fortsetzung
Subtext/argumente: 2.62.08

2.62.08

das fundament des friedens ist das prinzip der anerkennung des anderen als der_andere(a). Auf diesem fundament werden die verträge geschlossen(b), die das individuum als ich und sein genosse im konsens vereinbaren müssen, wenn sie, individuen, die ein ich sind, in der gemeinsam geteilten welt als ich existieren und leben wollen(c). In der natur ist der frieden kein zustand, der frieden ist ein phänomen der kultur(d) und als ein phänomen der kultur ist der frieden von allen, die es betrifft, gestiftet, ein stiftung, die in jedem moment der gelebten gegenwart neu bestätigt werden muss(e). Als phänomen ist der begriff: frieden, eine projektion in die zukunft, die ein gemaltes bild des paradieses ist, das der reale ort der kämpfe sein soll, an dem das individuum als ich und sein genosse ihre konflikte um legitime interessen händeln wollen, nicht getrieben vom willen zur gewalt(f). Die utopie der gewaltfreiheit ist das antreibende ideal einer welt, in der der frieden, dem regenbogen gleich, gesetzt ist als das ziel des weges, das das individuum als ich und sein genosse, glaubend im ziel angekommen, nicht in dauer halten können. Bunt sind die gemalten bilder des friedens(g), in denen die enttäuschungen des gelebten lebens, facta der vergangenheit, positiv gespiegelt, immer wieder neu komponiert werden; es sind spiegelungen der wirklichkeit, die, gelebt im moment der gelebten gegenwart, wunschträume des besseren lebens sind, um dem druck der realität standhalten zu können, die gezeichnet ist durch die gewalt.
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(a)
mit der formel: das prinzip der anerkennung des anderen als der_andere,(01) ist die theorie bezeichnet, mit der das indviduum als ich und sein genosse den begriff: das ich,(02) definieren, der im relationalen argument gültig ist(03). Das individuum, das sich selbst als das ich erkennt und als ich lebt, ist der fokus der erkenntnis der welt, in der das individuum als ich im bewusstsein seines selbst lebt. Von allen gründen, mit denen die erfahrene welt in der einen oder in der anderen weise begründet werden kann, ist die plausibelste lösung des problems eines ersten grundes die setzung des individuums als ich, selbst der grund seiner welt zu sein(04). Diese setzung ist nur dann möglich, wenn das individiuum als ich alle dinge der welt, sich selbst als das ding der welt: a, einschliessend, als ein anderes weltding erfasst, das zu ihm, identisch mit sich selbst, das_andere ist. Erst in der relation: individuum_als_ich<==|==>das_andere(=ding_der_welt:_n), kann das individuum als ich sich als das individuum begreifen, das ein ich ist, sich von jedem anderen weltding: n, in raum und zeit unterscheidend(05). Sich selbst als ich begreifend, erkennt das individuum als ich, dass es selbst, als ding der welt: a, das_andere seiend, sich von allen anderen dingen der welt durch das merkmal, ein ich zu sein, unterscheidet. Es setzt als eine zweite relation, wenn es das_andere in der relation: individuum_als_ich<==|==>das_andere, erfasst, zu dem merkmal: das ich, die relation: individuum_als_ich<==|==>das_ich, die nicht mit der ersten relation identisch fallen kann. Damit ist die differenz gesetzt, die in der dritten relation: das_andere<==|==>das_ich, gefasst ist. Das individuum, das ein ich sein will, ist sich selbst, ein ich seiend, das_andere und das ich(06).

