Subtext

2.1.001-2.2.010

2.1.001

der subtext hat zwei funktionen.

Die erste funktion ist, den raum zu schaffen, der für eine ausweitung des gedankens erforderlich ist. Ich mache dafür zwei erwägungen geltend. Einerseits ist ein argument in seiner komplexität nicht auf einen kurzen satz reduzierbar, andererseits stehen stilistische erwägungen der praxis entgegen, den text mit ausschweifenden ergänzungen zu überladen. Von diesen zwängen gelöst weite Ich das argument des textes im subtext aus und ziehe die aspekte mit ein, die im text sowohl die analyse des gedankens betreffen als auch seine synthetisierende reflexion in einem neuen argument. Das verfahren einer trennung von text und subtext greife Ich wieder auf, beschränke aber den umfang des subtextes mit einem verweis auf andere texte, in denen aspekte der methode: im trialektischen modus, erörtert worden sind(a).

Die zweite funktion des subtextes ist die klassische anmerkung im kontext des wissenschaftlichen argumentationsprozesses. Alle belege und verweisungen sind in den argumenten des subtextes in fussnoten zusammengefasst(b).

Im subtext ist jedes argument eigenständig.

Die fünfstellige argumentziffer ist technisch bedingt. Im text ist die ziffer: 0, am ende der argumentnummer gestrichen.

Meine orthographie ist kein affront gegen die arbeit der Duden- redaktion als hüter der deutschen sprache. Die besonderheiten meiner orthographie sind in der logik des gedankens gegründet(c).
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(a) //==>argument: 2.9.001.
(b) //==>argument: 2.9.002.
(c) //==>argument: 2.9.001. // INDEX der argumente, stichwort: orthographie.
2.1.002
die gliederung des textes:
Die vollendung des kunstwerks und die versuchungen des experiments.
Das ästhetische urteil im widerstreit von analyse und synthese.

2.1.003
der subtext ist in sachgruppen eingeteilt, in den sachgruppen sind die argumente nach inhaltlichen kriterien grob sortiert.

Die struktur der argumentnummmer:
subtext:          2.
sachgruppe:   2.1-9
numerisch:     2.1.001-099.

Übersicht:
2.1.001-003 : allgemein
2.2.001-010 : der mythos
2.3.001-034 : der begriff: das ästhetische urteil
2.4.001-030 : die methode: der trialektische modus
2.8.001-007 : verschiedenes
2.9.001-101 : der wissenschaftliche apparat

