TEXTSAMMLUNG
das argument des monats
ausgabe: adm (43)09/23 // september/2023  (blieb stehen bis 12/2023)

Die zeiterfahrung(*).

    Der traditionale begriff der zeit(a) wird im relationalen argument mit dem terminus: zeiterfahrung, markiert. Die gleichzeitigkeit der realen weltdinge im ungleichzeitigen und/oder, gefasst in einer anderen perspektive, die ungleichzeitigkeit der weltdinge im gleichzeitigen(b) erfährt das individuum als ich(c) im moment seiner gelebten gegenwart als einen strom von ereignissen, denen es sich nicht entziehen kann, ein strom, der als präzis benannter ort, keine orientierung vermittelt, es sei, das individuum als ich setzt seine orientierungspunkte, die den unablässigen strom der zeit einteilen in orte, bezeichnet mit den termini: gegenwart - vergangenheit - zukunft.

    Das traditionale modell der zeit ist der zeitpfeil: vergangenheit - gegenwart - zukunft. Die dreiteilung der zeit in orte wird im relationalen argument aufgegriffen, aber, die linear vorgestellte zeit ist umgedeutet in eine kreisbahn, die das individuum als ich in seiner existenz durchläuft, entweder, aus der vergangenheit kommend, durchschreitet es die gegenwart hin zur zukunft, oder, in der zukunft die bilder der vergangenheit träumend, die real werden sollen in der gegenwart und abgesunken sind in der vergangenheit, oder, in der gegenwart die facta der vergangenheit erinnernd, die das individuum, das ich seiend, als utopie einer erwarteten zukunft reflektiert. Vermittelt sind die orte der zeit: "gegenwart, zukunft und vergangenheit", im individuum als ich, das, sich im moment der gelebten gegenwart(=praesentia)(d) als ich fühlend und wissend, die facta der vergangenheit(=praeterita)(e) erinnert oder die projektionen in die zukunft(=futurum)(f) imaginiert. Allein im moment der gelebten gegenwart ist das individuum als ich real das individuum, das das ich sein will und das das ich auch ist. Die facta der vergangenheit, als dinge der welt real in den dokumenten der historia, sind vorstellungen(=imaginationen) des individuums als ich, die das individuum als ich im moment seiner gelebten gegenwart erinnert, und die, als facta der vergangenheit im gelebten moment der gegenwart erinnert, wieder absinken werden in die vergangenheit, als factum der vergangenheit, das, wenn das individuum als ich es will, in einem anderen moment der gelebten gegenwart wieder erinnert werden kann. Die projektionen in die zukunft, die das individuum als ich im gelebten moment der gegenwart als ein noch nicht imaginiert, sind vorstellungen, die als ein bald seiendes, angefüllt mit den erinnerten facta der vergangenheit, ein bild(=utopie) sind, das, angekommen im moment der gelebten gegenwart, in ein factum der vergangenheit transformiert ist, und das als factum der vergangenheit vom individuum als ich im moment der gelebten gegenwart wieder erinnert werden kann, der ein anderer moment sein wird(g). In diesem prozess der transformationen, vermittelt alleim im moment der gelebten gegenwart, konstruiert das individuum als ich seine zeit, die es in den erinnerungen der facta der vergangenheit und in den imaginationen der projektionen in die zukunft präsent hat. Im moment seiner gelebten gegenwart weiss das individuum als ich, dass seine existenz real ist(h).

    In der trialektik der zeit(i), seine relationen zu den orten der zeiterfahrung setzend, weiss sich das individuum als ich präsent in einem der möglichen orte der zeit(j), entweder im moment der gelebten gegenwart, wenn es über die vergangenheit und/oder die zukunft reflektiert, oder in der perspektive der facta der vergangenheit, wenn es die zukunft und/oder die gegenwart analysiert, oder in der perspektive der zukunft, wenn es träumt, wie die gegenwart sein sollte und/oder die vergangenheit gewesen war. Das individuum als ich kann, wenn es in einer position die beiden anderen positionen in einer relation fasst, seine relationen nur im horizont der je anderen position setzen, die das ausgeschlossenen dritte moment im schema ist. In raum und zeit sind, wenn das individuum als ich seine zeit als phänomen der erfahrung in den blick genommen hat, drei konstellationen möglich, die in einem bild zusammengefasst werden, drei mögliche situationen, die nicht identisch fallen können, jede situation für sich dargestellt in einem schema des trialektischen modus. Im fokus des bildes situiert ist das individuum als ich(k).