Es ist eine erfahrung, dass das individuum als ich in der gemeinschaft mit anderen individuen, den genossen, lebt, die, wie man sagt, seinesgleichen seien(07). Es gilt, dass der genosse des individuums als ich ein ich ist. Als das ich seiend kann der genosse nicht das_andere sein. Der genosse ist dem individuum als ich zwar gleich(08), aber der genosse ist als ich der_andere. Diese bestimmung schliesst aus, dass die relation zwischen dem individuum als ich und seinem genossen eine abhängige relation sein kann, es ist eine wechselseitige relation, die mit der formel: individuum_als_ich<==>genosse(09), fixiert ist. Das, was als argument in der perspektive des individuums als ich entwickelt worden ist, das ist auch in der perspektive des genossen zu entfalten(10). Wenn das individuum als ich sich selbst als ich erkennen will, dann muss es den genossen, der ein ich wie es selbst ein ich ist, als den anderen(=der_andere)(11) anerkennen, so wie der genosse, der ein ich wie das individuum als ich selbst ein ich ist, das individuum als ich als den anderen(=der_andere)(11) anerkennen muss. Nur in dieser wechselseitigkeit können das individuum als ich wie sein genosse sich selbst als ich begreifen, unterscheidend von dem, was das_andere ist. Die anerkennung des genossen als der_andere ist die bedingung dafür, das sich das individuum, ein ich sein wollend, sich selbst als ich begreifen kann. Fehlt es an dieser anerkennung, die nur das individuum als ich, sich selbst absolut bindend, autonom vollziehen kann, dann degradiert es den genossen zu einem beliebigen ding der welt: n, das_andere, sich selbst als ich entmächtigend, weil es von dem genossen, der_andere, nicht mehr als der_andere, der nicht das_andere sein kann, erkannt wird. Die anerkennung des anderen als der_andere ist die autonome handlung, die nur das individuum als ich, nicht anders der genosse als der_andere, in raum und zeit leisten kann, eine leistung, zu der sie, jeder für sich, nicht gezwungen werden können(12).
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(01)

zur historia des begriffs: das prinzip der anerkennung des anderen als der_andere, verweise Ich auf den INDEX der argumente(*1) und den INDEX der sachbegriffe(*2). Hier wird eine vorläufige zusammenfassung der konstitutiven momente dieser theorie vorgelegt(*3).
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(*1)
//==>INDEX der argumente, stichwort: anerkennung/anerkennen.
(*2)
//==>INDEX/sachregister, stichwort: anerkennung und anerkennung/prinzip.
(*3)
die systematische darlegung dieser theorie ist in einem anderen text vorbereitet, der aber noch in statu nasciendi ist.       (a/01)<==//
(02)   argument: //==>2.22.24.      (a/02)<==//
(03)
die theorie: das prinzip der anerkennung des anderen als der_andere, kann nur im relationalen argument gültig sein. Der differenzpunkt ist(*1), dass im ontologischen argument die vorstellung: das sein(=das ganze), als das maass für die teile, die daseiende dinge, gesetzt ist. Mit dieser vorstellung ist die unterscheidung: das_andere/der_andere, als setzung des individuums als ich logisch nicht vereinbar, weil im begriff: das ganze(=das sein), diese differenz zwar einbegriffen ist, diese differenz aber in den emanierenden daseiende dingen(=teile) nicht festgemacht werden kann. Im relationalen argument ist die unterscheidung: das_andere/der_andere, die autonome entscheidung des individuums als ich, das sich, sich als ich setzend, an seine entscheidung absolut gebunden hat. Die setzung: das_andere oder der_andere, ist der anfang, real in jeder benennbaren kausalkette, mit dem die erkenntnis der welt möglich ist.
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(*1)
die unterscheidung: das ontologische argument oder das relationale argument(+1), fixiert in dieser differenz, ist in letzter konsequenz eine frage des glaubens, die das individuum als ich und sein genosse, jeder für sich, nur für sich gültig beantworten können. Die theologie als horizont dieses problems ist damit zwar benannt, aber das problem der nicht_entscheidbarkeit der glaubensfrage soll hier nicht weiter verfolgt werden.
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(+1)   argument: //==>2.21.04.      (a/03)<==//
(04)
das individuum, das ein ich sein will, setzt sich selbst als grund seiner welt. Die theologie als horizont des arguments ist nicht ignorierbar, weil in seiner struktur die setzung des ersten grundes durch das individuum als ich der position des glaubens an einen schöpfergott gleich ist, das argument nämlich, das im horizont der kritischen philosophie Kant's formuliert, ein postulat der vernunft ist(*1), das, um gültig sein zu können, nur vom individuum als ich in seiner autonomie gesetzt sein kann(*2). Die frage, in der tradition heftig umstritten, welche von den beiden denkmöglichen positionen nun die wahre sei, logisch kann nur eine antwort wahr sein, diese frage hat keine abschliessende antwort, weil der streitpunkt nicht entscheidbar ist und das individuum als ich, sein genosse eingeschlossen, mit ihren antworten immer nur einen teil von den vielen teilen im ganzen ihrer welt fassen können.
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(*1)
Kant's theorie des postulats wird hier als bekannt vorausgesetzt, aus diesem grund sei abkürzend auf die einschlägigen stichworte: "postulat, postulate der praktischen vernunft und postulate des empirischen denkens, im Kant-lexikon Rudolf Eisler's verwiesen(+1).
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(+1)
Eisler,Rudolf: Kant-Lexikon. p.427-429./bibliographie //==>2.93.75.
