TEXTSAMMLUNG
zitat des monats
ausgabe: (34)01-03/2014 januar-märz/2014
 

Text:

"Milliardäre werden immer reicher".
 (schlagzeile.  quelle: Westfälische Nachrichten,30.11.2013)
Kommentar:
Jeder gedanke, fixiert in einem text, kann als zitat instrumentalisiert werden - eigentlich eine banale bemerkung, die prima vista als überflüssig abzukanzeln ist, secunda vista aber ist die sache verwickelter. Der text: milliardäre werden immer reicher, ist, geurteilt in der perspektive der grammatik, ein korrekter satz, der mit 4 wörtern komponiert ist, die jedermann, die wörter gebrauchend, mit sinn aufgelädt. Die worte schillern in konträren farben, mögliches blitzt in den wörtern auf und im reigen der geöffneten möglichkeiten verschwindet die wahrheit. Welche wahrheit intendiert der zitator, der, bestimmte absichten verfolgend, mit den wörtern spielen kann?

Wenn unterstellt wird, dass die daten der dpa-nachricht(01), verifizierbar sind(02), dann könnte, ohne widerspruch zu provozieren, die nachricht so zusammengefasst werden: 2013 gibt es in der Schweiz 300 personen, die ein vermögen von 547 milliarden Euro besitzen, das, verglichen mit 2012, um 42 milliarden Euro grösser ist. Die nachricht ist prima vista nicht aufregend, secunda vista aber, wenn der mögliche kern der nachricht expliziert wird, alteriert das gemalte bild und die nachricht ist, dass die besagten milliardäre binnen jahresfrist auf den finanzmärkten eine rendite von 8,3158316%(03),(04) erzielt haben, der kleine sparer aber, diese nachricht interpoliert, wird mit 0,1% abgespeist(05)- auf den sparbuch erträge im einstelligen euro-bereich(06), der milliardär kassiert den profit in dreistelligen millionen(07).

Die grosse lüge der neoliberalen marktideologen ist ihr gerede, die gewinne, erzielt im markt seien das resultat von leistung; denn, das ist ihre predigt, der erzielte gewinn sei der unbestechliche indikator für leistung. Ein moment ihrer lüge ist das mantra, die ungleiche verteilung der erzielten gewinne sei in der konkurrenzfähigkeit der marktteilnehmer gegründet; denn, so reden die schwätzer, das gesetz des marktes ist, dass der konkurrenzfähigere den weniger fähigen verdränge(08). Das andere moment ihrer lüge ist die greifbare dummheit neoliberaler börsenfreaks, die zwar auf schnellen computern mit gigantischen zahlenkolonnen im nanotakt jonglieren, aber ignorieren, dass die logik ihrer spiele, ökonomie vortäuschend, im prinzip der zahl: 1, ihr fundamenthat(09).

Der zweck des marktes ist es, ein ort des austauschs der güter zu sein, die das individuum als ich und sein genosse mit ihrer hände arbeit geschaffen haben, um ihre existenz in der welt zu gestalten, die geschaffenen weltdinge im wechselseitigen austausch gebrauchend(10). Der moderne markt, die neoliberalen marktideologen reden im globalen maasstab vom finanzmarkt, ist in eine zockerbude umfunktioniert worden, in der finanzderivate(11) hin und hergeschoben werden. Die aktuellen kurstafeln der börsen spiegeln nicht die ökonomische leistung der marktteilnehmer, die güter geschaffen haben, gleichwohl die kurstafeln ein spiegelbild der erwartungen sind, die die akteure im markt, gewöhnliche spekulanten, haben. Das, was als rendite eines geschäfts ausgegeben wird, das sind die in zahlen ausgedrückten erwartungen, denen kein realer ökonomischer wert unterlegt ist. Die zahlen, reduziert auf eine merkwürdig aufreizenden objektivität, markieren rangstellen, deren differenz in der zahl der mit den zahlen verknüpften nullen offenliegt(12). An den börsenplätzen der welt werden in zahlen tagtäglich die billionen bewegt, aber diese phänomene haben mit den realen gütern nichts mehr gemein, die täglich auch noch gehandelt werden. Wenn die milliardäre am markt die millionen und milliarden abgreifen, den kleinen sparer mit den paar cent als brosamen vom tisch der herren abspeisend, dann ist die differenz nicht mit der leistung aus arbeit erklärbar, wohl aber mit der logik des prinzips der zahl: 1.
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Anmerkungen:
(01)