    Mit diesem modell der zeiterfahrung ist nichts darüber ausgesagt, was die zeit in ihrem sein ist, weil jede mögliche aussage des ontologen nicht über das hinauskommen kann, was in seiner perspektive die zeit sein soll. Das, was die zeit ist(l), das ist die zeit in der erfahrung des individuums als ich im moment seiner gelebten gegenwart(m).
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(*)
der text des essays ist eine vorabpublikation eines arguments, das im subtext einer anderen arbeit eingereiht ist, die noch in statu nasciendi ist. Der vorgelegte text ist eigenständig und steht im kontext mit den beiträgen, die Ich zum problem der zeit in der 92.ausgabe meiner homepage veröffentliche.(//==>) Die textfassung wird unverändert übernommen, die internen verweise sind gestrichen worden und die bibliographischen nachweise wurden für diese ausgabe formal angepasst.    (*)<==// 
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(a)
die erörterung der traditionalen zeitbegriffe beschränke Ich auf einen verweis. Vier lexika habe Ich konsultiert(01):
  1. Deutsches Wörterbuch(Wahrig). p.1457. (Die zeit als ein nacheinander; umfangreicher verweis auf den vielfältigen gebrauch des wortes: zeit)(02).
  2. dtv-lexikon. Bd.24, p.240-241. (Die Zeit ist ein kontinuierliches fortschreiten; ausführlich zum terminus: relative zeit, abgestellt auf den zeitbegriff in der physik)(03).
  3. Wörterbuch der philosophischen Begriffe. p.747-748. (Verweis auf die indogermanische sprachwurzel: teilen, abschneiden; ausführlich: Kant's begriff der zeit)(04).
  4. Historisches Wörterbuch der Philosophie. Bd.12, sp.1182-1262, (Übersicht über die theorien der tradition, eingeteilt in 9 kapiteln)(05).
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(01)
entweder wird im artikel zu wenig gesagt über das, was die zeit ist oder sein soll, oder es werden viele aspekte des begriffs: zeit, zitiert, die keinen knappen überblick über das verschaffen, was der homo sapiens mit den terminus: zeit, an vorstellungen verknüpft. Der kleinste gemeinsam nenner ist, dass die zeit in der verknüpfung mit dem raum die grunderfahrung des individuums als ich und seines genossen ist, wenn sie, jeder für sich, ihre existenz leben.
(02)   Wahrig,Gerhard: Deutsches Wörterbuch. Gütersloh: 1986.
(03)   dtv-Lexikon in 24 Bänden. München: 2006.
(04)
Wörterbuch der philosophischen Begriffe. Begründet von Friedrich Kirchner und Carl Michaelis, fortgesetzt von Johannes Hoffmeister, vollständig neu herausgegeben von Arnim Regenbogen und Uwe Meyer. Hamburg: 1998.
(05)   Historisches Wörterbuch der Philosophie. 13 Bde. Basel: 1971-2007.   (a)<==// 
(b)
der begriff: ungleichzeitigkeit, ist zentral in der ontologie Ernst Bloch's(01). Das, was als ein spiel mit der sprache erscheint, das ist die realität, in der das individuum als ich und sein genosse, jeder für sich, ihre zeit existenziell erfahren. Das kennzeichen dieser erfahrung ist einerseits die gleichzeitigkeit des ungleichzeitigen(02), andererseits die ungleichzeitigkeit des gleichzeitigen(03). Vergangenheit, gegenwart und zukunft kreuzen sich in der gegenwart, neues und altes im gemenge des alltäglichen. Gewiss sein kann sich das individuum als ich nur im moment der gelebten gegenwart, wenn es das vergangene und zukünftige trennt oder miteinander verknüpft. Weder kann die vergangenheit das maass sein noch ist es die zukunft, weil das individuum als ich es ist, das sein maass setzt, sich autonom entscheidend an seine entscheidung absolut bindend.
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(01)
Bloch,Ernst: Erbschaft dieser Zeit. Bd.4, p.104ff. Frankfurt am Main: 1977.
Zusatz.
