+) das zitat: geronnene arbeit, habe Ich, meiner erinnerung vertrauend, irgendwo in den frühen schriften aufgelesen.  (07)<==//

(08) ein starkes indiz für die zahl: 5, sind die warnungen, abgedruckt in den ratgebern für die anlage von kapital, warnungen, die alle darauf hinauslaufen, dass renditeversprechen von über 5% als risikoreich, den totalverlust der investition einschliessend, zu bewerten sind. Den autoren dieser hinweise kann einblick in die faktischen abläufe ökonomischer prozesse unterstellt werden, folglich dürfte der wert des mehr, ausgedrückt mit der zahl: 5, nur mal so, nicht aus der luft gegriffen sein.  (08)<==//

(09) die gängige statistische zahl für die einschätzung einzelner werte ist das sogenannte bruttosozialprodukt(=BIP). Wie verzaubert starren alle auf das BIP, im besonderen die damen/herren: politiker, die in den siebenten himmel sich verrückt wähnen, wenn eine schwarze zahl, ausgedrückt in prozent(*), für das laufende oder das kommende jahr vermeldet wird, zahlen, die, wenn möglich, die zahlen: 2 oder 3, im rang übertreffen. Es sollte aber auffallen, dass in den hochkomplexen ökonomien der abendländischen welt seit 1989 die rangstelle nicht grösser gewesen war als die zahl: 5. Die wachstumsraten in den sogenannten schwellenstaaten, China und Indien, werden mit zahlen fixiert, die die zahl: 10, nicht übersteigen. In diesen statistiken ist von der zahl: 15, nicht die rede.
----
(*) die zahlen einer statistik sollten, jede zahl für sich, kritisch betrachtet werden. Es sollte den ökonomen, auch den beratern auf den finanzmärkten, bekannt sein, dass der vergleich von prozentzahlen dann unzulässig ist, wenn die basiszahlen nicht genannt sind. Es gibt keinen plausiblen grund, den damen/herren: politiker, in dieser streitfrage narrenfreiheit einzuräumen; denn sie wissen, was sie tun, wenn sie in den öffentlichen reden prozentzahlen einstreuen.  (09)<==//

(10) es sollte zum 1x1 des juristen im 1.semester gehören, dass die erfüllung des tatbestandes einer straftat allein nicht genügt, um die behauptung einer straftat zu begründen. Von den anderen bedingungen nach §263 StGB ist hier nicht die rede. (10)<==//


finis

stand: 12.09.22. //
eingestellt: 11.11.17.

zurück/übersicht
zurück/textsammlung/überblick  //
zurück/bibliographie  //