TEXTSAMMLUNG
das argument des monats
ausgabe: (26)11-12/2011  november-dezember/2011
(blieb stehen bis 09/2012)

Der markt als begriff und die phänomene der märkte.
Die realität der märkte im blick der analyse und der synthetisierenden reflexion.

 
Es genügt, die bühne der politik in den blick zu nehmen, um festzustellen, dass ein terminus konjunktur hat, der, obgleich zur urgeschichte der menschen gehörend, neueren datums ist. Wie ein star beherrscht der terminus: markt, die politische bühne, ein terminus, der, kombiniert mit anderen termini, auf den bühnen der gesellschaft eine vielzahl von weltdingen bezeichnet, die dem individuum als ich und seinem genossen zur hand sind, dinge der welt, denen sich das individuum als ich und sein genosse auch dann nicht entziehen können, wenn sie die situation der gesellschaft, bezeichnet mit diesen termini, als absurd einschätzen. Aus der menge der möglichen kombinationen wähle Ich, durchaus einem plan folgend, drei termini aus, mit denen die sozialbeziehungen fixiert werden können, die für das individuum als ich und seinem genossen dann konstitutiv sind, wenn sie in der gemeinsam geteilten welt miteinander/gegeneinander über die gegenstände ihrer ökonomischen existenz kommunizieren. Diese termini sind zum einen der markt, zum anderen die soziale marktwirtschaft und schliesslich der terminus: der moderne finanzmarkt.

Mit den ausgewählten termini werden phänomene der sozialen wirklichkeit benannt, die als phänomene mit begriffen unterschieden werden, die mit denselben termini bezeichnet sind(01). Wenn mit diesen termini die realität sozialer beziehungen in den analytischen blick genommen wird, dann ist strikt zu unterscheiden, ob der diskurs, der zugleich auch eine synthetisierende reflexion ist(02), auf der argumentebene der begriffe geführt wird oder auf der argumentebene der phänomene, auf beiden argumentebenen mit termini operierend, die eine verknüpfung anzeigen, deren verknüpfung weder aus dem begriff für sich ableitbar ist, noch aus den phänomenen für sich, und auch nicht aus den termini selbst, die als selbsterklärend erscheinen.

Was also steht zur debatte?

Im fokus der reflexion funkelt der begriff: markt. Die begriffe: soziale marktwirtschaft und moderner finanzmarkt, sind, folgt man der traditionalen einteilung der begriffe, unterbegriffe des oberbegriffs: markt.

Was also ist das, das mit dem terminus: markt, bezeichnet wird? - eine konvention, die, wenn das individuum als ich und sein genosse über die weltfragen der ökonomie miteinander kommunizieren, dem individuum als ich ebenso vertraut ist wie dem genossen, jeder für sich, phänomene, die in der realität aber unterschiedlich erfahren werden. Auf dem markt, so heisst es, tauschen beide, das individuum als ich und sein genosse, jeder für sich, die dinge der welt miteinander/gegeneinander aus. Was der eine besitzt, das möchte der andere besitzen, und wenn beiden das geschäft vorteilhaft erscheint, dann wird der besitz der sache ausgetauscht. Im tausch des besitzes wird die sache, betrachtet für sich, nicht verändert und, so scheint es, auch die am tausch beteiligten sind, was sie sind, allein geändert wurde das recht an der sache, real ausgeübt als besitz der sache(03). Was der eine besessen hatte, das besitzt nun der andere, und das, was der eine noch nicht besitzt, das kann er vom anderen als besitz begehren. In dieser perpektive ist der markt der ort, an dem der austausch des rechts auf besitz einerseits möglich sein soll andererseits ereignis ist(04).