2.2.001
das, was über die dinge der welt gesagt werden kann, das ist, so wie es gesagt wird, einerseits immer wahr, andererseits kann das, was wahr ist, entweder richtig sein oder falsch(a). Meine geschichte, eine legende, ist als geschichte, von mir erzählt, immer wahr, aber das, was Ich erzähle, das ist, ausweislich der dokumente der historia, falsch. Richtig ist, dass Andy Warhol seine berühmten Campbelldosen zunächst als druckgraphiken in klassischer manier geschaffen und in serien verbreitet hatte. In gleicher zeit war ein aufmerksamer zeitgenosse(b) auf die idee gekommen, den von mir geschilderten vorgang in seiner weise nachzustellen. Es ist ein faktum, dass Ich die divergierenden fakten in unzureichender form wahrgenommen habe und das, was mir passend erschien, zu meiner geschichte verdichtete. Ich erinnere mich, im Westfälischen Landesmuseum in Münster eine austellung gesehen zu haben(c), in der ein entsprechend präpariertes objekt, auf einem podest stehend, dem publikum präsentiert worden war. Es kam, wie es kommen musste, der disput um die frage, ob dieses objekt ein kunstwerk sei, war unvermeidbar - ja und nein. Im disput machte Ich geltend, dass das ausgestellte objekt eine manierierte form des remakes sei, das Andy Warhol, jahre früher, als installation(d) erfunden habe. Mit dieser aktion habe Warhol, seine autorität als künstler in die waagschale werfend, den neuen blick auf die lebenswelt geöffnet, mit dem die unmittelbar gegenwärtige realität der welt, in einer x- beliebigen blechdose sinnlich erfahrbar, ins museum transferiert wurde. Die wiederholung dieser aktion, eine form hinweisender demonstration, könne folglich nur ein remake sein, das der epigone(e) in szene gesetzt habe. Heute weiss Ich, dass der historische sachverhalt ein anderer gewesen war und folglich meine erzählung falsch sein muss, aber dennoch behaupte Ich weiter, dass meine geschichte wahr ist, weil sie einen reflexionsprozess zum gegenstand hat, der die historischen situationen in neuen perspektiven erscheinen lässt, sowohl die fiktive vernissage, damals 1962 in New York, als auch die szene im Münsterschen museum. Mit dem beginn des 20.jahrhunderts hatten sich die traditionalen formen des kunstbetriebs aufgelöst und es waren neue formen des ästhetischen ausdrucks erforderlich geworden, die heute als bruch mit der tradition beurteilt werden(f). In den prozessen der neubestimmung wurden formen der künstlerischen ausdrucks entwickelt, die einen modifizierten begriff des kunstwerks erforderlich machten, gleichgültig, ob es die form des vollendeten werks betraf oder die formen seiner schöpfung. Diese formen, plausibel mit dem terminus: happening, zusammenfassbar, stellten faktisch alles in frage. Die grenze war nicht mehr eindeutig zwischen dem gezogen, was als kunstwerk noch gelten könne, und dem, was als machwerk publizistisch verteufelt wurde, aber auch die prozesse der präsentation dessen, was als kunstwerke gelten sollte, waren nicht mehr gegeneinander abgrenzbar. Anything goes(g) - das war die parole, damals und heute ist es nicht anders. Ein möglicher konsens scheint ausserhalb jeder rationalen erwägung zu sein.
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(a) meine terminologie steht quer zu den usancen der tradition. In der logik sagt man: wahr oder falsch. Diesen gebrauch stelle Ich in der perspektive der (formalen) logik nicht in frage, Ich wechsle aber im blick auf die begriffe: wahr und wahrheit, den terminus: wahr, gegen den terminus: richtig, aus. Der logische widerspruch ist mit den termini: richtig oder falsch, zu bezeichnen. In der logik ist von der wahrheit nicht die rede, aber der terminus: wahr, hat in der realen welt, die das individuum als ich sinnlich in seinen vielfältigen formen, das denken eingeschlossen, lebt, eine sinnvolle funktion. Das, was das individuum als ich im moment seiner gelebten gegenwart denkt, das ist per definitionem wahr. Das, was es in seinem denken ausschliesst, also nicht denkt, das ist nicht_wahr. Etwas anderes wird mit dem terminus: unwahr, bezeichnet, ein terminus, der im laxen sprachgebrauch als synonym für die verneinung von wahr gebraucht wird. Es mag prima vista verwunderung provozieren, wenn statuiert wird, dass das unwahre wahr ist, nämlich dann, wenn das individuum als ich im moment seiner gelebten gegenwart etwas denkt, das gemäss der konventionen nicht mit der wirklichkeit übereinstimmt, secunda vista aber ist ausweisbar, dass die unterscheidungen: richtig/falsch und wahr/unwahr, auf argumentebenen gebraucht werden, die strikt unterschieden werden müssen, wenn das argument als rational anerkannt sein soll. Eine lüge ist auch dann wahr, wenn das behauptete falsch ist. (a) <==//

(b) dieser zeitgenosse könnte Jasper Johns gewesen sein. //==>argument: 2.2.002.     (b)<==//

(c) die ausstellung hatte zwischen 1990-2000 stattgefunden. Die für die identifizierung erforderlichen details habe Ich nicht mehr präsent, aber das sind sachfragen, die beseite gelegt werden können, auch dann, wenn die ausstellung selbst nur ein produkt der erinnernden phantasie gewesen sein sollte. Entscheidend ist, dass die szene möglich gewesen war, die ausweitungen der szene sind konsequenzen der synthetisierenden reflexion.    (c)<==//