Bloch's kritik der gesellschaft, reflektiert als phänomene der zeiten im moment der gelebten gegenwart, ist nicht gegenstand dieses essays und bleibt daher beiseitegestellt.
(02)
es ist ein merkwürdiges spektakel, wenn die ruinen der vergangenheit mit den verheissungen der zukunft konfrontiert werden, die im moment der gegenwart ineinander zerfliessen. Die scheinbare ungewissheit des künftigen steht unvermittelt neben der trügerischen gewissheit des vergangenen, gewiss ist nur der moment der gelebten gegenwart, der begrenzt ist vom noch nicht der zukunft und dem nicht mehr der vergangenheit.
(03)
das, was im zeitalter der technischen moderne ein raffiniert gestaltetes ding der welt ist, das ist ein mit sich identisches weltding, das in seiner wahrnehmung im moment der gelebten gegenwart einerseits als ein anderes erscheint, und das andererseits, wenn es in der echtzeit(=physikalische zeit) wahrgenommen ist, ein factum der vergangenheit sein muss, das als factum der vergangenheit in die vergangenheit abgesunken ist, und, wieder erinnert, in raum und zeit different erlebt wird. Auf dem planeten: erde, ist an jedem ort der welt zugleich mittag(=zenith der sonne) und wieder auch nicht, eine differenz, die in der reflexion, ungleiches gleich machend, mit konstruktionen überspielt wird, mit denen ein als ob des moments der gelebten gegenwart realisiert ist, das im nicht_gleichzeitigen die illusion einer gleichzeitkeit im moment der gelebten gegenwart zulässt(*1).
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(*1)
Ich denke, dass es nicht korrekt sein kann, diese illusion einer gleichzeitkeit im nicht_gleichzeitigen als einem irrtum zu klassifizieren; denn diese illusion ist notwendig, wenn von einem moment der gelebten gegenwart gesprochen werden soll, in dem die eigene existenz als real erfahren wird.    (b)<==//     
(c)
die gängige differenz, die der mensch zwischen sich und dem tier oder der pflanze gesetzt hat, kann mit dem begriff: zeit, zureichend demonstriert werden. Nur der mensch, das ist in der tradition konsens, ist fähig, den begriff: zeit, zu denken. Das ist eine behauptung, für die bis dato der empirische beweis noch nicht erbracht worden ist. Das, was an argumenten plausibel möglich ist, das ist beschränkt auf indizien, die den schluss zulassen, dass ausser dem homo sapiens(01) kein individuum der natur fähig sein kann, vorstellungen zu imaginieren oder zu denken, die mit dem begriff: zeit, vergleichbar sind, einerseits, weil bei den individuen der natur das system der nerven in unterscheidbaren graden nicht ausreichend ist, die komplexität der zeiterfahrung zu fassen, andererseits, weil es keinen code gibt, der den homo sapiens fähig machen könnte, mit den individuen der natur zu kommunizieren. Die frage, ob die individuen der natur die zeit erfahren können, ist empirisch nicht entscheidbar, aber, zugleich mit der feststellung dieser beobachtung ist ausgeschlossen zu behaupten, dass die individuen der natur nicht über formen der kommunikation verfügen, die mit der zeiterfahrung des homo sapiens vergleichbar sind(02).
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(01)
die behauptung, dass der mensch einen begriff von zeit habe, ist nur dann als rational ausgewiesen, wenn diese behauptung als das resultat eines gesetzten postulats interpretiert wird. Insofern ist der begriff: zeit, eine petitio prinzipii, mit der einige probleme der erkenntnis von welt zwar gelöst erscheinen, andere aber als offen stehen bleiben müssen. So war Kant verfahren, als er seine Kritik der reinen Vernunft verfasst hatte.