Wie aber werden die besessenen weltdinge zum beiderseitigen vorteil des individuums als ich und seines genosse miteinander/gegeneinander getauscht? Zumindest im prinzip sollte unstreitig sein(05), dass ein tausch(06) nur dann behauptet werden kann, wenn die partner im tausch, jeder für sich, der überzeugung sein können, ein vorteilhaftes geschäft gemacht zu haben(07). Aber das, was sowohl für den einen als auch für den anderen vorteilhaft sein muss, das können allein das individuum als ich und sein genosse, bestimmen, jeder für sich, bestimmungen, die in der logik der kausalität definiert sind, die das individuum als ich und sein genosse, jeder für sich, autonom gesetzt haben(08). Folglich kann, definiert im begriff, der markt in den vorstellungen des individuums als ich und seines genossen als ort des austauschens von weltdingen, kein beliebiger ort sein, sondern es ist für das individuum als ich und seinem genossen ein notwendiger ort, dessen funktion es ist, den tausch der weltdinge zum einen zu ermöglichen und zum anderen abzusichern. Der markt ist ein bestimmter ort, für den die bedingungen definiert sind, die gewährleisten sollen, dass jeder marktteilnehmer seinen tausch in einer win-win-situation realisieren kann. Der markt ist, seinen zweck erfüllend, ein eingehegter ort(09), er ist eine institution der gesellschaft, mit der alle, die es betrifft, den austausch ihrer güter gewährleisten wollen, sich sicher fühlend, dass sie ihren besitz bestimmter güter mit dem besitz anderer güter zum wechselseitigen vorteil austauschen können(10). Als eingehegter ort sichert die institution: markt,(11) die bürgerlichen freiheiten(12), die erforderlich sind, damit das individuum als ich und sein genosse zum wechselseitigen vorteil den austausch ihrer güter betreiben können, güter, die als frucht ihrer arbeit ihr eigentum sind.

Was aber ist nun das problem, wenn die phänomene, bezeichnet mit dem terminus: markt, mit dem begriff unterschieden werden, der mit dem terminus: markt, bezeichnet ist? Im brennpunkt der kontroversen steht der begriff: markt, der einerseits auf der argumentebene der begriffe einen widerstreit zum gegenstand hat, der ein widerspruch ist zwischen der unabdingbaren grenze, die den markt als eingehegten ort des gütertauschens ausweist, und der unabdingbaren autonomie des individuums als ich, die die bedingung seiner bürgerlichen freiheiten ist, ein widerspruch, der andererseits als widerstreit auf der argumentebene der phänomene nur ein gegensatz sein kann, der vom individuum als ich und seinem genossen so gehändelt werden muss, dass weder das eine moment im anderen moment spurenlos verschwindet, noch das andere in dem einen. In seiner struktur ist der markt dem bild einer waage vergleichbar, deren waagschalen gleichauf sind, wenn im moment der gelebten gegenwart der zeiger, das ideal der gleichheit beider seiten, transitorisch auf den punkt: 0, steht, der magische punkt, der die facta der vergangenheit von den projektionen in die zukunft trennt, deren jeweilige last die eine seite trägt oder die andere. Der markt kann, in raum und zeit ein phänomen seiend, in keinem fall die gleichheit aller marktteilnehmer sichern; es wird im bestimmten fall immer eine abweichung nach der einen oder der anderen seite geben, abweichungen vom idealpunkt der gleichheit, die den markt in seiner funktion dann nicht beeinträchtigen, wenn die marge der abweichung auf einen engen bereich beschränkt ist, der in seinem umfang von allen, die es betrifft, in einem öffentlichen prozess diskutiert werden muss und entschieden wird. Wenn also von einem funktionierenden markt gesprochen werden soll, dann muss die verteilung der güter, die auf dem markt getauscht werden sollen, in einer engen marge situiert sein, die allen teilnehmern im markt erlaubt, ohne pressionen durch den anderen seine güter zum tausch anzubieten und gegen andere güter einzutauschen. Das ist eine apodiktische feststellung, die in ihrer logik auf der argumentebene der begriffe mit keinem anderen argument ausgehebelt werden kann, wenn mit dem begriff: markt, die märkte der welt, dinge der welt, auf der argumentebene der phänomene als phänomene unterschieden werden sollen.

