TEXTSAMMLUNG
zitat des monats
ausgabe: 04/03 - april-juni/2003

text:

Einen gerechten Krieg zu führen ist ein Akt christlicher Nächstenliebe. Das Böse muss bestraft, das Gute belohnt werden. Die Zeit für Gewalt ist gekommen.
 

Richard Land, Präsident der Kommission für Ethik und Religionsfreiheit bei den Südstaaten-Baptisten.
zitiert nach: Der Spiegel, 8/2003,p.99 (zitat in der titelgeschichte: "In göttlicher Mission". Der Kreuzzug des Georg W. Bush, p.90-99)


kommentar:

das zitat ist ein gedoppeltes; Ich habe es einem artikel entnommen, dessen autor(en) es als ein isoliertes zitat in ihr argument eingefügt haben. Daher ist eine gewisse skepsis geboten, das zitierte zitat als ein isoliertes argument zum gegenstand einer reflexion zu machen. Aber Ich kann geltend machen, dass jedes zitat, wie ein aphorismus, ein eigenes gewicht hat, das zumindest ein anstooss für reflexionen sein kann, der an dem wortlaut des textes und seiner semantik anknüpft.

Es ist eine eigentümlichkeit von glaubensüberzeugten, heute spricht man postmodern von fundamentalisten, dass sie al gusto die logik umbiegen und ihre heiligen schriften zu steinbrüchen umfunktionieren, denen sie die passenden versatzstücke entnehmen. Es gibt keine gerechten kriege, oder wie einige in blasphemischer überhebung sagen: heilige kriege - es gibt nur gewalt, und Ich bestreite nicht, dass die phänomenologie der gewalt in der bekannten geschichte von der steinschleuder bis zur atombombe alles aufbietet, das das herz "der guten" in wallung versetzen kann, wenn es gegen "die bösen" geht. Aber wer ist "der gute", der legitimiert mit christlicher nächstenliebe "den bösen" bestrafen kann, nein: bestrafen darf, schlimmer noch: bestrafen muss, um dafür bartstreichend seinen lohn einzuziehen? Selbstredend ist "der böse" immer der andere, der glaubensüberzeugte kann nur "der gute" sein, so wie der heilige Georg (und einige andere heilige, die viel von gewalt verstanden haben, solange sie sich als die stärkeren fühlen konnten, bis sie als sogenannte märtyrer auf der kehrseite der medaille endeten). Aber was ist das, das den heiligen Georg als "den guten" und nicht als "den bösen" auszeichnet? Die antwort - eine leerstelle oder die tautologie: ... eben, weil er "der gute" der gute ist. Und da ist noch der dritte satz im zitat, dem eine gewisse stringenz nicht zu bestreiten ist. "Der gute" ruft die gewalt an zu entscheiden, wer "der böse", wer "der gute" ist - oder ist es "der böse"?  Die gewalt aber folgt nicht der logik zivilisierter gesellschaften, seien diese nun christlich, muselmanisch oder sonst einer ethischen überzeugung folgend bestimmt. Die beschwörung der gewalt ist ein rückfall in atavistische denkstrukturen, die die stifter der grossen religionen überwinden wollten. Ihre nachfahren, selbsternannte eiferer und bornierte ideologen, zerstören dieses erbe, wenn sie behaupten, dass es nur mit gewalt zu bewahren sei. Worin kann also die differenz festgemacht werden, die die terroristen des wortes und die terroristen der waffen aller lager unterscheidet? - Ich kann keine differenz kenntlich machen und das macht die christlichen fundamentalisten mit den muselmanischen beliebig austauschbar - ihre götter haben einen namen: gewalt.
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siehe auch: argument des monats: 07/01: die gewalt und der begriff des politischen.
 

stand: 03.07.01.

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