(02)
es sollte unterschieden werden, dass es etwas anderes ist, wenn die individuen in der natur durch physikalische prozesse gesteuert werden, die als phänomene der natur auf das individuum einwirken, so der wechsel von tag und nacht. Mit der differenz: hell/dunkel, werden eindeutig phänomene der physikalischen zeit markiert, aber Ich lasse es offen, ob dieser konstante wechsel von den individuen der natur auch als zeit wahrgenommen wird. Die physis der individuen reagiert nachweisbar auf diesen wechsel, die reaktionen der individuen werden vom homo sapiens als ereignisse in der zeit interpretiert. Insofern kann die hypothese einer zeitwahrnehmung der tiere und pflanzen nur eine projektion des homo sapiens sein - es kann der fall sein, und wenn es nicht der fall ist, dann ändert sich auch nichts.   (c)<==// 
(d)
der moment der gelebten gegenwart ist, d'accord mit der tradition, der fortschreitende punkt auf dem zeitpfeil in seiner bewegung aus der vergangenheit hin zu einer imaginierten zukunft. Das ist, neben allen anderen vorstellungen von der zeit, die vorstellung, die Ich von der zeit habe, eine vorstellung, die Ich allen, die es betrifft, unterstelle. In der perspektive der physikalischen zeit ist dieser imaginierte punkt, ohne ausdehnung im raum, exakt bestimmbar, aber mit dieser bestimmung ist nicht mehr gesagt als dies, dass im raum/zeit-kontinuum der moment der gelebten gegenwart ein punkt ist, der neben allen anderen möglichen raum/zeit-punkten verortet sein muss(01). Insofern kann der moment der gelebten gegenwart in meinem denken nur ein rechenstein sein, mit dem Ich mein kalkül der welterkenntnnis aufmache. In diesem punkt, einerseits imaginiert, andererseits real in der physischen existenz gelebt, habe Ich meine welt präsent, alle anderen orte, die denkbar sind, scheiden aus. Diese feststellung impliziert den gedanken, dass in der vergangenheit oder in der zukunft kein vergleichbarer ort möglich ist. Was Ich bin, das bin Ich im moment der gelebten gegenwart(02), anderes ist mir nicht verfügbar.

    Der gegenstand des begriffs: moment der gelebten gegenwart, ist eine vorstellung, die das individuum als ich imaginieren muss, wenn es sich als das ich, das es ist, erfahren will.  
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(01)
diese hypothese ist die bedingung dafür, dass in der astrophysik vom sogenannten urknall geredet werden kann, der, wie die astrophysiker es sagen, ca. 14mrd lichtjahre zurückliegen soll. Die urknalltheorie ist ein modell, das, begrenzt auf diese zeit(*1), brauchbare daten liefert, wie es gewesen sein könnte ... . Das genügt, um für einen limitierten ausschnitt im raum/zeit-kontinuum kausalitäten zu formulieren, mit denen die dinge der welt als geordnet erscheinen, die das individuum als ich, sein genosse eingeschlossen, im moment der gelebten gegenwart bewegen, jeder für sich. 
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(*1) die vorstellung der zeit im hypothetisch unterstellten moment des urknalls ist ein dilatierter moment der gelebten gegenwart, der (bequem) genutzt werden kann als rechenstein - und das genügt.
(02)
jenseits der grenze des moments der gelebten gegenwart ist für mich keine existenz denkbar(*1), das ist, gedacht im moment der gelebten gegenwart, der bereich des todes oder, formuliert in der kategorie der zeittheorien, die ewigkeit. Ich kann an der grenzlinie stehen, die die welt von der NATUR absolut trennt, intramundum sehe Ich vieles, extramundum nichts oder alles, al gusto, gesagt intramundum.
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(*1)
der glaube, dass es etwas jenseits der grenze gibt, ist etwas anderes. Der gegenstand des glaubens ist etwas, das für das individuum als ich nur im moment seiner gelebten gegenwart möglich ist, immer gedacht intramundum, extramundum intendiert.   (d)<==// 
(e)
das factum der vergangenheit ist ein ereignis, das, gelebt im moment der gelebten gegenwart, abgesunken ist in die vergangenheit, ein ding der welt, das in einem dokument der historia präsent ist. In der form eines dokuments der historia(01) wird jenes ereignis, in der zeit vergangen, vom individuum als ich in einem anderen moment seiner gelebten gegenwart wieder erinnert, dieses gewesene ereignis in ein anderes ereignis transformierend. Strikt zu unterscheiden sind einerseits das ereignis, ein factum der vergangenheit als ein reales objekt der erinnerung, andererseits das ereignis, als factum der vergangenheit identisch mit sich, in den formen der imagination, mit denen das individuum als ich das ereignis erinnert, real ausgerichtet an den dokumenten der historia. Die rede ist wörtlich zu nehmen, dass das, was vergangen ist, vergangen ist, weil im moment der gelebten gegenwart jeder akt der erinnerung an etwas vergangenes ein realer akt ist. Der akt der erinnerung ist ein neues, ein anderes ereignis(02).