Das eine ist der begriff des marktes, die phänomene der märkte sind etwas anderes(13). Faktum ist, dass in den gesellschaften die verteilung von reichtum und armut krass ungleich ist; faktum ist auch, dass das maass der ungleichheit vom individuum als ich und seinem genossen verschieden erlebt wird, jeder für sich(14). Der begriff: markt, ist im horizont der ungleichen güterverteilung zu beurteilen, ein begriff, der präzisiert werden muss, wenn die ordnungen in der gesellschaft voneinander unterschieden werden sollen, in denen ein bestimmtes verhältnis von reichtum und armut, von gesellschaft zu gesellschaft anders verteilt, feststellbar ist, ordnungen der gesellschaft, die mit den termini: soziale marktwirtschaft und moderner finanzmarkt, bezeichnet werden. Mit den begriffen: soziale marktwirtschaft und moderner finanzmarkt, wird das faktum der ungleichen verteilung von reichtum und armut unterschiedlich bewertet und legitimiert. Das problem dieser begriffe ist die definition, mit der die grenzlinie gezogen werden soll, die scheidet, was an reichtum und/oder armut in einer gesellschaft tolleriert und/oder zugestanden sein soll, eine festlegung, deren zweck es ist, die ständig präsente möglickeit zu minimieren, die gesellschaft mit gewalt in ihrem sozialen gefüge zu zerstören, eine gewalt, die durch eine ungleiche verteilung des gesellschaftlichen reichtums provoziert ist. Die gezogene grenzlinie scheidet die perspektiven, mit denen das individuum als ich und sein genosse versuchen, durchaus legitime interessen verfolgend, die struktur sozialer realität zu rechtfertigen, von der sie meinen, dass es die geeignete struktur ist, ihre legitimen interessen erfolgversprechend zu verfolgen. Das modell sozialer marktwirtschaft knüpft an der vorstellung an, dass eine gesellschaft nur dann auf dauer gestellt sein kann, wenn die solidarität der gesellschaftsmitglieder(15) untereinander das maass der ordnung ist. Das modell freier finanzmärkte hat die perspektive eines wachstums im blick(16), ein wachstum, das das individuum, bar einer grenze, in seiner gier nach immer mehr auf sich zurückwirft, sich selbst als ich verlierend. Das modell des freien marktes und das modell der sozialen marktwirtschaft sind zwei vorstellungen von gesellschaftlicher ordnung(17), in ihrer gegensätzlichkeit einander ausschliessend, die als mittel instrumentalisiert werden, wenn bestimmte interessen in der gesellschaft realisiert werden sollen.

Wie dem auch sei, die verfechter des einen wie des anderen modells, ideologisch ausgerichtet, können nicht den begriff: markt, ignorieren, der dann das maass ihrer wertschätzungen ist, wenn sie die vorteile und die nachtteile beider modelle für die verfolgung ihrer interessen abschätzen und den möglichen gewinn gegen die faktischen kosten aufrechnen. Im politischen prozess mag von fall zu fall eine salvatorische klausel pragmatisch vernünftig sein, aber der theoretische konflikt, einerseits die freiheit, scheinbar schrankenlos, andererseits die freiheit, real in den bürgerlichen freiheiten, muss gelebt und pragmatisch gelöst werden. Der appell an die pragmatische vernunft ist das eine, etwas anderes ist das reale handeln, das, leidlich erfahren, durch die reale macht eingegrenzt wird, über die die protagonisten nur in teilen verfügen können(18).
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Anmerkungen

(01) zur unterscheidung der begriffe: "begriff, phänomen und terminus" verweise Ich allgemein auf meine philosophischen überlegungen, die unter dem terminus: im trialektischen modus, zusammengefasst werden können. Um den text nicht maasslos auszuweiten, beschränke Ich mich auf den hinweis, dass bestimmte termini meiner theorie, termini technici, im INDEX der argumente, nachgeschlagen werden können(*).
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(*) //==>In: www.ur-philosoph.de //==>index //==>INDEX der argumente.  (01)<==//
(02) die kenntnis meiner methode: trennung in analytischer absicht, setze Ich voraus(*).
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(*) //==>INDEX der argumente, stichwort: trennung in analytischer absicht.  (02)<==//
(03) im abendländischen rechtsdenken wird das recht an einer sache zum einen als eigentum an der sache, zum anderen als faktischer besitz derselben unterschieden. Auf dem markt, wo die dinge der welt getauscht werden, kann, wenn eigentum oder besitz behauptet wird, nur das recht auf besitz der sache getauscht werden, in keinem fall das recht auf eigentum. En detail in meinem essay: Die begriffe: eigentum und besitz, im trialektischn modus. In: www.ur-philosoph.de  //==>bibliographie //==>verzeichnis //==>016:eigentum. (03)<==//