(*2)
jede autonome entscheidung des individuums, ein ich sein wollend, ist im individuellen impuls verortet(+1), über den nicht mehr prädiziert werden kann, als dass die behauptung seiner existenz das resultat einer autonomen entscheidung ist(+2), die, entsprungen dem individuuellen impuls, in raum und zeit festgestellt werden kann - mal ist es ein (ewiger) gott, mal ist es irgendein anderes ding seiner welt, aber immer ist es das_andere.
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(+1)
//==>INDEX der argumente, stichwort: individueller impuls.
(+2)
das argument: die autonomie des individuums als ich, begriffen als ein postulat, folgt der logik des zirkelarguments(§1).
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(§1)   //==>INDEX der argumente, stichwort: zirkelargument.      (a/04)<==//
(05)
das ist die fundierende relation, die das individuum als ich zu seiner welt haben kann, sie umfasst sowohl die teile(=jedes denkbare ding der welt: n,) als auch das ganze(=die gesamtheit aller weltdinge), das selbst ein teil im ganzen ist. Insofern erscheint der genosse: B, dem individuum als ich: A, immer auch als das_andere, nämlich als ein ding der welt: n.      (a/05)<==//
(06)   argument: //==>2.24.98.      (a/06)<==//
(07)
dieser gedanke wird im relationalen argument mit der formel: das individuum als ich und sein genosse, fixiert(*1).
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(*1) //==>INDEX der argumente, stichwort: indivduum_als_ich/genosse.       (a/07)<==//
(08)
die differenz: "gleich, aber nicht identisch" ist zu behaupten. Jedes ding der welt: n, ist mit sich identisch, als dieses und nicht als ein anderes. Etwas anderes ist es, wenn behauptet wird, das ding der welt: a, sei mit dem ding der welt: b, gleich. Zueinander können die weltdinge: a und b, in einem benannten merkmal gleich sein, sie sind in dieser gleichheit als ding der welt: a, oder als ding der welt: b, nicht_identisch. Das logische axiom der identität ist die bedingung, dass das ding der welt: a, oder das ding der welt: b, als dieses und nicht jenes erkannt werden kann(*1).
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(*1)
argument: //==>2.21.05. Und: //==>INDEX der argumente, stichwort: logische axiome.      (a/08)<==//
(09)
die relation: individuum_als_ich<==>genosse, wird, gegründet im stil, auch mit den folgenen formeln ausgedrückt: "individuum_als_ich:_A<==>genosse:_B, und/oder A<==>B".      (a/09)<==//
(10)   argument: //==>2.24.99.      (a/10)<==//
(11)
klarstellung. Die orthographie der termini: das_andere und der_andere, ist zu beachten. In der grundform weist das zeichen immer den unterstrich: "_" aus; alle grammatikalischen ableitungen ohne unterstrich.       (a/11)<==//
(12)
es ist etwas anderes, strikt abzugrenzen, wenn der blick auf die soziale wirklichkeit gerichtet wird. Die bürgerlichen freiheiten haben ihr fundament in der autonomen entscheidung des individuums als ich und in dieser struktur: autonomie des ich versus bürgerliche freiheiten des individuums als ich, ist der gegensatz verortet, dass einerseits behauptet werden muss, dass das individuum als ich zu seiner autonomen entscheidung, dieses oder jenes für gut und/oder schlecht zu halten, nicht gezwungen werden kann, dass andererseits aber das individuum als ich vom genossen, auch anders herum, genötigt wird, bestimmte bürgerliche freiheiten nicht in anspruch zu nehmen. Letzteres ist die regel, immer das resultat gewalttätiger konflikte, aber diese erfahrungen sind kein beweis, dass die welt so auch geordnet sein müsse. In diesen wirrnissen hat der begriff: frieden, seine regulative funktion(*1).