(d) für die präsentation beliebiger gegenstände des täglichen lebens in der funktion eines kunstwerks scheint mir der terminus: installation, das passende wort zu sein. Was in den museen und ausstellungen als installationen gezeigt wird, das sind, wenn die objekte analysiert werden, arrangements von gegenständen der täglichen lebenswelt, die, mehr oder weniger verändert, vom künstler neu geordnet worden sind. Hier bleibt offen, was der gegenstand des ästhetischen urteils sein könnte oder sein sollte, das vollendete werk oder der prozess seiner quasi permanenten entstehung.    (d)<==//

(e) meine meinung, dass das remake das werk eines epigonen gewesen sei, muss Ich auch dann nicht revidieren, wenn mit dokumenten der historia belegt ist, dass Andy Warhol nicht der erste künstler(01) gewesen war, der die dinge des alltags zu objekten der kunst gemacht hatte(02). Die formen des happinings und ähnlicher events hatte Warhol vorgefunden und diese in seiner manier virtuos genutzt. Seine weise der darstellung alltäglicher dinge als kunst, die quasi unendliche repetition eines gleichen vorgangs, verändert notwendig die wahrnehmung einer realität, in der die dinge der welt, scheinbar bewusstlos vertraut, in raum und zeit nebeneinander und nacheinander erfasst werden. Das sortiment der firma Campbell hat im regal des supermarktes eine andere sinnliche qualität als die präsentation des gleichen sortiments in einer reihe von drucken, die an der wand eines museums hängen. Wenn das museum nicht der ort der präsentation wäre, dann wären diese objekte, kunstwerk repräsentierend, mit jedem reklameplakat verwechselbar(03), das auf der strasse präsent ist; es kann auch der werbespot sein, der über den bildschirm des TV irrlichtert.
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(01) schon immer waren die dinge der lebenswelt auch objekte der kunst, sei's, dass diese als gebrauchsgegenstände ausschweifend geformt wurden und heute als glanzstücke im museum stehen, sei's, dass diese gegenstände des täglichen gebrauchs elemente einer bildkomposition sind, wie das an den werken der genremalerei gezeigt werden kann. Frappierend genial ist die idee, eine blechdose in einer spektakulären aktion ins museum zu versetzen, beim erstenmal, aber beim zweiten mal ist's schon langweilig; denn in raum und zeit ist kein gedanke wiederholbar, eine handlung auch nicht.
(02) es dürfte Marcel Duchamp gewesen sein, der 1913 in Paris begann, mit den "readymades" ausgewählten gegenständen des alltags die aura des kunstwerks umzuhängen. Spektakulär war "fountain" gewesen, ein urinal aus dem baumarkt. Diesen aspekt der historia will Ich nicht weiter verfolgen, weil die historisch genaue beschreibung jener vorgänge für mein argument keine neuen elemente enthält.
(03) viele künstler, zum beispiel Toulouse-Lautrec oder Picasso, hatten für ihre ausstellungen entwürfe zu einladungsplakaten angefertigt, die, per druck vervielfältigt, seinerzeit aufgehängt worden waren und als souveniers später den eingang ins museum gefunden hatten. Hier ist analog der gleiche vorgang des funktionsechsels zu konstatieren, nur in reverser richtung.    (e)<==//
(f) es ist nicht erforderlich, die kunstgeschichte des 20.jahrhunderts hier wiederholend zu referieren, eine epoche, die als prozess der sich auflösenden traditionalen formen interpretiert werden kann. Was die kunst der tradition gewesen war, das wurde in den neuen formen des happinings und anderer eventformen funktional vom alten kunstbetrieb fortgesetzt, den erfordernissen des marktes angepasst. Statt der gesetzt daherkommenden akadamieausstellungen sind es nun die aufgepeppten vernissagen. Eine differenz sollte aber nicht übersehen werden. In den alten akademien war noch das handwerk gefragt, heute kann jeder, der es versteht, sich im markt in szene zu setzen, den erfolg des moments für sich einheimsen, der scharlatan ebenso wie der mediokre meister.    (f)<==//