(04) in den dokumenten der historia ist hinreichend belegt, wie der ideale markt in der vergangenheit ausgestaltet gewesen war und in der gegenwart ausgestaltet ist. Das historische erscheinen des marktes ist in der geschichte different, gleich geblieben ist die struktur des markts. Es ist eine differenz im erscheinen(*), wenn das individuum als ich: A, auf dem dorfplatz zwei seiner hühner gegen die gans des genossen: B, tauscht, oder wenn der investor als gläubiger mit einer firma als schuldner sein kapital auf der börse dealt und den tausch in einem schuldpapier/anspruchstitel verdinglicht. Die details der historia des tauschens sind zwar unterhaltsam, aber diese kann Ich beiseite stellen.
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(*) Ich beute ein clichè aus, aber diese simplifizierung komplexer sachverhalte bringt das prinzip des tauschens auf den punkt. Ein gegenstand, raffiniert verpackt, ist auch dann derselbe gegenstand, wenn er in einer schützenden hülle einfach verpackt wird. D'accord, es ist etwas anderes, wenn die wirkung beurteilt werden soll, die ein so oder so eingepackter gegenstand auf den adressaten haben kann oder ausüben soll.   (04)<==//
(05) die bekundung von einigkeit, beschränkt auf das prinzip, ist immer dann wohlfeil, wenn das interesse ausgeklammert wird; wenn's aber exakt um bestimmte interessen geht, das eine gegen das andere durchzusetzen, dann versagt jedes prinzip, wenn es, scheinbar oder tatsächlich, dem eignen interesse widerständig ist. Über die interessen, die mit jedem realen tausch verknüpft sind, wird in diesem essay nicht en detail reflektiert.  (05)<==//

(06) auch von einem gerechten tausch ist in diesem essay nicht die rede, weil, wenn über den gerechten tausch reflektiert werden soll, kriterien definiert sein müssen, mit denen ein gerechter tausch von den tauschhandlungen abgegrenzt werden kann, die im system der rechte entweder zugelassen sind oder ausgeschlossen. Dass ein tausch gerecht sei, ist ein desiderat der ethik. Zwar kann die ethik als perspektive in keiner reflexion über den begriff: markt, und seine phänomene ausgeschlossen werden, aber es ist zulässig, den gesamten komplex ethischer fragen beiseite zu stellen, wenn diese in analytischer absicht abgetrennt werden sollen.  (06)<==//

(07) das konstitutive kriterium des begriffs: tausch, kann mit einer formel fixiert werden, die als denglish geläufig ist. Jeder tausch realisiert eine win-win-situation(*). Wenn der fall einer win-win-situation nicht behauptet werden kann, dann liegt eine win-lose-situation vor, die in keinem fall die erforderlichen merkmale des begriffs: tausch, erfüllt. Zwar wechselt der besitz an der sache, aber im wechsel findet kein tausch statt. Die formen dieses wechsels erfüllen entweder den tatbestand des diebstahls(§242 StGB), oder des raubes(§249 StGB), oder des betrugs(§263StGB).
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(*) es sollte beachtet werden, das nicht jeder wechsel im besitz einer sache auch ein tausch ist. Dem tausch ist die reziprozität konstitutiv, die bedingung, die auch dann erfüllt ist, wenn die bewertung der ausgetauschten güter nicht äquivalent ist.   (07)<==//
(08) das märchen: Hans im glück, kann als modell für den begriff: tausch, zitiert werden. Der Hans im märchen war glücklich, als er seinen klumpen gold, schwer geworden, gegen ein pferd eintauschen konnte, das ihn leichtfüssig davon trug. Es genügt, dass Hans die äquivalenz bejaht, die er zwischen dem wert des goldklumpens und dem wert des pferdes behauptet, unbeachtlich die meinung des genossen, der in seiner perspektive die äquivalenz mit ebenso guten gründen verneint. Es ist ein anderer fall, wenn Hans auf dem forum publicum, sei's unmittelbar mit gewalt, sei's mittelbar durch eine prekäre situation, gezwungen würde, die äquivalenz der getauschten güter zu behaupten, die er in seinen forum internum verneint hat. Die phänomene der macht sind in das kalkül der wertschätzung mit einzubeziehen, auch dann, wenn die macht kein konstitutives moment des begriffs: tausch, ist.  (08)<==//

(09) der markt als eingehegter ort ist ohne die vorstellung einer grenze nicht denkbar, die einerseits eingrenzt, andererseits ausgrenzt. Zur philosophischen grundlegung des gedankens en detail mein essay: "Extramundum/intramundum". In: www.ur-philosoph.de  //==>bibliographie //==>verzeichnis //==>018:grenzeII.   (09)<==//

