TEXTSAMMLUNG

das argument des monats
ausgabe: adm (42)08/23 // august/2023


Der begriff: recht, und die phänomene der rechte.

    Das, was damals recht gewesen war, das kann heute nicht unrecht sein - ein satz, der, bezugnehmend auf ein zitat(a), mit der gleichen logik umkehrbar ist: das, was heute recht ist, das war damals unrecht gewesen. Unrecht/recht und recht/unrecht scheinen auswechselbar zu sein, ad libitum, ein missverständnis, dessen anknüpfungspunkt die praxis in der jurisprudenz ist, der praxis nämlich, die die strikte trennung von begriff und phänomen, geleitet von interessen, mit vorsatz missachtet. Wenn es konsens sein soll, dass einerseits das recht ein rationaler diskurs ist, kategorisch vom bürger einfordert, und andererseits die rechte, mit eifer vom bürger verfolgt, die objekte der jurisprudenz sind, dann ist strikt zu unterscheiden zwischen dem, was der begriff: recht, zum gegenstand hat, und dem, was die rechte als phänomene sind. Der bürger muss darauf vertrauen können, dass im recht seine rechte geborgen sind. Im recht, die verknüpfung von begriff und phänomen, fixiert in der relation: begriff:_recht<==|==>phänomen:_rechte, müssen, begrenzt vom horizont der divergierenden interessen, verlässliche orientierungspunkte im gesellschaftlichen verkehr gesetzt sein, die das handeln aller, die es betrifft, leiten, dann, wenn der ausgleich der interessenskonflikte in der gesellschaft möglich sein soll.

    Es ist eine verstörende beobachtung, dass der begriff: recht, einerseits idealisierend überhöht wird, um die rechte des genossen andererseits kalkulierend beschneiden zu können(b). Die wechselwirkung zwischen der missachtung der realen rechte des einen und der überhöhnung des begriffs: recht, ist gegründet im bürger selbst, der, sich der logik der macht nicht entziehen könnend, in der gemeinschaft mit seinen mitbürgern versuchen muss, die interessen aller, die es betrifft, miteinander kompatibel zu machen, eingebunden in die mechanik der macht, über die jeder bürger in unterscheidbarer weise verfügen kann(c).

    Das, was als das recht bezeichnet wird, das ist real verortet in der sozialen beziehung zwischen zwei individuen, die sich als ich selbst geschaffen haben. Das individuum als ich: A, und sein genosse: B, sind in ihrer wechselseitigen relation: A<==>B, miteinander im recht verbunden, der vorstellung von recht nämlich, die sie autonom gesetzt haben, sich selbst absolut an ihre autonomene setzung bindend. Der kern dieser vorstellung von recht, das das individuum als ich: A, und sein genosse: B, zwischen sich gesetzt haben, ist das prinzip der anerkennung des anderen als der_andere(d). Diese anerkennung kann das individuum als ich, sein genosse eingeschlossen, nur ad personam leisten, die leistung nämlich, die der eine dem je anderen nicht abzwingen kann. Recht ist das, was der eine vom je anderen erwartet(e).

    Die rechte des individuums als ich und seines genossen, kodifiziert in den rechtsbüchern(f), sind als phänomene spiegelbilder der interessen, die der eine mit oder gegen den je anderen verfolgen kann. Es ist die logik der interessen, dass diese vorstellungen von rechten gegen den anderen als gegensätze einander sich auch ausschliessen können. Obgleich jedes denkbare interesse ein gegenstand des rechts sein kann, hat kein bestimmtes interesses für sich den status des rechts, es sei, es wird durch den akt der normsetzung arbitrativ festgestellt, was im einzelfall das recht sein soll, gefasst als anspruch des einen gegen den je anderen. Die positivierten rechte des einzelnen gegen die positivierten rechte des je anderen sind, dem ondit entgegen, nicht das recht, aber im begriff: recht, haben diese ansprüche das ordnungsmoment präsent, mit dem unterschieden wird, ob der einzelne anspruch rechtens sein kann oder nicht_rechtens ist.

    Im horizont dieser unterscheidung, geurteilt in der perspektive der historia, sind das problem nicht die fälle, die als faktum ein statuiertes positives recht als unrecht(=verbrechen) ausweisen, oder die als faktum die transformation alten unrechts in ein einklagbares recht dokumentieren, das problem ist die realität, in der faktisches unrecht schamlos als recht gehändelt wird und das einklagbare recht nicht einmal das papier wert ist, auf dem die vergewaltiger des rechts ihr beliebiges recht niedergeschrieben haben. 
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(a)
Ich entfalte mein argument im unmittelbaren bezug auf den satz, der als zitat dem "marinerichter" Hans Filbinger zugeordnet ist: "Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein". Dazu andernorts en detail(01).
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(01)   Richter,Ulrich: zitat des monats, zdm(36)11/14.   (a)<==// 
(b)
der gegenstand der verstörenden beobachtung ist der diskurs, der über die menschenrechte geführt wird. Alle, die es betrifft, behaupten, die menschenrechte zu verteidigen, aber das resultat dieser beteuerungen ist die reale geringschätzung der menschen, deren würde zu einem objekt der interessen gemacht worden ist, menschen, die, der macht unterworfen, nicht über die mittel der gegenwehr verfügen. Es ist ein skandal, dass an diesem misstand alle staaten beteiligt sind, die sich unter dem namen: Vereinte Nationen(UNO), versammelt haben. Kein besonderer grund zur aufregung sollte sein die missachtung der würde des menschen durch die "schurkenstaaten", weil das konstitutive element ihrer geschäftsmodelle die missachtung der menschenrechte ist, im machtpoker eine billige spielkarte. Der grund zur sorge ist, dass auch die staaten, die sich als demokratisch verstehen, sich am schäbigen poker mit den menschenrechten beteiligen und das glück der menschen als verhandlungsmasse missbrauchen, pars pro toto die migrationspolitik, die von den USA, der EU, und, nicht zu vergessen, der BRD, verfolgt wird.   (b)<==// 
(c)
es mag zutreffend sein, dass auch der übelste machthaber den willen hat, recht durchzusetzen, aber das, was der machthaber in der sozialem wirklichkeit real als rechte durchsetzen kann, das ist die faktische verneinung der rechte des je anderen. Der machthaber, in seinen gewalthandlungen sich selbst als subjekt entmächtigend und zu einem objekt degradierend, hat den anderen zu einem objekt gemacht und das band des rechts, das das individuum als ich und seinen genossen in ihrer sozialen beziehung verbindet, zerstört.(01) Die liste der verbrecher ist lang: Idi Amin(tot), Gaddafi(tot), Saddam Hussein(tot), Al Assad(Syrien, lebt noch), Putin(Russland, lebt noch), Xi Jinping(China, lebt noch) ... .    (c)<==// 
(d)
auf das prinzip: adaad_a, wird hier nur verwiesen, das konzept dieser idee wird andernorts en detail erläutert(01).
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(01) INDEX/register //==>stichwort: prinzip:_adaad_a .   (d)<==// 
(e)
die phänomenologie des rechts in den phänomenen der rechte kann hier dahingestellt bleiben.   (e)<==// 
(f)
die praxis der jurisprudenz wird vorausgesetzt und hier nicht weiter thematisiert.   (f)<==//   
finis

stand: 23.09.01.
eingestellt: 23.08.01.

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