(g) Paul K.Feyerabend hatte den slogan: anything goes, geprägt und in der methodendiskussion hoffähig gemacht(01). Der slogan ist griffig, soweit er auf das gesellschaftliche leben als signum der postmoderne begrenzt wird(02). Was Feyerabend mit dem terminus: anything goes, in der debatte um die methoden der wissenschaften bezeichnen wollte, das hat mit dem wenig zu tun, was mit dem terminus im mainstream des postmodernen denkens bezeichnet werden könnte. Der "methodenanarchist" Feyerabend plädierte in keinem fall für die beliebigkeit der methoden, so, wie die vorlieben des postmodernen subjekts beliebig sein sollen, sondern seine intention war gewesen, mit dem slogan darauf zu verweisen, dass für den kanon der approbierten methoden kein ewigkeitswert geltend gemacht werden könne, sondern dass die gängigen methoden der wissenschaften beständig einer prüfung unterzogen werden müssen, eine prüfung, für die gilt, dass alle denkbaren möglichkeiten erlaubt sein müssen, die dem forschenden wissenschaftler im moment seiner zeit und seines raumes verfügbar sind. Die im prinzip unbeschränkte zulassung aller möglichkeiten ist aber etwas anderes als die beliebigkeit der verfügbaren möglichkeiten.
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(01) Feyerabend, Paul K.: Wider den Methodenzwang. Frankfurt am Main: 1986.
(02) von dieser verallgemeinerung hatte sich Feyerabend ausdrücklich distanziert, op.zit. p.381f.    (g)<==//       //
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2.2.002
es wird wohl Jasper Johns gewesen sein, der blechdosen als skulptur(a) präsentiert hatte(b). Die frage, wem das erstgeburtsrecht in der streitsache: die blechdose als kunstwerk, zukomme, kann reizvoll sein, aber die antwort, wer's denn nun historisch gewesen war, ist für das problem, das Ich reflektiere, nachrangig. Was mich an dieser situation, historisch richtig oder falsch, interessiert, das habe Ich in einer geschichte, die wahr sein muss, als mythos rekonstruiert.
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(a) was den Jasper Johns vom Andy Warhol meiner geschichte unterscheidet, das ist die beobachtung, dass Johns die blechdosen vorher in ihrer physischen form verändert hatte. Es ist ein anderer fall, dass Jasper Johns mit seinen bearbeitungen des materials dem objekt etwas neues hinzugefügt und folglich ein anderes ding der welt real geschaffen hat, das als kunstwerk qualifiziert werden kann. Diesen aspekt verfolge Ich in meinen reflexionen nicht weiter.
(b) Kuhl,Isabel: Andy Warhol. München: 2007. p.36.        <==//
2.2.003
der frage, ob die Warhol'schen dosen nun ein kunstwerk sind oder nicht, kann Ich mich nicht entziehen, also werde Ich antworten(a). Viele antworten sind möglich, und im bunten strauss der möglichkeiten beschränke Ich mich auf drei antworten, die vermutlich nicht befriedigen werden.

Antwort: 1.
Ich würde, mit ausreichendem kapital in der hand, die originalen drucke, von Warhol signiert, nicht kaufen. Mit der perspektive des spekulierenden sammlers ist die antwort im horizont des kunstmarktes negativ, denn im markt gilt die maxime, dass nur das, wofür viel geld bezahlt wird, auch kunst sein soll. Diese maxime ist mit keinem begriff kompatibel, der geeignet wäre, die dinge der welt entweder als kunstwerk zu bestimmen oder als machwerk auszuschliessen, gleichwohl ist die maxime auf dem kunstmarkt zweckmässig, weil im markt die anlage von kapital der zweck ist, das seine rendite sucht. Die einzelnen objekte, gleichgültig, ob machwerk oder kunstwerk, sind die kristalisationskerne der wünsche, die der spekulierende marktteilnehmer hat.