(10) die vorstellung, der markt sei ein eingehegter ort, ist logisch mit den aussagen nicht widerspruchsfrei vereinbar, die, treibgut in den ideologischen debatten um die richtige wirtschaftordnung, darauf hinauslaufen, dass nur ein deregulierter markt ein freier markt sein könne(*). Wenn der begriff: kausalität, gültig sein soll, wirksamm in jeder theorie der ökonomie, die als wissenschaftlich gelten will, dann ist im begriff: kausalität, als konstitutives merkmal des begriffs eine grenze für die reichweite des begriffs: kausalität, definiert, die vorausgesetzt werden muss, wenn die dialektik von freiheit und begrenzung im markt gedacht werden soll. Die gegenüberstellung: hier freier markt - da regulierter markt, ist in seiner anordnung schief, weil die bedingung, festgemacht in dem einen, nicht die wirkung im anderen sein kann, sondern sich wechselseitig im jeweils ausgeschlossenen dritten moment bestimmt, das gedacht sein muss, wenn von freiheiten und grenzen geredet wird(**).
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(*) in den diskursen über die deregulierung/regulierung der märkte wird von allen, die es betrifft, mit falschen karten gespielt. Ohne die annahme einer grenze, die definiert, was der markt als markt sein soll, kann weder der begriff: markt, rational definiert werden, noch sind reale grenzen als phänomene zitierbar, die als merkmale für den begriff: markt, tauglich sein könnten. Jeder, der mit einem der möglichen begriffe: markt, argumentiert, setzt eine grenze, die die freiheiten der marktteilnehmer, präziser: ihre willkür, einschränkt. Der streit geht allein um die frage, wo die grenzlinie gezogen wird, die kein teilnehmer im markt ignorieren kann.
(**) en detail //==>INDEX der argumente, stichwort: trialektischer modus.  (10)<==//
(11) der markt ist eine institution, sei es der gesellschaft, sei es des staates. In einem gedankenspiel kann der gedanke, den markt als institution in frage zu stellen, zwar ein gegenstand des disputs sein, aber diesem gedanken kommt in raum und zeit dann keine realität zu, wenn die debatten über die märkte, heute wie damals, mit dem ziel geführt werden, die abschaffung des marktes als markt entweder zu legitimieren, oder, was im resultat keine differenz ist, faktisch ins werk zu setzen. Worum die debatten allein kreisen können, das ist die reale ausgestaltung eines marktes als institution des staates oder der gesellschaft. Der gegenstand der kontroversen ist die abwägung, wie eng eine grenze gezogen sein muss und wie weit der rahmen der bürgerlichen freiheiten konstruiert sein darf, damit der markt seine funktion zum vorteil aller marktteilnehmer leisten kann. Das ist eine pragmatische frage, für die zwar prinzipien benannt werden, prinzipien, die aber nicht absolut gesetzt werden können.   (11)<==//

