TEXTSAMMLUNG
zitat des monats
ausgabe: (35)04/14 //04-06/2014 april-juni/2014 (blieb bis 11/2014 stehen)
 
Text:
"I AM GOD".
             Josephine Witt (Femen-aktivistin, im Dom zu Köln, weihnachten 2013)(01).
Kommentar:
Die formel: I am God, äquivalent die formel: ich bin gott, dürfte so alt sein wie die menschen, die in ihrer welt über sich selbst nachdenken(02). Dieser satz: ich bin gott, präziser, der gedanke von Josephine Witt, sie sei gott, war teil einer performance gewesen, die als inszeniertes happening ein dokument der historia ist, das, instrumentalisiert auf dem forum publicum, uneingeschränkt der interpretation offen steht. Das öffentliche spektakel hat zwei aspekte. Der eine aspekt ist die provokation, die im ort des geschehens, der Kölner Dom während eines religösen aktes, ihren verstärker hatte(03), der andere aspekt sind die möglichen deutungen des satzes: ich bin gott.

Der satz: ich bin gott, hat zwei anknüpfungspunkte. Der eine anknüpfungspunkt ist Josephine Witt selbst. Sie ist das subjekt und  gott ist als objekt das prädikat. Der andere anknüpfungspunkt, d'accord mit den meinungen in der tradition, ist die behauptung, dass gott als schöpfer der welt das subjekt ist und Josephine Witt sein objekt, das geschöpf dieses gottes. Im gedoppelten anknüpfungspunkt können zwei positionen behauptet werden, die als begriff einen widerspruch markieren, zwei positionen, die als phänomene nur gegensätze sein können, den wechselseitigen ausschluss implizierend. Im gebrauch der formel: ich bin gott, ist Josephine Witt genötigt, sich zu entscheiden, den satz entweder als subjekt zu denken, die dinge der welt gestaltend, oder, das geschöpf eines gottes zu sein, als objekt gestaltet zu werden.

Das problem der entscheidung: entweder die eine oder die andere position - tertium non datur, ist in der logik des satzes: ich bin gott(=SaP), verortet(04). Der satz ist als existenzaussage des subjekts: ich, wahr(05). Für das subjekt des satzes, das individuum als ich, das von sich prädiziert, gott zu sein, ist der gott als prädikat das_andere und das_andere ist ein teil des ganzen, das, präsent in den dingen der welt, in keinem fall, wenn die differenz zwischen dem subjekt und dem prädikat behauptet wird, das ganze sein kann, das aber das ganze sein muss, wenn der terminus: gott, das ganze sowohl als begriff als auch als phänomen bezeichnen soll. Als bedingung des satzes: ich bin gott, ist die differenz: ich/gott, nicht aufhebbar, und wenn die differenz negiert wird(06), dann kann der satz: ich bin gott, nicht wahr sein, dass heisst, der satz ist gegenstandslos.

Es kann begründet vermutet werden, dass Josephine Witt, sich selbst als subjekt begreifend, die welt gestalten will. Die frage aber, was sie mit ihrer performance gestaltet hat, bleibt, von der gewollten provokation abgesehen, ohne antwort.
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Anmerkungen:
(01)