    Es sind die historiker, die, vermittelt in den dokumenten der historia, ihre erzählungen über das formulieren, was einmal gewesen war und das in ihrer erzählung gewesen sein soll(03). Es ist ein irrtum zu glauben, dass das, was als die historische wahrheit ausgegeben wird, das gewesen sein kann, das in dem vergangenen moment der gelebten gegenwart das reale ereignis gewesen war. Jede erinnerung eines ereignisses, real gewesen im moment einer gelebten gegenwart, unterliegt der transformation, die das individuum als ich präsent hat, wenn es im moment seiner gelebten gegenwart jenes ereignis der geschichte als ein wieder erscheinendes ereignis erinnert. Für sich ist das erinnerte ereignis ein anderes, ein neues ereignis. So ist die rede zu verstehen, das die geschichte sich nicht wiederholen kann.
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(01)
jede erinnerung eines historischen ereignisses, als objekt real in den dingen der welt, den dokumenten der historia, ist gebunden an ein reales individuum, das das ich ist, das es sein will(*1). Die zeugnisse des ereignisses sind, wie man sagt, entweder reale objekte, oder es sind geschichten, die erzählt werden, zusammengefasst unter dem terminus: dokument der historia. In dieser situation hat das dokument der historia die funktion eines belegs, der als das ausgeschlossene dritte moment in der relation zwischen dem individuum als ich, das sich erinnert, und jenem ereignis in der historia, das erinnert wird, darauf beschränkt ist zu vermitteln, was das individuum als ich in der erinnerung des ereignisses sich präsent macht(*2). Das individuum als ich deutet das real vorliegende dokument der historia als das zeugnis des erinnerten ereignisses, aber das dokument der historia ist, wenn es von einem individuum als ich in einem anderen moment der gelebten gegenwart wahrgenommen und erinnert wird, nicht jenes ereignis, identisch mit sich. Insofern ist die rede zutreffend, dass ein gewesenes ereignis in der zeit nicht wiederholbar sein kann, aber als factum der vergangenheit wird im akt des erinnerns im moment der gelebten gegenwart jenes ereignis immer wieder wiederholt(*3), diese wiederholung von etwas, das gewesen war, ist etwas anderes. 
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(*1)
im moment seiner gelebten gegenwart ist das individuum als ich real - es lebt diesen moment. Davon abzugrenzen ist das individuum, das ein ich gewesen war und als person der historia weiter die agenda des weltgeschehens zu bestimmen scheint. Es ist eine konvention, wenn in den erzählungen über die res gestae die handelnde person redet, so als sei ihr moment der gelebten gegenwart wieder präsent geworden. Auch dann, wenn ein zitat instrumentalisiert wird, spricht nicht der grosse Caesar über das weltgeschehen, sondern es spricht der historiker, der dem Caesar ein zitat in den mund legt, so, als sei das zitat in statu nasciendi des moments der gelebten gegenwart, richtig oder falsch, dem Caesar zugeordnet.
(*2)
das argument in einer graphik wiederholt:
graphik: 1

                   

(*3)
das ist der sinn jener spektakel, wenn eine historische schlacht mit platzpatronen, viel dampf und lärm, periodisch wiederkehrend, nachgestellt wird - ein spiel, was einmal ein kampf gewesen war.     (e/01)<==// 
(02)
als ereignis ist das geschehen, abgesunken in die vergangenheit, im moment der gelebten gegenwart kein problem der vergangenheit; denn das, was geschehen ist, das ist geschehen, und das geschehene kann nicht verändert werden(*1), eine binsenweisheit, die falsch ist, weil die vergangenheit ein problem in der gelebten gegenwart ist. Mit jedem erinnerten ereignis, belegt mit den dokumenten der historia, die sind, was sie sind, wird die vergangenheit neu geschrieben, und das, was als eine unverbrüchliche wahrheit gehändelt wird, das ist eine erzählung über ein ereignis, von dem nicht einmal gewiss sein kann, dass es ein ereignis gewesen war - nicht geschehen, aber gut erfunden und brauchbar für den verfolgten zweck(*2). Die historische wahrheit ist eine konvention, die dann nützlich sein kann, wenn die welt, interessengeleitet erfahren, mit den bildern der vergangenheit neu geordnet werden soll. Die feststellung der historischen wahrheit ist ein prozess, der sich, fundiert in den facta der vergangenheit, im moment der gelebten gegenwart ereignet und im ereignis schon ein factum der vergangenheit ist.
