TEXTSAMMLUNG
zitat des monats
(33)05-06/2013 mai-juni/2012 (blieb bis 13.12.31. stehen)
 

Text:

"Endemann behauptet: Bewaffnete Killerdrohnen machen den Krieg menschlicher".
                                                               (quelle: DER SPIEGEL. 5/2013, p.27.)
Kommentar:
Der satz ist ein zitat im zitat(a). Ich lasse es dahingestellt sein, was der zitierte pilot: Carsten Endemann, tatsächlich gesagt hatte(b). Das, was an diesem zitat bemerkt werden muss, das ist die behauptung, dass mit waffen der krieg menschlicher gemacht werde. Es ist das problem des zitats im zitat, dass die bestimmte behauptung eines anderen zu einer eigenen behauptung umfunktioniert wird, wobei das gesagte, so wie's behauptet wird, einer bedeutungsvariation unterworfen wird, die nicht der zitierte zu verantworten hat, sondern der zitierende. Das, was Ich mir als zitat aus dem SPIEGEL-artikel herausgeschnitten habe, das ist die äusserung des SPIEGEL's, die ihren fokus in der äusserung eines dritten hat(c). Der gegenstand meiner reflexion ist die aussage: bewaffnete killerdrohnen machen den krieg menschlicher.

Die behauptung, mit gewalt könne die gewalt zum frieden gezwungen werden, ist zynisch, weil der, der die behauptung propagiert, weiss, dass die behauptung falsch ist(d). Mit gewalt, in welcher form auch immer, kann nur erreicht werden, dass ein zustand durch einen anderen zustand ersetzt wird - in dieser perspektive ist der faustkeil in der hand der vorfahren nicht von der killerdrohne unterscheidbar(e), auch dann nicht, wenn die techniken den vergleich auszuschliessen scheinen, ein vergleich aber, der dann zwingend ist, wenn das resultat in den blick genommen wird. Der mit dem faustkeil erschlagene ist tot, nicht anders, der mensch, der im explosionsfeuer der rakete verdampft wird, abgeschossen von einer "killerdrohne"(f). Im gewollten tod des anderen ist die relation vernichtet, in der das individuum als ich, wechselseitig relationiert mit dem genossen, sich als ich erfahren kann; denn in der vernichtung des anderen vernichtet sich das individuum, das ein ich sein will, sich selbst als ich - es fällt in den zustand seiner natur zurück. Es sind die militärs in ihrer dummheit(g), die davon faseln, dass der krieg menschlicher werden könne, wenn er nur technisch perfektioniert werde. Die perfektion der technischen gewalt hat nur eines verändert, die zahl der opfer(h).
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(a)