den spruch: I AM GOD, hatte die femen-aktivistin: Josephine Witt, als artikulation ihres protestes auf die entblösste brust gemalt, die Weihnachtsmesse im Kölner Dom 2013 störend. In bildern überdauert die aktion. Zwei photos in wechselnder perspektive sind mir als dokument der historia bekannt(*1).
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(*1)
quelle: DER SPIEGEL 1/2014, p.15, Frankfurter Rundschau 03.01.2014.   (01)<==//
(02)
der autor des satzes: I am God, ist, so wie die dinge stehen, nicht mehr ermittelbar. Das gegenwärtig heftig umstrittene problem des copyrights ist rechtlich entschieden(*1). Nicht entschieden ist das problem, das aufgeworfen ist, wenn der satz: I am God, als teil des bildes wahrgenommen wird und das als dokument der historia bekannt geworden ist(*2). Als factum der vergangenheit ist die performance im Kölner Dom ein dokument der historia, das als kistallisationskern der interpretation weder dem diskurs entzogen werden kann, noch im diskurs einschränkbar ist. Als leistung des reflektierenden subjekts ist das individuum als ich für seinen gedanken verantwortlich, gespiegelt in einem dokument der historia.
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(*1)
die frage nach dem recht am satz: ich bin gott, ist ein randproblem, aber die möglichkeit der zensur sollte nicht übersehen werden, wenn ein copyright behauptet werden könnte.
(*2)
die verwertungsrechte am bild sind ein anderes problem, das den juristen überlassen ist. Mein interesse gilt nicht dem bild, das ein umstrittenes event im Kölner Dom zum gegenstand hat, mein interesse ist allein auf ein fragment des geschehens fokussiert, das als satz kein bild sein kann.    (02)<==//
(03)
d'accord, die aktion im Kölner Dom war als provokation in szene gesetzt worden, um aufmerksamkeit für eine andere sache zu erlangen. Das werben um aufmerksamkeit ist im rahmen des rechts legitim und das handeln ist dann legal, wenn es mit dem gesetz kompatibel ist. Eine andere sache ist die schicklichkeit der provozierenden aktion(*1) und wieder etwas anderes ist die sache selbst, für die aufmerksamkeit eingefordert wird(*2).
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(*1)
über das, was sich gehört, kann ohne ende gestritten werden. Das, was provoziert, das ist die sensation im moment des augenblicks, die sensation nämlich, die überschrieben wird, wenn andere sensationen nachdrängen, das überschriebene der amnesie anheim fallen lassend.
(*2)
wenn die aussagen von Josephine Witt das maass sein sollen, dann lassen ihre aussagen im SPIEGEL-interview(+1) nicht erkennen, was ihre sache gewesen sein soll, für die sie um aufmerksamkeit gebuhlt hatte.
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(+1) DER SPIEGEL 1/2014, p.14/15.     (03)<==//
(04)
der satz, als logisches urteil in den blick genommen, lässt nur eine position zu. Über die andere position ist keine aussage möglich, weil diese aussage in der form der negation gefasst sein muss. Wenn der satz: ich bin gott, in der form einer existenzaussage gehändelt wird, raum und zeit unterliegend, dann formen die logisch möglichen positionen, wenn sie im moment der gelebten gegenwart wahrgenommen werden, nur gegensätze, über die vieles gesagt werden kann, auch sich ausschliessendes. Gemeinhin wird diese unterscheidung im diskurs nicht beachtet, munter wird drauflos argumentiert, um die sachen, die interessieren, passend zu machen. Das dürfte der springende punkt gewesen sein, warum das spektakel, den satz: ich bin gott, einschliessend, kontroverse reaktionen ausgelöst hatte.    (04)<==//
(05)
die unterscheidungen: wahr/unwahr und richtig/falsch, stehen über kreuz. Eine existenzaussage ist immer wahr, die verneinung der existenzaussage muss mit dem zeichen: nicht_wahr, kenntlich gemacht werden. Mit dem terminus: unwahr, wird eine falsche verneinung indiziert; denn das, was unwahr ist, das kann, gefasst in einer existenzaussage, nur wahr sein, so wie die lüge wahr ist, auch dann, wenn ihr gegenstand eine falsche aussage ist. Davon ist die unterscheidung der logik: richtig/falsch, abzugrenzen, die als konvention: wahr/falsch, unter den logikern gültig ist(*1).
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(*1)
diese unterscheidung habe Ich in verschiedenen argumenten geltend gemacht(+1).
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(+1)   //==>INDEX der argumente. Sichwort: logik.    (05)<==//
(06)
die theologen der monotheistischen religion wissen, dass ihr sprechen von gott an die differenz: subjekt/prädikat,(*1) geknüpft ist, sie wissen aber auch, dass diese differenz nicht mit dem begriff vereinbar ist, den sie als begriff von ihrem gott formuliert haben; denn, so steht's geschrieben, gott habe dem Moses gesagt: "Ich bin, der Ich bin",(*2). Das ist, logisch geurteilt, eine tautologie(SaS). Eine tautologische aussage aber kann den kreis der gewählten immanenz nicht überschreiten. Dieser kreis ist aber dann überschritten, wenn dieselben theologen behaupten, dass dieser gott sich zur schöpfung (der welt) entschlossen habe und die differenz: gott/schöpfung, mit seiner schöpfungstat affirmiert hat(*3).
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(*1)
das problem besteht auch, wenn gott sich als subjekt versteht und im schöpfungsakt das objekt, seine schöpfung, geschaffen hat. Erst im schöpfungsakt kann der gott sich selbst, das subjekt der handlung, als gott erfassen.
(*2)
Exodus 3.14, (szene am brennenden dornbusch).
(*3)
für gott kann seine schöpfung der welt nur das_andere sein.    (06)<==//
finis
stand: 14.11.04.
eingestellt: 14.04.21.
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