der text der nachricht: "ZÜRICH(dpa). Die Milliardäre in der Schweiz werden immer reicher. Gemeinsam besitzen die 300 reichsten Menschen dort ein Vermögen von 547 Milliarden Euro und damit so viel wie nie zuvor, wie das Wirtschaftsmagazin 'Bilanz' am Freitag berichtete. Im Vergleich zu 2012 sei diese Gruppe um 42 Milliarden Euro reicher geworden"(*1).
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(*1) Westfälischen Nachrichten, 30.11.2013, unverkürzt zitiert.    <==//
(02)
es kann dahingestellt bleiben, ob die genannten zahlen korrekt sind oder nicht. Jede zahl, gebraucht in einem argument, ist mit der rangstelle fixiert, die für die zahl in der zahlenreihe bestimmt ist(*1). Das, was einer zahl sonst noch zugeordnet wird, das ist die zugabe des verwenders der zahl und diese zugabe hat ihren grund in der person des verwenders der zahl und nicht in der zahl, die fixiert ist.
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(*1) Richter,Ulrich: Das prinzip der zahl: 1. In: www.ur-philosoph.de  //==>bibliographie //==>verzeichnis //==>adm/(20)09/07.    <==//
(03)
es ist bürgerliche praxis, den zins mit maximal 2 stellen nach dem komma anzugeben. Den akteuren auf den finanzmärkten der welt aber kann das nicht mehr genügen, wenn sie den kauf/verkauf von kapital im nanobereich der zeit abwickeln. Der prospektive gewinn dieser geschäfte ist in der 7.stelle versteckt und die minimalen differenzen werden in der kette der transaktionen schnell zu einer ganzen zahl vor dem komma aufsummiert(*1).
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(*1) mein rechner weist nur 7 stellen nach dem komma aus.     <==//
(04)
die zahl ist das ergebnis simpler zinsrechnung. Die nackten zahlen: 2012/505mrd.; 2013/547mrd.; differenz: 42mrd=8,3158316%.    <==//
(05)
zu ergänzen ist die nachricht, dass die Finanzschätze des Bundes seit monaten eine rendite von 0,0001% ausweisen(*1), das heisst, dass bei diesen konditionen der kleine sparer(*2) sich per annum 0,005cent/€ wird gutschreiben lassen können.
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(*1) börsennachrichten in der Frankfurter Rundschau, ständige rubrik.
(*2) anmerkung: (06).     <==//
(06)
die annahmen: kapital von 5.000,00€ zu einem zinssatz von 0,1%p.a.     <==//
(07)
das ist klassischer dreisatz: 300 personen teilen sich 42mrd.€(*1).
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(*1) anzumerken ist, dass die zahl: 140.000.000, einen statistischen wert markiert, der über die gruppe etwas aussagt, aber nichts über die gezählten euros, die in der gruppe verteilt sind. Auch die gruppe: milliardäre, weist "reiche" und "arme" milliardäre aus. Die presse informiert die bürger im lande jährlich über das neueste ranking der reichsten der reichen - dichtung und wahrheit.    <==//
(08)
das von den neoliberalen marktideologen zitierte sogenannte gesetz des marktes ist die verkappte form der beobachtung, dass in der natur der schwache dem starken weicht. In dieser perspektive sind die finanzmärkte der globalisierten welt ein atavistischer rückfall in die natur - trotz sophistischer technik ein fortschritt in der aufklärung? Diese frage drängt sich geradezu auf ... .     <==//
(09)
es ist das spiel mit den nullen, die gigantische gewinne oder verluste produzieren. Es war einmal üblich, den preis für das frühstücksei mit einem pfennig anzusetzen, heute geht's unter 20 cent/€ nicht mehr(*1). In den vorangegangenen generationen war ein unternehmer erfolgreich, wenn er mit seiner firma 1000 goldmark/p.a verdient hatte, die manager heute tun's unter der million Euro nicht mehr und die hedgefonds-manager sind mit einer milliarde dollar auch nicht mehr zufrieden - der anstieg oder fall des kurses auf den finanzmärkten produziert gewinne/verluste im milliardenbereich, demnächst wird wohl täglich im bereich der billionen gerechnet(*2).