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(*1)
in der funktion, ein regulativer begriff zu sein, sind dem begriff: frieden, diese merkmale zugeordnet, zum ersten ist die relation: A<==>B, das fundament des friedens, real als herrschaft und ausgestaltet als recht; zum zweiten ist als begriff des rechts der frieden zwischen allen, die es betrifft, nicht mit gewalt erzwingbar und jeder zwangsfriede kann nur der anlass sein, einen neuen konflikt zu initiieren, real als krieg.      (a/12)<==//         (a)<==//
(b)
der friede als vertrag, den das individuum als ich: A, und sein genosse: B, geschlossen haben und im moment der gelebten gegenwart händeln(01), ist eine idee, die für das politische denken Immanuel Kant's zentral ist(02). In zwei schriften, entstanden im selben zeitraum(03), hat Kant zwei aspekte des friedens markiert, die für die phänomene des friedens unlösbar miteinander verknüpft sind. Das eine argument zielt ab auf die wahrhaftigkeit, mit der die vertragspartner, im frieden verbunden, miteinander kooperieren müssen(04), das andere argument ist das gesellschaftliche handeln aller, die es betrifft, verhandelt auf der argumentebene des rechts, das im vertrag den konsens des individuums als ich mit dem genossen spiegelt(05). Der vertrag ist das mittel zum zweck, der zweck, gespiegelt im konsens, ist das geglückte leben(06), in dem das individuum als ich und sein genosse, jeder für sich, zu sich selbst kommen(07). Zum zweck der schlüssel sein, das ist die funktion des friedensvertrages(08), seine funktion ist aber nur dann gewährleistet, wenn alle, die es betrifft, den zweck des vertrages wahrhaftig anstreben(09). Die bedingung des erfolges sind die von den vertragspartnern selbstgesetzten maximen der moral(10) und jedermann wird in seinem streben nach frieden dann erfolgreich sein, wenn alle, die es betrifft, sich einander als der_andere anerkennen(11).
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(01)
wirklich ist der friede, fixiert als vertrag, nur im moment der gelebten gegenwart, als factum der vergangenheit ist jeder friede sedimentiert in einem dokument der historia, der in den projektionen in die zukunft immer wieder reflektiert werden kann(*1), eine differenz, die nicht als unbeachtlich beiseite geschoben werden sollte(*2).
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(*1)
partes pro toto seien zwei friedensverträge der historia zitiert, die als momente der geschichte auch heute noch relevant sind, einmal der Friede zu Münster und Osnabrück, 1648, dann der Friedensschluss zu Versailles, 1919.
(*2)
der gelebte frieden und der reflektierte frieden sind zweierlei, und beides kann nur im moment der gelebten gegenwart real sein. Der friede muss immer wieder bestätigt werden und wenn die kraft zur bestätigung des konsenses erschöpft ist, dann ist auch der friedensschluss nur noch ein gegenstand der historia. Der reflektierte frieden, als gegenstand der diskurse über seine möglichkeiten, wird immer wieder aufgegriffen, modifiziert in den erinnerungen aller, die es betrifft, und neu in den politischen plänen verortet. Die historischen verträge werden in der geschichte der friedensschlüsse gedeutet, die historia der verträge aber belehrt, was die gründe gewesen sind, die jeden friedenschluss zu einem anlass neuer konflikte transformieren, den geschlossenen vertrag gegenstandslos stellend.      (b/01)<==//
(02)
es ist üblich, Kant nicht unter die politischen denker zu subsumieren - Kant ist der philosoph und von den politologen wurde zu seinen lebzeiten (noch) nicht geredet. Diese einschätzung, in ihrem duktus oberflächlich, ist prima vista plausibel, aber secunda vista sollten die implikationen nicht ignoriert werden, die sein kritisches denken bewirkt hatten. Es ist eher der dummheit der amtierenden zensoren zuzuordnen, dass sie in ihrer beschränktheit die sprengkraft seiner ideen, die möglichkeit der erkenntnis und der moral betreffend, nicht erkannt hatten und seine schriften passieren liessen. Die idee, dass die freiheit ein postulat der vernunft sei, ist mit der idee des absolutistischen staates, 1795/1796 immer noch die dominierende staatsideologie, logisch nicht vereinbar - manchmal ist es denn auch ein segen, wenn zensoren in ihrer weltsicht die welt nicht mehr sehen ... .

Umstürzend neu ist Kant's auseinandersetzung mit den Bedingungen eines friedensvertrages, die möglichkeiten seiner realisierung einschliessend, nicht; denn die vorstellung, dass der frieden als ein vertrag zwischen den sozialen gruppen der gattung: mensch, zu begreifen sei, ist eine alte vorstellung, die so alt ist, wie die menschen über ihr soziales zusammenleben nachgedacht haben, aber das, was das nachdenken Kant's über die möglichkeit eines "ewigen friedens" auszeichnet, das ist die erkenntnis, dass der mögliche ewige frieden zwischen allen, die es betrifft, ausgerichtet in zwei sozialen gruppen, weder eine sache der natur ist, noch die gabe irgendeines gottes, gnädig oder auch nicht, sondern, der angestrebte frieden ist vom individuum als ich und seinem genossen gewollt und muss in einer gemeinsam bindenden verpflichtung behauptet werden(*1). Prima vista ist diese bedingung eines friedensvertrages eine selbstverständlichkeit, die aus der idee der autonomie des ich abgeleitet wird, secunda vista aber steht dem ziel: frieden, die erfahrene realität entgegen, in der das selbstverständliche immer wieder schamlos verletzt wird, bewirkt durch das egoistische auslegen der vertragsklauseln al gusto, ausgerichtet an der jeweils verfügbaren macht.