Antwort: 2.
wird das merkmal: können, also der aspekt des handwerks, als das konstitutive kriterium des begriffs: kunstwerk, gesetzt, dann ist mein urteil negativ. Das, was von den Warhol'schen Campbelldosen real verfügbar ist, das sind die drucke, erzeugnisse des zeitalters der unbeschränkten reproduzierbarkeit der objekte(b). Ich bestreite nicht, dass die original signierten drucke für sich etwas besonderes sein können, aber diese drucke haben als kopien, x-mal reproduzierbar, den zusammenhang zwischen handwerk und produkt soweit verflüchtigt, dass ernsthaft nicht mehr behauptet werden kann, der signierte druck ist im markt ein kunstwerk, wert: 1.000.000,00$, der gleiche druck, vielleicht sogar aus derselben charge, bringt's im supermarkt auf den wert: 10,00$, und an der kasse des supermarkts wird die reale dose aus dem regal mit dem wert: 1,00$, abgerechnet, differenzen, die mit einem verweis auf das handwerk des künstlers wohl schwerlich erklärbar sind(c).

Antwort: 3.
Ich finde die manier interessant, mit der Andy Warhol, vermittelt durch die drucke, ein allgemeines problem der wahrnehmung von wirklichkeit sinnlich wahrnehmbar macht. In dieser hinsicht, als moment einer philosophischen reflexion, die einen aspekt der ästhetik zum gegenstand hat, sind die Warhol'schen werke in der klasse: kunstwerk, denkbar. Auch harmonieren sie mit dem für mich gültigen ästhetischen urteil des schönen. Aber diese wertung ist mein subjektives urteil, das dem einen als bestätigung dienen kann, für den anderen aber anlass zu einer kritik ist.
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(a) mit einem klaren ja oder nein kann Ich nicht antworten; denn in meiner perspektive des problems kreuzen sich eine vielzahl von interessen, die nicht auf einen nenner zu bringen sind, zumindest nicht im kontext dieses essays, für den Ich einen vieldiskutierten streitgegenstand als kristallisationkern meiner reflexionen nutze.    (a)<==//

(b) Ich verweise auf Walter Benjamin's kritik des auratischen kunstwerks(01), das im zeitalter der technischen reproduzierbarkeit radikalen veränderungen unterworfen war. Heute ist das kopieren anerkannter kunstwerke kein technisches problem und prima vista ist die kopie oft besser als das original, das die aura trägt. Die kopie kann nicht das auratische kunstwerk sein, das das individuum als ich mit seinem ästhetischen urteil fasst.
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(01) Ich belasse es bei dem allgemeinen verweis, weil die auseinandersetzung mit der Benjamin'schen these nicht der gegenstand meiner arbeit ist.  (b)<==//
(c) im vortrag(01) hatte Ich dem publikum per beamer eine kopie quasi dritten oder vierten grades an die wand geworfen. Diese kopie genügt technisch keineswegs den anforderungen, die heute medial eingefordert werden können. Der zweck der demonstration war aber nicht, ein ästhetisches urteil zu generieren, sondern am konkreten beispiel die struktur eines ästhetischen urteils sichtbar zu machen.
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(01) //==>anhang, vortrag, anm.:01     (c)<==//
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2.2.004
als vermittlungsort von interessen hat der ort: supermarkt, eine spezifische funktion, nicht anders die vernissage. Der meister konnte, als er zur aktion schritt, mit dem beifall seines publikums rechnen. Die gleiche aktion, unterstellt, dass das happening(a) überhaupt als abweichung von der typische kaufhandlung wahrgenommen wird, wäre im supermarkt bestenfalls der anlass, ein lächeln zu provozieren - ein narr eben und vergessen ist das event.
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(a) der terminus: happening, ein anglizismus, der im deutschen bereits heimatrecht hat, macht die differenz deutlich. Somethings happens - etwas ereignet sich. Es ist wie die aktion des dummen august auf einem alten jahrmarkt. Man lacht über den spaass und hat es vergessen, bis wieder ein neues ereignis, es ist der alte narr, vielleicht nun ein anderer, und eine alte erinnerung steigt wieder auf. Im happening geschieht auch etwas, was, das ist egal.     <==//
2.2.005
die vernissage ist ein mikrokosmos, in der die funktionen der gesellschaft gespiegelt sind. Es ist daher in der analyse möglich, die liste der sozial relevanten funktionen erheblich zu erweitern. Ich beschränke mich auf zwei funktionen, ohne die keine vernissage möglich sein wird, die im glanz der medien gespiegelt sein will.