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(*1) die gehandelten zahlen spiegeln nicht den wert der geleisteten arbeit. Effektiver ist die rechnung mit dem aufwand von zeit, die erforderlich ist, ein bestimmtes produkt zu schaffen, das am markt eingetauscht werden kann. Die arbeitszeit ist als maass für die beurteilung von börsenspekulationen untauglich.
(*2) das gab's schon einmal -  Deutschland 1923, im jahr der grossen inflation.     <==//
(10)
in der moderne hat der markt seine funktion, ort des tauschens realer güter zu sein, nicht verloren. Zu konstatieren ist allein, dass diese funktion vernebelt wird im geschwätz neoliberaler ideologen, die, lakaien der mächtigen, mit vorsatz den zweck verfolgen, den privaten vorteil weniger auf kosten aller zu optimieren - im takt der nullen.    <==//
(11)
der terminus: finanzmarkt, ist zwar geläufig, aber das, was auf diesen märkten, bezeichnet mit diesem terminus, abläuft, das hat mit dem austauschen der güter nichts mehr zu tun, güter, die das individuum als ich und sein genosse benötigen, wenn sie ihre existenz im wohlstand bewältigen wollen. Die objekte auf den finanzmärkten sind derivate, erwartungen auf ein prospektives kapital, und diese produkte, man spricht von finanzprodukten(*1), haben nichts gemein mit den weltdingen, die das individuum als ich und sein genosse benötigen, wenn sie produkte ihrer arbeit auf dem marktplatz tauschen.
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(*1)
es ist ein irrtum, wenn die finanzprodukte der moderne mit dem geld der tradition gleichgesetzt werden. Das geld hat nur eine funktion, nämlich das bequeme mittel zu sein, den tausch der güter effektiver zu händeln. Die münze in der hand ist auf die funktion begrenzt, den wert zweier weltdinge miteinander vergleichbar zu machen. Diese funktion, so rechtfertigen die neoliberalen ökonomen ihr gerede vom markt, ist in der moderne erweitert worden, nämlich um die behauptung, dass die 1-euro-münze selbst ein wert sei, der wie eine ware gehandelt werden könne. Das ist falsch(+1), beweisbar mit jedem heute gängigen finanzprodukt. Das, was heute unter dem terminus: finanzderivat, gehändelt wird, das sind komplexe konstruktionen, die einen wert vorspiegeln, der real nicht vorhanden ist(+2) - die letzte finanzmarktkrise 2008ff hat das hinlänglich demonstriert.
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(+1) der blick auf die historia des geldes genügt. Das haben und das nicht_haben einer münze ist etwas anderes als die spekulation auf den wert der münze, die selbst das tauschobjekt ist.
(+2) es ist die logik der sache, wenn die finanzmärkte der welt der tummelplatz für kriminelle geworden sind. Da geht's auch schon lange nicht mehr um ein paar gestohlene märker, man fingert die millionen und die milliarden und die strafen von über einer milliarde euro/dollar, sind, wie's der jargon vermeldet, bereits "eingepreist", für die banken ein integraler teil des geschäftsmodells.     <==//
(12)
die zahlen: 1 und 1000, markieren allein die bestimmte rangstelle in der zahlenreihe. Es ist richtig, dass die zahl: 1, wenn sie in 1000 additionsvorgängen um die zahl: 1, erweitert wird, mit der zahl: 1000, äquivalent ausdrückt werden kann, aber die zahlen: 1 oder 1000, sagen nichts aus über den wert der zahl: 1000, bezogen auf die zahl: 1, oder den wert der zahl: 1, bezogen auf die zahl: 1000. Die rangstellen der zahlen sind zueinander indifferent, different aber werden die zahlzeichen, wenn sie mit einem wert verknüpft werden, fixiert mit einem zeichen, das einen bestimmten wert repräsentiert. Das zeichen: 1€, bezeichnet einen anderen wert als das zeichen: 1000$, und die rede, dass 1000$ mehr seien als 1€ hat dann einen sinn, wenn der verwender der zahlzeichen mit den vorgestellten werten kalkuliert, die nullen lassen den wert steigen oder fallen.     <==//


finis

stand: 14.04.21.
eingestellt: 13.12.31.

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