TEXTSAMMLUNG
Das fragment des monats

ausgabe (053)/53//2025/ fdm/25.053/ mai/2025


Die furcht gottes.
Der geglaubte gott und die logik seiner imaginination.

    Auf den t-shirt des junges mannes in Tiflis(Georgien) war zu lesen: "essentials fear of god"(a). Das ist eine botschaft, die, öffentlich geäussert, ein phänomen der gegenwart ist, einerseits, weil es en vogue ist, sich ad libitum zu etwas zu bekennen, andererseits, weil es eine kundgebung sein kann, die im politischen diskurs (noch) sanktionsfrei coram publicum geäussert werden kann(b).

    Der text: essentials fear of god, ist die verkürzte wiedergabe eines gedankens, der in der perspektive der grammatik mannigfaltige auslegungen öffnet. Eine der möglichen auslegungen könnte sein, dass es existenziell unabdingbar sei, gott zu fürchten; eine andere auslegung dürfte sein, dass es notwendig ist, als bedingung der eigenen existenz die furcht vor dem (allmächtigen) gott in das kalkül des eigenen lebens einzubeziehen; auch ist die auslegung zu erwägen, dass mit den "essentials" das interesse verknüpft wird, die "furcht gottes" zu instrumentalisieren, um einen bestimmten zweck erreichen zu können(c).

    Ich greife den fall mit der botschaft auf dem t-shirt auf und erörtere zwei aspekte des textes:
  1. die frage nach der wichtigkeit des gesagten. Was also sind oder sollen die essentials der existenz des individuums als ich sein? Dieser frage kann keiner ausweichen und jeder gibt seine antwort.
  2. die frage nach dem, was die "furcht des gottes" ist und/oder sein solle, eine frage, die zwei antworten evoziert, einerseits die antwort: die furcht des (geglaubten) gottes, andererseits die antwort: die furcht vor dem (geglaubten) gott.
Die 1.frage zielt ab auf die interessen, die das individuum als ich, sein genosse eingeschlossen, in der realisierung seiner existenz verfolgen kann und muss. Der junge mann in Tiflis hatte sich entschieden und er machte öffentlich kund, was für ihn wichtig ist und was nicht - ihm ist der gott wichtig, an den er glaubt. Er hätte sich auch anders entscheiden können, pars pro toto, für seinen fussballclub(d). Seine entscheidung für den gott, an den er glaubt, ist ein faktum, und das ist, ihm respekt zollend, zur kenntnis zu nehmen. Das problem seiner öffentlichen kundgebung aber ist die frage nach dem interesse, das er verfolgt, weil er mit seiner kundgebung eine frage gestellt hat, auf die exakt soviele antworten möglich sind, wie es menschen gibt, die, jeder für sich, fähig sind, sich zu entscheiden, was für sie als das individuum, das ich seiend, wichtig ist und was nicht. Das spektrum der interessen ist unübersehbar weit und die frage nach der furcht des gottes ist eine mögliche antwort.

    Mit dieser erklärung ist der anknüpfungspunkt für die 2.frage gesetzt. Die formel: fear of god, wörtlich übersetzt: die furcht des gottes, ist zweideutig. Der grund ist verortet in der unterscheidung: genitivus objectivus und genitivus subjectivus,(e), weil die aussage: furcht des gottes, nicht die aussage: furcht vor diesem gott, sein kann. Diese differenz muss beachtet werden; denn der formel: fear of god, ist kein argument zu entnehmen, mit dem entscheidbar wäre, welchen blick das individuum als ich, sein genosse eingeschlossen, auf den geglaubten gott werfen soll.

    Was also soll das argument sein, mit dem unterschieden werden kann und entschieden wird, ob die aussage: furcht des gottes, das moment der gesetzten relation: individuum_als_ich<==|==>fear_of_god, ist, oder, ob das moment die aussage: furcht des gläubigen vor seinem gott, sein soll. Der gott selbst kann, geurteilt in der perspektive des relationalen arguments, das moment der unterscheidung nicht sein, gleichwohl die meinung der tradition wirksam ist, dass es der alles umfassende gott selbst sein muss, auf den die furcht des individuums als ich fokussiert ist. Konträr zur meinung in der tradition ist das individuum als ich in den blick zu nehmen, das den geglaubten gott als objekt verfügbar hat, einen gott, der als der gott des glaubenden in der vorstellung des individuums als ich einerseits der gott ist, besessen von seiner angst vor der eigenen schöpfung, und den das individuum als ich in seiner vorstellung andererseits als seinen gott in der ganzen machtfülle fürchtet.

    Das sind zwei sachverhalte, die in raum und zeit strikt unterschieden werden müssen, weil die struktur des relationalen arguments nicht mit der struktur des ontologischen arguments, dominant in der tradition, kompatibel ist. Der grund für die inkompatibilität der argumente ist, dass dem individuum als ich der geglaubte gott allein in der vorstellung präsent sein kann, die das individuum als ich in seinem forum internum imaginiert(f). Wenn dieses argument als prämisse akzeptiert ist, dann ist die conclusio des möglichen schlusses zwingend, dass es entweder das wissen des individuums als ich sein muss, das sich einen gott vorstellt, der von furcht(=angst) vor seiner eignen schöpfung und seinen geschöpfen getrieben ist, oder, dass es das individuum als ich selbst ist, das angst hat vor seiner vorstellung des gottes, an den es glauben will.

    Das sind zwei folgerungen, die, entäussert auf dem forum publicum, zueinander gegensätze sind, gegensätze, die sich wechselseitig nicht ausschliessen, mit denen aber das individuum als ich konfrontiert ist, sich genötigt wissend zu entscheiden zwischen den gegebenen möglichkeiten, das eine oder das andere wählend, um mit der gewählten möglichkeit eine neue realität zu schaffen.
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(a)
gesehen im oktober 2024. Solche bekenntnisse sind an vielen orten in der welt und zu verschiedenen zeitpunkten gegenwärtig. Es sind alltagsphänomene, die, wenn sie reflektiert werden, eine vielzahl von
perspektiven öffnen.       (a)<==//  
(b)     den politischen aspekt der botschaft verfolge Ich hier nicht.       (b)<==//   
(c)
in der logik einer theologie ist die instrumentalisierung der "furcht gottes" ein systemisches moment. Immer dann, wenn die theologen ihre macht über die gläubigen behaupten wollen, predigen sie die "furcht gottes", weil sie wissen, dass die angst vor den strafenden gott den gläubigen gefügig macht - gebrauchbar für die eigenen interessen.       (c)<==//  
(d)     die phänomenologie der möglichen wahloptionen ist unüberschaubar.       (d)<==//  
(e)
die unterscheidung: genetivus objectivus/genitivus subjectivus, ist ein problem der logik(=sprache). Ich belasse es bei dieser notiz.       (e)<==//  
(f)
mein text: Gott, der geglaubte, ist eine vorstellung des individuums als ich. //==> fdm/24.037.       (f)<==//    
finis

stand: 25.06.01.
eingestellt: 25.05.01.
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