Das ist erstens die funktion des sponsors eines events. Im small talk vertieft kalkuliert der sponsor schon, was die dose auf dem podest in der nächsten auktion an rendite einbringen könnte(a).

Das ist zweitens die funktion der dienstbaren geister, ohne die jede vernissage ein ödes event wäre. Der perlende sekt im glas lässt die kunst glänzen, ein glanz, von dem jeder seinen anteil haben will(b).
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(a) um's platt zu sagen: ohne moos nix los, einer muss die sache am ende doch bezahlen. Waren's früher die fürsten und wohlhabenden stadtleute gewesen, die ihre künstler als handwerker engagiert hatten, so sind es heute leute, die meinen, mit geld kunstwerke als schmuckstücke einzukaufen, in der erwartung, vom glanz der kunst einen strahl zu erhaschen. Das sind mechanismen, ohne die keine kunst wird bestehen können, aber mit ästhetik im traditionalen sinn hat dieser aspekt nichts gemein.

(b) eine vernissage mag sich noch so modern präsentieren, die postmoderne vernissage ist in seiner struktur nicht von den bällen in alter zeit unterschieden - man will gesehen werden und auch ein bisserl spaass haben. Ohne die diener ist das nicht möglich und geld kosten sie auch, also, weil sie bezahlt werden müssen, können sie auch getrampelt werden.  <==//

2.2.006
das streitige kunstwerk, dem goldenen kalb gleich(a), wird von vielen umtanzt, und alle, jeder für sich, haben ihre besonderen gründe(b). So komplex, wie der mikrokosmos einer vernissage, sind auch die probleme miteinander verwoben, die in einem umstrittenen objekt ihren kern haben. Beschränkung auf weniges, ein erfordernis der ökonomie des textes, ist daher geboten. Meine intention ist nicht, am streitigen objekt eine umfassende theorie der ästhetik zu entfalten, gleichwohl habe Ich das interesse, einen bestimmten aspekt des kunstbetriebs zu reflektieren, an dem die struktur der wahrnehmung eines dings der welt: n, als kunstwerk sichtbar gemacht werden kann.
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(a) die bibel liefert klassische metaphern, mit denen eine situation präzise beschrieben werden kann. Jede vernissage kann als ein tanz um's goldene kalb gedeutet werden, wobei offen gelassen ist, was als skandalöser zu beurteilen ist, der zynismus der tänzer oder das umtanzte objekt. Man mag einwenden, dass es schlimme beispiele immer geben werde, aber die funktion der vernissage solle nicht kleingeredet werden, nämlich die vernissage als ort der vermittlung, an dem der schaffende künstler mit dem konsumierenden betrachter des werks über das bestimmte werk zusammengeführt werden. D'accord, Ich greife aus diesem kosmos auch nur einen kleinen teil heraus und unterwerfe diesen der analysierenden und synthetisierenden kritik.

(b) //==> argument: 2.2.009    <==//

2.2.007
nach einer fete, die gäste sind gegangen, geht's zumeist prosaisch zu und oft sind die reste im akkord zu beseitigen. Da kann's schon mal vorkommen, dass im eifer der putzschlacht ein geheiligtes kunstwerk als abfall im müll landet. So geschehen mit der badewanne des Joseph Beuys, die als kunstobjekt im museum stand, aber von den reinigungskräften als störender müll entfernt worden war(a).