(12) in den einschlägigen diskursen wird immer dann von "der freiheit" geredet, die bedroht ist, wenn einer es wagen sollte, das interesse des anderen auch nur in frage zu stellen. "Die freiheit", vorgestellt als platonische idee, ist real in den vorstellungen, die das individuum als ich und sein genosse in ihrem forum internum denken - viele formen sind möglich, die auf dem forum publicum erörtert werden. Es sollte daher nur von den "freiheiten" gesprochen werden, wenn das individuum als ich und sein genosse in raum und zeit ihren begriff von freiheit denken und diesen begiff gegen den begriff des anderen verteidigen(*). Diese freiheiten, möglich in ihrer fülle, fasse Ich unter dem terminus: die bürgerlichen freiheiten, zusammen, bürgerliche freiheiten, die, jede vorstellung von freiheit für sich, in einem system zusammengebunden sind, das die komplexe struktur zwischen dem begriff: freiheit, und dem begriff: grenze, spiegelt. Dieser aspekt des problems wird in diesem essay nicht en detail weiter erörtert.
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(*) dem künstler ist zugestanden, davon zu singen, dass über dem himmel die freiheit grenzenlos sei(+), aber eine freiheit, die keine grenzen hat, kann in raum und zeit nicht fixiert werden. Also kann das, was unter dem terminus: freier markt, in den diskursen über den begriff: markt, verhandelt wird, präsent in seinen vielfältigen phänomenen, kein markt sein, der, konform mit dem unterscheidenden begriff, durch die bürgerlichen freiheiten der marktteilnehmer eingeschränkt ist, die als regeln des marktes, in einer position gesetzt, umstritten sind. Der versuch, geleitet von partikularen interessen, den begriff: freiheit, in der perspektive negierter freiheiten definieren zu wollen, kann, weil logisch unzulässig, nicht mehr erreichen als den einen zustand bürgerlicher freiheiten, immer auch erfahren als unfreiheit des anderen, durch einen anderen zustand bürgerlicher freiheiten zu ersetzen, der allein die beklagte unfreiheit in anderer form perpetuieren kann. Der begriff: freiheit, ist nur dann als rationaler begriff verfügbar, wenn einerseits die autonomie des individuum als ich in der form eines postulats gesetzt ist, die andererseits, wenn das individuum als ich seine autonomie in raum und zeit ausgeübt hat, in einer selbstbindung des individuum als ich in den formen bürgerlicher freiheiten präsent ist, den bürgerlichen freiheiten, die nur als gebundene freiheiten denkbar sind.
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(+) Ich spiele, die aussage anspitzend, auf einen schlager an, der in den 80iger jahren des vergangenen jahrhunderts bekannt gewesen war. Jenseits des himmels fabulieren entweder die träumer, die wollen, dass etwas als wahrheit erscheinen soll, oder es schwätzen die scharlatane, gewalt übend, die auf kosten anderer ihren schnitt machen wollen.  (12)<==//
(13) wenn im gesetz steht, der markt solle frei sein, dann machen die schönen worte, auf den begriff verweisend, eindruck, aber das, was die schönen worte als phänomene bezeichnen, ist eine krude realität. Unbestritten gilt, dass die besessenen güter(*1) auf dem markt ungleich verteilt sind, gestritten wird allein über den grad der ungleichheit, der mit jedem rangplatz fixiert werden kann, der auf der zahlenskala nicht mit den zahlen: 0 oder 1, bezeichnet ist. Das, was die gleichheit im markt sein soll, das ist, ausgedrückt in einer bestimmten rangstelle auf der skala, ein ideal, das in raum und zeit als transitorisches moment erscheint, fixiert in einer statistischen zahl(*2). Es gehört zur logik des bildes, dass, wenn die abweichung vom statistischen mittel zu grooss geworden ist, die balance im markt kippt. Das maass der ungleichheit ist aber dann absolut, wenn im markt der eine alles auf sich vereint, und alle anderen nichts haben(*3). Wenn das der fall ist, dann hat der markt als ort des tauschens seine funktion verloren. Das, was bleibt, mag immer noch etwas sein, beschreibbar mit termini, die weder den begriff: markt, bezeichnen können, noch die phänomene, die als phänomene des markts mit dem begriff: markt, von anderen weltdingen unterschieden werden - und was diese termini sonst bezeichnen sollen, das kann, wenn die logik gilt, nicht fixiert werden.
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(*1) wenn vom tausch die rede ist, dann steht allein das recht auf besitz an der sache zur diskussion, nicht aber das recht auf eigentum an der derselben sache, die das individuum als ich mit seiner arbeit geschaffen hat, ein ding der welt, dessen besitz, das ist das faktum, dem individuum als ich durch raub, verübt vom genossen, genommen werden kann(+).
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(+) im 19.jahrhundert wurde der satz formuliert: hinter jedem grossen vermögen steht ein verbrechen. Der urheber des satzes soll, folge Ich meiner erinnerung, H.de Balzac sein. Wie dem auch sei, mit diesem satz wird eine epoche charakterisiert, die als frühkapitalismus gegenstand gesellschaftlicher kritik gewesen war, kritische urteile, die heute wieder als rational erkannt werden.
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(*2) die statistiken, die jahr für jahr die verteilung des reichtums in der gesellschaft neu vermelden, sind routine. Für die situation in der BRD gilt als faustregel, mit der tendenz steigender ungleichheit, dass das oberste zehntel der bevölkerung über 60% des nationalen reichtums im besitz hat, das untere drittel der bevölkerung muss sich im besitz von 10% teilen, und dem rest der bevölkerung, das sind 60%, verbleiben 40% des nationalen reichtums. Die verteilung der güter in ihrer ungleichheit ist in der amerikanischen gesellschaft noch krasser ausgeprägt(+).
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(+) cf. Der Spiegel, 43/2011, p.74-76. Die statistischen zahlen, gültig für die USA und die BRD, sind nur schwer vergleichbar, in der tendenz aber wird mit den verfügbaren zahlen ein eindeutiges bild gemalt, das das maass der ungleichheit, ein sozialer skandal, sinnlich erfahrbar macht. Mit einem dollar, eine zahl in der statistik, muss der arme zu rande kommen, dem reichen aber ist es egal, wenn im guthaben das komma eine stelle weiter nach rechts rückt oder nicht, vorausgesetzt sein reichtum hat die kritische masse erreicht, die den reichtum aus reichtum generiert, die arbeit ausbeutend, mit der der reichtum einer gesellschaft geschaffen wird.
(*3) in der logik statistischer zahlen ist festgelegt, dass der mittelwert, gleichheit suggerierend, exakt zwischen 0 und 1 liegt.
  (13)<==//