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(*1)
es sollte unmissverständlich differenziert werden, dass die manipulationen am dokument der historia etwas anderes sind(+1) als das zurechtbiegen der deutung eines ereignisses, das erinnert wird(+2). Für sich sind die verfahren: geschichtsklitterung und geschichtsfälschung, kein problem des erinnerns, weil in jeder erinnerung das erinnerte im  moment der gelebten vergangenheit neu bestätigt werden muss. Diese verfahren werden erst dann zu einem problem, wenn die veränderungen, situiert im moment der gelebten gegenwart, interessengeleitet vorgenommen werden. Die kritisierten veränderungen im narrativ eines historischen ereignisses sind allein im moment der gelebten gegenwart möglich, wenn der akt der veränderung vorgenommen wird mit dem ziel, eine neue erzählung zu schaffen, die die alte erzählung ersetzen soll. Geschichte als neu zu erfinden ist nicht vergleichbar mit der dokumentation der historia, die res gestae des individuums als ich und seines genossen.
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(+1) der fälscher der geschichte verändert physisch das dokument der historia, identisch mit sich, um das dokument der historia als beleg für seine deutung passend zu machen. Mit der arbeit eines historikers, der versucht festzustellen, was faktisch geschehen war, ist dieses procedere nicht vereinbar.
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(+2) die anpassung der deutung eines dokuments der historia, gemeinhin mit dem terminus: geschichtsklitterung, bezeichnet, ist der versuch, die dokumente der historia so in die deutung eines historischen ereignisses einzupassen, dass das argument stimmig ist. Manipuliert wird das erzählte, und es ist schwierig festzustellen, was eine akzeptierte deutung des ereignisses ist und was nicht.  
(*2)
mit jedem zitierbaren fall kann dieser zusammenhang demonstriert werden, pars pro toto, der Rütlischwur der eidgenossen im 13.jahrhundert. Es kann sein, das ist umstritten, dass es damals ein vergleichbares ereignis gegeben hatte, als gründungsakt des staats: Schweiz, interpretiert ist die heutige diskussion des ereignisses bestimmt durch Friedrich Schiller's erzählung, seinem schauspiel: Wilhelm Tell, das mit jeder aufführung des stückes auf der bühne das ereignis neu präsent macht.     (e/02)<==// 
(03)
die geschichten, erzählt von den historikern, haben in den dokumenten der historia ihren gegenstand, aber, das, was die historiker als etwas vergangenes erzählen, das ist gegenwart. Es sind geschichten, die in jedem moment der gelebten gegenwart wieder und wieder das vergangene, gesichert mit den dokumenten der historia, transformiert bewahren. Diese transformationen sind bilder, die in der erinnerung für sich real sind, präsent im moment der gelebten gegenwart als imaginationen einer realität, die im moment der gelebten gegenwart nicht die realität des vergangenen ist und als eine andere realität erscheint. Dieser zusammenhang sollte präsent sein, wenn im moment der gelebten gegenwart über die "wahrheit" eines historischen ereignisses gestritten wird, auch dann, wenn ein zweifel an den dokumenten der historia nicht geäussert wird.     (e/03)<==//    (e)<==//    
(f)
die projektionen in die zukunft sind konstruktionen, die das individuum als ich im moment seiner gelebten gegenwart geschaffen hat, komponiert aus den erinnerten facta der vergangenheit(01), imaginationen, die eine realität spiegeln, die real sein soll im horizont des gegenwärtigen, ausgemalt in bildern, die, wenn sie im moment der gelebten gegenwart wahrgenommen und reflektiert werden, als factum der vergangenheit in diese abgesunken sind. Das individuum als ich will mit diesen bildern die trennung des gewesenen und des künftigen aufheben und im moment der gelebten gegenwart in dauer halten, eine anstrengung, die nicht gelingt, weil es den moment der gelebten gegenwart nur als einen imaginären punkt erfahren kann, den das individuum als ich transitorisch durchläuft. Es ist ein merkwürdiges phänomen, dass einerseits die gegenstände der projektionen in die zukunft erinnerte facta der vergangenheit sind, die andererseits in der projektion in das noch nicht als ein nicht mehr, eben ein factum der vergangenheit, wahrgenommen und reflektiert werden(02). In dieser konstruktion können die projektionen, unabhängig davon, was ihr gegenstand ist, im moment der gelebten gegenwart nicht als diese bestimmte projektion realisiert werden, weil der moment der realisation ein transitorisches ereignis ist, das, gleichwohl ein element der zeiterfahrung seiend, keine dauer hat, weder raum noch zeit unterliegend(03). 