Über den rechtsstreit, dessen gegenstand ansprüche aus BGB sind, sollen die juristen urteilen, davon bleibt aber das problem unberührt, was denn nun ein kunstwerk sein solle und wer, ausser dem meister, befugt sein könnte, darüber zu urteilen, was mit dem kunstwerk zu geschehen habe. Es dürfte kaum streit darüber geben, dass in der perspektive des fachmannes eine putzfrau nicht kompetent ist, die frage: kunstwerk - ja oder nein, zu entscheiden, um legitimiert die dinge wegzuräumen, die sie als gerümpel einschätzt. Die eindeutige meinung wird aber relativiert, wenn die tätigkeit eines restaurators beurteilt werden soll, der dem objekt, eingeschätzt als kunstwerk, nach hunderten von jahren den alten glanz wiedergibt, ein glanz, der nur in der vorstellung des restaurators bestand hat. Ich stelle die handwerkliche kompetenz des restaurators nicht zur diskussion, aber das problem bleibt prekär, ob das restaurierte kunstwerk noch das alte kunstwerk sein kann, dem, eingehüllt in der aura der erinnerung, im moment der gelebten gegenwart eine neue aura übergeworfen wird. Ich scheine vom thema abgekommen zu seim, und kehre zu den putzfrauen zurück, die vielleicht einen deformierten gegenstand erkennen können, die aber nichts von einer aura kennen müssen, die ein fachmann, ein sogennnter, dem objekt übergestülpt hat. Es wäre eine schöne variante der geschichte, wenn die putzfrauen nicht nur die leeren dosen und sektgläser als hinterlassenschaft der vernissageteilnehmer entsorgt, sondern im gewöhnlichen müll auch die vom meister geadelte dose versenkt hätten, den plan des kustos vereitelnd, der das objekt am folgenden tag an seinen neuen ort im museum verbringen sollte.
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(a) der hinweis auf den rechtsstreit genügt, der im ergebnis weder den ästheten beruhigen konnte noch den beifall der juristen gefunden hatte. Die sache hatte Ich im detail nicht verfolgt und als verlässliche quelle habe Ich nur das urteil vom 09.07.1976 gelesen(01).
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(01) Oberlandesgericht Düsseldorf, Az.: 22 U 17/76.        <==//
2.2.008
die schöpfung eines kunstwerk soll ein sakraler akt sein?(a). Über die möglichen antworten kann gestritten werden. Es ist ein faktum, dass immer wieder versucht wird, den herstellungsprozess eines kunstwerks als schöpfungsakt zu deuten, um dem profanen weltding die aura des kunstwerks zu verschaffen, sei es durch die inszenierte tat des künstlers, sei es durch die nachahmende tat des betrachters. Die formen der handlungen können als gleich erscheinen, in der substanz aber kann nur die handlung des ordinierten priesters ein sakrales ereignis sein. Es sollte aber nicht übersehen werden, dass die aura des weltdings: n, als kunstwerk die atmosphäre des heiligen schaffen kann, vom künstler gewollt, vom betrachter immer wieder affirmiert. Der grund ist nicht das als heilig angesehene weltding: n, als kunstwerk, entscheidend ist das empfinden des individuums als ich, das in der einzigartigkeit des objekts die aura des kunstwerks wahrnimmt, die mit der aura des heiligen vergleichbar ist, aber niemals dasselbe sein kann.
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(a) dass künstler in ihrem drang zur selbstdarstellung als priester auftreten, ist ein phänomen, das in der historia der kunst nicht auf die neueste zeit begrenzt ist, aber das faktum der show ist nicht das heilige geschehen, das der gläubige glauben muss, wenn sein handeln authentisch sein soll. Wirklichkeit und schein sind unterscheidbar, auch dann, wenn die grenzen in der show, oft nur medial vermittelt, verschwinden.  <==//
2.2.009
die theologien der schöpfung sind ein konstitutives moment jedes schöpfungsmythos. Im mythos ist der schöpfungsakt des gottes der urakt, mit dem alles beginnen soll. In der erzählung, ein bild, wird begreifbar gemacht, was als eine nichtsinnliche erfahrung nur gedacht werden kann, als gedachtes aber nur in einem bild vermittelt wird, das sinnlich begreifbar ist. Was der anfang gewesen war, das ist in einem nachholenden bild sinnlich erfahrbar. Was im ende sein wird, das ist in einer projektion in die zukunft als vorausgreifendes bild möglich(a). In der profanierten welt sind diese funktionsstellen mit einem kunstwerk besetzt(b).
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(a) es genügt, wenn Ich auf die bibel als das grundbuch der abendländischen welt verweise. Die geschichte beginnt mit der erzählung, dass der gott die welt als seine schöpfung erschaffen hat; die geschichte endet mit der apokalypse des Johannes, dass der gott seine schöpfung in sich zurückholen wird.