(14) die begriffe: reichtum und armut, sind als begriff relationsbegriffe(*), nicht anders die begriffe: gläubiger und schuldner,(**). Allein in der relation zum jeweils anderen begriff kann sinnvoll von armut respektive reichtum gesprochen werden. Zwar wird immer wieder versucht, den reichtum respektive die armut zu quantifizieren, aber das sind anstrengungen, mit denen das maass, das den armen vom reichen, vice versa, unterscheidet, nicht plausibel in einer zahl fixiert werden kann.
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(*) //==>INDEX der argumente, stichwort: relationsbegriffe.
(**) der zusammenhang von öffentlichen schulden und privatem reichtum wird mit dem satz: "Die Schulden der Staaten sind die Vermögen der Reichen"(+) prägnannt beschrieben.  Diesem satz würde in der angeheizten debatte um die gerechte soziale ordnung das böse wort: ideologisch, nicht angehängt werden, wenn der satz der feder Friedrich August von Hayek's entflossen wäre, wenn dieser gedanke aber von einer kritikerin des kapitalismus in der tradition von Karl Marx gesagt wird, dann soll das wort blosse ideologie sein. Ich habe den eindruck, dass in den diskursen über die formen einer geordneten gesellschaft die begriffe und die phänomene nicht mehr klar unterschieden werden.
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(+) Sarah Wagenknecht, zitiert nach: Frankfurter Rundschau, 10.10.2011.
  (14)<==//
(15) mit dem terminus: soziale marktwirtschaft,(*) wird ein begriff bezeichnet, dessen konstitutives merkmal die solidarität ist, die das individuum als ich und sein genosse, jeder für sich, realisieren müssen, wenn sie als mitglieder einer gesellschaft sich mit den anderen selbst organisieren wollen. Der bestimmende horizont für den begriff: solidarität, ist das prinzip des tauschens; denn solidarisch kann das individuum als ich nur dann sein, wenn es für sein mitgefühl mit dem genossen vom genossen zumindest ein zeichen der anerkennung erwarten kann(**). Als konstitutives moment des begriffs: solidarität, ist die äquivalenz der getauschten güter vorausgesetzt, die in der bilanz annährend als ein ausgeglichenes ergebnis aufzeigbar sein muss. Mit dem konstitutiven merkmal: solidarität, ist der begriff: soziale marktwirtschaft, aber noch nicht zureichend definiert. Ergänzende überlegungen lasse Ich beiseite, weil sie nicht zum zweck des essays gehören.
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(*) in den zeiten der finanzmarktkrisen hat der terminus: soziale marktwirtschaft, wieder an glanz gewonnen, und auch die gescholtenen sozialisten haben offenbar keine probleme mehr, den terminus in positiver intention zu nutzen. Es sollten aber die differenzen beachtet werden, die zwischen den bezeichneten begriffen zu konstatieren sind. Ludwig Erhard's soziale marktwirtschaft war anders definiert als die wirtschaftsordnung, die heute gefordert ist, wenn das reden von der würde des menschen kein sonntagsgeschwätz bleiben soll.
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(**) vom begriff: solidarität, ist der begriff: altruismus, abzugrenzen, gleichwohl die unterscheidungen nicht sehr prägnant sind. Das altruistisch gesinnte individuum, sich als ich begreifend, erwartet eine gegenleistung, auch dann, wenn im begriff diese leistung ausgeschlossen sein soll.
  (15)<==//
(16) der begriff: freier markt, kann nur dann logisch stringent sein, wenn als phänomen ein wachstum vorausgesetzt wird, das dem begriff nach grenzenlos sein muss(*1). Über die merkmale dieses begriffs kann, so will es scheinen, ohne grenzen debattiert werden, aber es sollte von den diskurtanten zur kenntnis genommen werden, dass jedes argument, das in einem diskurs geltend gemacht wird, den bedingungen von raum und zeit unterliegt und damit als argument, für sich betrachtet, begrenzt ist. Was in diesen grenzen dann an positionen noch bleibt, das sind jene perspektiven, die in ihrer begrenzung sich einmal entgrenzend im horizont verlieren, ein andermal, grenzenlos erscheinend, vom horizont in die schranken geschlagen werden(*2). Was in den debatten als das grenzenlose wachstum propagiert wird, das ist die rückseite eines fortschritts, der befristet goldene jahre verheisst, dem aber der verfall eingeschrieben ist(*3). Was das modell des freien markts in den politischen debatten so fragwürdig erscheinen lässt, dass ist einerseits die unfähigkeit, andererseits die unwilligkeit seiner verfechter, den begriff: markt, in seinen grenzen zur kenntnis zu nehmen. Das gerede von der freiheit, die im markt grenzenlos sein solle, ist eine lüge, es sind lügen, die für die ideologen der freien märkte das mittel sind, interessengeleitet dem anderen einzureden, was dessen interesse sein solle, um desto besser, den schein des rechts ausbeutend, das eigene interesse zu befriedigen. Die immer wieder zitierte freiheit kann den in ihr gesetzten zweck nur in ihrer begrenzung ermöglichen und auch sichern, eine freiheit, die für alle unteilbar ist.
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(*1) zur metaphysik des begriffs: grenze, siehe:
Richter,Ulrich: Grenzen - die autonomie des ich und seine selbstbindung. In: www.ur-philosoph.de  //==>bibliographie //==>verzeichnis //==>007:grenze.
Richter,Ulrich: Intramundum/extramundum. Reflexionen zur metaphysik und logik des begriffs: grenze. In: www.ur-philosoph.de  //==>bibliographie //==>verzeichnis //==>018:grenzeII.
(*2) das bild mag banal erscheinen, aber der blick auf die sterne, in der weite des himmels sich verlierend, endet im horizont, der kein passieren verstattet.
(*3) Ich verweise auf meinen essay: Das wachstum. In: www.ur-philosoph.de  //==>bibliographie //==>textsammlung //==>argument des monats //==>adm(24)01/09.
  (16)<==//
(17) d'accord, die aussage mag als idealistisch klassifiziert werden; denn, so wird geredet, in der kruden realität gälten nun mal andere regeln - ein schlichter irrtum. Es gibt vorstellungen, die im forum internum zwar gedacht werden, die aber, als gedanke auf dem forum publicum entäussert, für den genossen nicht tollerabel sein können; denn der genosse kann, logisch korrekt, aufgezeigen, dass die logik des gedankens nicht nachvollziehbar ist. Wenn diese gedanken dennoch in raum und zeit durchgesetzt werden, dann können sie nur mit gewalt durchgesetzt werden, eine konsequenz, die logisch nicht mit dem begriff: das ich, vereinbar ist, von dem, das ist konsens, angenommen wird, dass es das moment ist, das das individuum realisieren muss, wenn es sich als ich von den anderen individuen als dieses und kein anderes unterscheiden will.  (17)<==//