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(01)
in der tradition werden diese konstruktionen mit dem terminus: utopie, bezeichnet(*1).
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(*1)   //==> anm.: (g).
(02)
in diesem mechanismus ist verortet, dass eine utopische vorstellung, was immer sie auch sein mag, im moment der gelebten gegenwart nicht 1:1 realität werden kann. Jedes utopische bild, real vorgestellt, ist im moment der gelebten gegenwart bereits ein factum der vergangenheit. Obgleich der blick des individuums als ich in die zukunft gerichtet ist, hat das individuum als ich diese zukunft im moment der gelebten gegenwart allein in den facta der vergangenheit präsent, erinnert in bildern. Es ist eine illusion, die zukunft sich in bildern als real vorzustellen, weil, wenn diese vorstellungen, imaginiert unter den bedingungen von raum und zeit, wahrgenommen und reflektiert werden, bilder einer vergangenen wahrnehmung und reflektion sind. Das ist demonstrierbar mit jeder utopie, die im diskurs der gegenstand der debatten ist. Der gegenstand der utopie, die die gerechtigkeit in der welt zum gegenstand hat, ist die reale erfahrung der ungerechtigkeiten in der gesellschaft im moment der gelebten gegenwart(*1).
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(*1)   in dieser perspektive sollte Bloch's schrift: Geist der Utopie, rezipiert werden. 
(03)   das bild der utopie zeigt immer ein gewesenes ereignis.   (f)<==// 
(g)
die theorien über die utopie als begriff und/oder als phänomen können als gegenstände der historiker beiseite gestellt bleiben(01). Es sollte aber nicht übersehen werden, dass in der erkenntnis der weltdinge jeder denkbaren utopie eine wichtige funktion zugeordnet ist. Im sinn dessen, was sein soll, ist jeder utopische gedanke das vermittlungsmoment, das das individuum als ich nutzt, wenn es versucht, seinen ort in der gesellschaft(=welt) zu bestimmen. Das utopische bild einer möglichen welt ist der richtungsweíser, der dem individuum als ich den weg weist und sein ziel ausmalt. Dieser aspekt sollte nicht ignoriert werden.
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(01) das ist im kontext dieser arbeit ein seitenthema, das nicht vernachlässigt werden darf und als selbstständige analyse und reflektion gehändelt werden sollte. Es genügt, auf Ernst Bloch und seinem geist der utopien zu verweisen.  
(g)<==// 
(h)
der gedanke, dass das individuum als ich sich im moment der gelebten gegenwart als existent weiss, den tod als seinsweise ausschliessend(01), ist mit den traditionalen zeitbegriffen nicht vereinbar(02). Der raum und die zeit haben kein sein, das jenseits der existenz des individuums als ich möglich wäre, und das, was die ontologen über das sein von raum und zeit immer wieder sagen, das ist ein sprechen intramundum über das, was sie in der theorie extramundum verortet haben. Das sprechen über raum und zeit ist als imagination(=vorstellung) des individuums als ich ein reden intramundum.
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(01)
es ist etwas anderes, wenn die lebenden über den tod des genossen sprechen. Der verstorbene genosse ist tot, zurückgefallen in den zustand der materie, und das, was die nachlebenden intramundum über den toten genossen noch prädizieren, das kann den toten nicht mehr berühren.
(02)   //==> anm.: (m). /  (h)<==// 
(i)
d'accord mit den konventionen der tradition sind für die modi der zeit im gebrauch die termini: 
    1. moment der gelebten gegenwart (=gegenwart, praesentia),
    2. factum(01) der vergangenheit (= vergangenheit, praeterita),
    3. projektion in die zukunft (=zukunft, futurum).