(b) darauf zielt Theodor W.Adorno ab, wenn er in seiner Ästhetischen Theorie das kunstwerk zum zentralen vermittlungsmoment bestimmt, zuerst in den formen der musik der 2.Wiener klassik, dann in den formen des fragments.  <==//

2.2.010
Warhol's Campbell-dose hat in meinem argument die funktion, kristalisationskern(a) für eine ästhetische reflexion zu sein. Mein interesse an diesem ding der welt(b) ist auf die bedingungen gerichtet, die gegeben sein müssen und gegeben sind, wenn das bestimmte ding der welt: n, als ein kunstwerk eingeschätzt wird oder eingeschätzt werden soll. Im kern der sache ist jedes ding der welt für die funktion, kristalisationskern von gedanken zu sein, geeignet, gleich_gültig, ob das individuum als ich das weltding: n, als kunstwerk begreift oder nicht. Wenn Ich Warhol's Campbelldose zum gegenstand meiner reflexionen gemacht habe, dann scheint dies einem zufall zugeordnet zu sein(c). Dieser vermutung stehen aber die konventionen des diskurses entgegen, die zumindest dann in das kalkül mit einbezogen werden müssen, wenn die kommunikation ermöglicht werden soll, die der gegenstand der anstehenden streitfrage ist. Das sind konventionen, die, als aspekte, nicht unbedeutend, vernachlässigt werden sollten, wenn der gegenstand der reflexionen in der struktur fokussiert ist, in der die frage: was ist ein kunstwerk? beantwortet wird.
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(a) //==>argument: 2.9.001. //   INDEX der argumente, stichwort: kristalisationskern.

(b) das problem: kunstwerk - ja und nein? reflektiere Ich nicht an den druckgraphiken von Andy Warhol, die für sich ein gegenstand der kritik sein können und sind.

(c) das, was als zufall erscheint, das hat, wenn der fall reflektiert wird, seine gründe; denn der grund meiner wahl, die Warhol'schen dosen zum objekt meiner reflexion zu machen, ist mittelbar mit der frage nach dem begriff: kunstwerk, verknüpft, auf die Ich meine antwort geben will. Meine erzählung habe Ich so komponiert, dass Ich mit der legende die entscheidenden aspekte der divergenten probleme zu einem fall zusammenziehen kann, aspekte, die relevant sind, wenn die frage nach der funktion des weltdinges: n, rational beantwortet werden soll(01).
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(01) die einschätzung des bestimmten weltdings: n, einmal als kunstwerk und dann als machwerk, obliegt allein dem individuum als ich. Es ist zulässig, unbestreitbar, darüber zu streiten, ob für das individuum als ich die funktion des weltdinges: n, ein kunstwerk zu sein oder gar nur ein machwerk, lebensnotwendig ist oder nicht, aber der streit über die notwendigkeit dieses streites ist für sich ein anderer gegenstand und wird als anderer fall hier nicht weiter erörtert.    <==//
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fortsetzung: subtext/2.3.001-2.3.034

bibliographische daten<==//

stand: 13.05.07.
eingestellt: 11.10.03.

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