unter dem titel: "Krieg aus dem Container", berichtet DER SPIEGEL über eine diskussion in der bundesregierung. Gemäss dieser darstellung im SPIEGEL plant die bundesregierung für den krieg(01) in Afghanistan (und anderswo), kampfdrohnen anzuschaffen(02). Das zitat im kontext: "Mit ihr steuert er((d.i.Carsten Endemann,ur)) unbemante Aufklärungsdrohnen, kurz UAV. Teils über 200 Kilometer entfernt von seinem Cockpitcontainer kreisen dann die Maschinen vom Typ "Heron 1' in neun Kilometer Höhe über den Tälern Afghanistans. Nach Hunderten Flugstunden im Container und in der Luft ist er zu der Überzeugung gelangt: 'Wir brauchen unbedingt bewaffnete Drohnen', nicht nur im Interesse seiner Kameraden, sondern auch der Zivilbevölkerung. Endemann behauptet: Bewaffnete Killerdrohnen machen den Krieg menschlicher".
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(01) inzwischen ist auch die offizielle sprachregelung der regierung: Merkel und Co., in der wirklichkeit angekommen; das, was im Afghanistankonflikt realität ist, das wird mit dem terminus: krieg, bezeichnet.
(02) Hilmar Schmundt,Gerald Traufetter: Verteidigung. Krieg aus dem Container. in: DER SPIEGEL. 5/2013, p.27.
(b)
Ich setze voraus, dass die autoren des SPIEGEL-artikels ihren gewährsmann korrekt zitiert haben.
(c)
ein anderer aspekt des zitats im zitat ist die autorisierung einer äusserung, die in einem gespräch gemacht worden ist. Im mediengeschäft der damen/herren: politiker, ist es usus geworden, dass der interviewte sich ausbedungen hat, den wortlaut seiner aussage im gespräch in der fassung des textes zu autorisieren(01). Das problem ist die authentizität des zitats; denn was soll gelten? - das, was buchstäblich gesagt worden war(02), oder das, was der berichterstatter im artikel, schwarz auf weiss, danach geschrieben hat. In diese überlegung muss das faktum mit einbezogen werden, dass der adressat des bestimmten zitats das zitat nur im horizont seiner welt interpretieren kann(03). Es sind also drei perspektiven auf ein und dasselbe zu unterscheiden und keine dieser perspektiven kann mit den anderen perspektiven identisch fallen. Auflösbar ist der mögliche konflikt nur dann, wenn ein minimum an vertrauen vorausgesetzt werden kann, dass das zitat zumindest in seiner textgestalt verbürgt ist. Als konsens muss also vorausgesetzt werden, dass alle, die es betrifft, einander vertrauen. Wenn dieser konsens im zweifel steht, wird kein zitat seine funktion als bestätigung erfüllen können.
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(01)
Thomas Schuler: Es gilt das gesprochene Wort. Mitten im US-Wahlkampf verbietet die New York Times ihren Reportern, sich zitate autorisieren zu lassen. In: Frankfurter Rundschau. 22./23.09.2012.
(02)
mit einem tondokument kann die authentizität eines zitats bewiesen werden, aber auch dieser beweis ist in der moderne nur noch eingeschränkt möglich, weil es möglich geworden ist, das dokument der historia so zu präparieren, dass der gewünschte beweis auch geführt ist. Manipulationen am dokument der historia sind schwer nachweisbar(*1).
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(*1) in der digitalen welt ist dieser beweis faktisch nicht mehr führbar, weil das protokoll der veränderung einer datei aus der datei ausgeschnitten werden kann.
(03)
das wird nur dann der fall sein können, wenn vorausgesetzt wird, dass der wortlaut des zitats vom zitierenden nicht manipuliert worden ist.
(d)
klarstellung. Meine aussage kann bestritten werden; denn subjektiv ist nicht ausschliessbar, dass der behauptende glaubt, dass das, was er sagt, wahr sei - sein glaube ist sein wissen, ein wissen, das er in seiner welt präsent hat und ein teil dieses wissens sind seine erfahrungen mit der gewalt im sozialen verkehr. Aber das, was der glaubende als sein wissen für wahr hält, das muss deshalb auch nicht richtig sein. Wenn die definition der gewalt: gewalt ist die ersetzung eines zustandes durch einen anderen zustand, richtig ist, dann kann aus der anwendung von gewalt nur eine andere gewalt in der form von gegengewalt entstehen, in keinem fall aber der zustand des friedens, der immer die anerkennung des anderen durch den anderen voraussetzt.
(e)
Ich greife ein zitat von Th.W.Adorno auf. Adorno hatte gesagt: "der Fortschritt von der Steinschleuder zur Megatonnenbombe",(01).
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(01)
das zitat im kontext: "Nüchtern wäre der falschen Ehrfurcht zu entgegnen, wohl sei der Fortschritt von der Steinschleuder zur Megatonnenbombe satanisches Gelächter, aber erst im Zeitalter der Bombe ein Zustand zu visieren, in dem Gewalt überhaupt verschwände"(*1).
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(*1) Adorno,Theodor_W.: Gesammelte Schriften. Band 10.2, p.629 (Kulturkritik und Gesellschaft II. Stichworte. Fortschritt, p,617-638).
Zusatz: Adorno's reflexionen zum begriff: fortschritt, sind hier einschlägig, Ich verfolge den gedanken aber nicht weiter.
(f)
auch die terminologie verrät den zynismus derjenigen, die die avanciertesten waffentechniken verteidigen. Killerdrohne oder (unbewaffnete) aufklärungesdrohne - es sind instrumente des mordens, mit dem einen wird vermittelt gemordet, mit dem anderen direkt.
(g)
d'accord, die militärs mögen glauben, dass sie intelligent seien, und es lassen sich auch genügend viele fälle zitieren, in denen die militärs proben ihrer mit phantasie gesättigten intelligenz liefern, nämlich dann, wenn sie die erfindung immer perfekterer tötungsmaschinen anregen(01), artefakte der gewalt, die die militärs im kampf mit einem enormen aufwand an technischer intelligenz auch einsetzen. Verortet ist ihre dummheit im mechanismus der tötungsmaschinen, werkzeuge, die den angegriffenen ebenso töten können wie den angreifer.
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(01) das wort ist in der welt, dass der krieg der vater aller dinge sein solle. Die fakten bestätigen den sachverhalt, aber ist deshalb das gerede auch richtig? - die anfrage ist notwendig.
(h)
die dokumente der historia weisen es aus. Die grosse hunnenschlacht(01) soll 5000 tote produziert haben, unter der million hatte es ein Napoleon nicht mehr getan und der II.weltkrieg schaffte es auf geschätzte 45millionen(02) - im letzten krieg werden es wohl milliarden sein - ein wachstum, das mit den steigerungsraten der neoliberalen ökonomie vergleichbar ist.
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(01) die schlacht auf den Katalaunischen Feldern, 451 n.Chr.
(02) in anderen quellen wird die zahl: 52.000.000, genannt.
finis


stand: 13.12.31.
eingestellt: 13.04.27.
 

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