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(01)
die orthographie ist zu beachten, weil das faktum im moment der gelebten gegenwart kein factum der vergangenheit ist, gleichwohl das faktum der gegenwart, wenn es ein ereignis im moment der gelebten gegenwart gewesen war, als ein factum der vergangenheit wieder erinnert werden kann.   (i)<==// 
(j)
analog zu den termini der zeit werden die modi des raumes mit den termini: "hier, da und dort", bezeichnet. Das schema im trialektischen modus ist analog dem schema der zeit geformt(01). Mit den kategorien des raumes ausgedrückt erscheint die zeit als versteinert.
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(01)
das argument in einer graphik wiederholt:
graphik: 2

  
  (j)<==// 
(k)
das argument in einem bild wiederholt:
bild: 1
 
 
  (k)<==// 
(l)
zu verweisen ist auf Augustinus, für den die zeit ein problem der schöpfung gottes gewesen war(01). Die ewigkeit gottes auf der einen seite(02), auf der anderen seite die zeit im moment der gegenwart, situiert zwischen vergangenheit, die nicht mehr ist, und der zukunft, die noch nicht sein kann(03). Das problem ist, dass im begriff des allumfassenden seins, gefasst mit dem terminus: ewigkeit, das seiende und das nichtseiende als identität gefasst sind. Augustinus entfaltet diesen gedanken als moment seines glaubens. Darin hat er recht, dem andere folgen können, wenn sie folgen wollen, und wenn nicht? - dann ändert dies auch nichts(04). 
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(01)
Augustinus sagt: "Was ist also Zeit? Wenn mich niemand danach fragt, weiß ich es; will ich einem Fragenden es erklären, weiß ich es nicht".(*1)
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(*1)   Augustinus: Bekenntnisse. buch 11, p.629. Frankfurt am Main: 1987.
(02)
Augustinus sagt: "Herr, Dein ist die Ewigkeit".(*1)
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(*1)    a.a.O. buch 11/p.603
(03)
Augustinus sagt: "Aber zuversichtlich behaupte ich zu wissen, dass es vergangene Zeit nicht gäbe, wenn nichts verginge, und nicht künftige Zeit, wenn nichts herankäme, und nicht gegenwärtige Zeit, wenn nichts seiend wäre".(*1)
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(*1)   a.a.O. buch 11/p.603. (unmittelbar anschliessend an das zitat, anm.: (01))
(04)
in der perspektives des seienden hat Augustinus das problem der zeit in seinen reflektionen über den staat gottes wieder aufgegriffen(*1).
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(*1)   Augustinus: Vom Gottesstaat. buch: XII, kap.11-21. München: 2007.   (l)<==// 
(m)
als teil der erfahrung bleiben die zeittheorien unberührt, die einerseits die physik der zeit zum gegenstand haben, andererseits die zeit als historia, eingeschlossen die zeit als ein soziologisches phänomen(01). Diese theorien, das problem des begriffs: zeit, vor die klammer setzend(02), werden im ontologischen argument und im relationalen argument unterscheidbar gehändelt. Das ontologische argument behauptet die physikalische zeit(=raum/zeit) als ontische wahrheit, das ist im relationalen argument zu bestreiten, gleichwohl die physikalische raum/zeit ein vernünftiges modell ist, an dem sich alle, die es betrifft, in ihrer welt orientieren können. Diese zeit ist real, gesetzt vom individuum als ich in den relationen mit den momenten: "gegenwart, vergangenheit und zukunft", ausserhalb dieser relationen sind raum und zeit irrelevant.
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(01)
in der soziologie spricht man von einem zeitregime des menschen. Gemeint ist die zeit als ein phänomen der gesellschaft, so in der unterscheidung: arbeitszeit/freizeit. In diesen theorien ist die zeit in den unterscheidbaren modi ein rechenstein, der jedes kalkül als richtig oder falsch ausweist.
(02)
das problem dieser zeittheorien ist der anfang und/oder das ende der zeit. Das, was jenseits des endes und/oder des anfanges liegt, das ist terra incognita und kann das nicht stören, was diesseits als anfang oder als ende gesetzt ist.   (m)<==//  
finis

stand: 24.01.01.
eingestellt: 23.09.01.

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