(18) das resultat der reflexion mag als unbefriedigend erscheinen; denn jeder reflexion ist es eigentümlich, als lösung des problems eine bestimmte position zwar anbieten zu können, die aber als lösung des streitigen problems nicht akzeptiert werden muss. Im streit um die modelle, hier die modernen finanzmärkte, da die soziale marktwirtschaft, ist es eine bequeme ausflucht, die position des einen oder anderen modells apodiktisch einzunehmen, mit der entscheidung für das eine oder andere modell können zwar bestimmte probleme, immer analytisch isoliert, aufgedröselt werden, aber jede bestimmte lösung der analyse wird in der synthese notwendig widerstand provozieren, weil andere teilprobleme, zumeist interessengeleitet, aber in der gleichen weise existenznotwendig, entweder aus dem blick fallen oder ignoriert werden. Es gibt gute gründe, warum das modell der sozialen marktwirtschaft auf dauer das effizientere system modernen wirtschaftens sein dürfte, aber es gibt auch gründe, die das agieren auf dem modernen finanzmarkt, freilich immer nur auf kurze sicht(*), als das effizientere modell erscheinen lassen. Diese gründe zu analysieren und zu reflektieren ist eine andere sache.
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(*) signifikant für dieses denken sind die quartalsberichte, die von den aktiengesellschaften publiziert werden müssen. Für die analyse des ökonomischen prozesses kann die gesetzliche pflicht, quartal für quartal in der öffentlichkeit rechenschaft abzulegen, ein sinnvolles instrument sein, wenn aber der erfolg eines unternehmens auf dauer gesichert sein soll, dann erweisen sich diese berichte als blendende erfolgsmeldungen, die post festum, als selbsterfüllende prognosen gelesen werde können, alternativen, die untauglich sind, ein wirtschaftssubjekt mit aussicht auf dauer im markt zu halten.
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finis


stand: 12.09.22.
eingestellt:  11.11.17.
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