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(*1)   zur idee: der gestiftete frieden, //==>anmerkung: (e).      (b/02)<==//

(03)
Immanuel Kant hatte die beiden schriften nahezu zeitgleich publiziert, mit einer merkwürdigen umkehr in der zeitfolge. Der traktat zum ewigen frieden war bereits 1795 erschienen(*1), dem folgte 1796 die ankündigung eines solchen traktats(*2). Es sollte aber die feine differenz nicht übersehen werden, dass Kant in der zweiten publikation von der verkündigung des nahen abschlusses eines traktats zum ewigen frieden in der philosophie spricht. Kant expliziert in den beiden schriften zwei unterscheidbare sachverhalte, die für die reflexion des problems fundierend sind, einmal ist es die art und weise, wie über den frieden zu diskutieren ist und wie dieser in dauer gehalten werden kann, dann sind es die formen, in denen der konsens aller, die es betrifft, in einem vertragsschluss fixiert werden sollten. Diese bedingungen eines friedensvertrages wirken unterschiedlich, einmal nach innen, auf die friedenswilligen selbst, dann nach aussen, auf dem konkreten vertrag als handlungsanweisung(*3). Auf der argumentebene der analyse können die beiden aspekte in analytischer absicht getrennt werden, auf der argumentebene der synthetisierenden reflexion nicht.
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(*1)
Kant,Immanuel: Zum ewigen Frieden. /bibliographie //==>2.93.73.
(*2)
Kant,Immanuel: Verkündigung des nahen Abschlusses eines Traktats zum ewigen Frieden in der Philosophie. /bibliographie //==>2.93.73.
(*3)   //==>anmerkung: (c).       (b/03)<==//
(04)
die bedingung des friedens ist nicht die wahrheit eines (behaupteten) interesses, seine bedingung ist die wahrhaftigkkeit der personen, die den angestreben frieden mit einem vertrag besiegeln wollen. Die unterscheidung: wahrheit und wahrhaftigkeit, ist das fundament, das gewährleistet, den geschlossenen frieden in dauer zu halten. Kant sagt: "Es kann sein, daß nicht alles wahr ist, was ein Mensch dafür hält (denn er kann irren); aber in allem was er sagt, muß er wahrhaft sein (er soll nicht täuschen):",(*1). Auf den streit, was die wahrheit sei, lässt Kant sich nicht ein(*2), er fokussiert seinen blick auf das, was als negation der wahrheit gehändelt wird, die lüge als das resultat einer gewollten täuschung(*3). Nach einer auslassung(*4) sagt Kant: "Die Übertretung dieser Pflicht der Wahrhaftigkeit heißt die Lüge"(*5). Die lüge ist also das momentum, das jeden möglichen frieden zerstört. Wieder eine auslassung und Kant sagt: "Die Lüge ('vom Vater der Lügen, durch den alles Böse in die Welt gekommen ist') ist der eigentliche faule Fleck ((|)) in der menschlichen Natur"(*6), Nach einer weiteren auslassung beschliesst Kant den gedanken mit dem satz: "Das Gebot: du sollst (und wenn es auch in der frömmsten Absicht wäre) nicht lügen, zum Grundsatz in die Philosophie als eine Weisheitslehre innigst aufgenommen, würde allein den ewigen Frieden in ihr nicht nur bewirken, sondern auch in alle Zukunft sichern können"(*7).
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(*1)
Kant,Immanuel: Verkündigung des nahen Abschlusses eines Traktats zum ewigen Frieden in der Philosophie. Bd.VI, p.415./bibliographie //==>2.93.73.      (b/04/*1)<==//
(*2)
eine der grossen binsenweisheiten der philosophen ist die feststellung, dass die frage: was ist (die) wahrheit? keine zureichende antwort hat. In der wende Kant's sollte aber nicht übersehen werden, dass sein neuer bezugspunkt nicht irgendein abstraktum ist, nämlich die wahrheit an sich, sondern die gegebene antwort ist ein konkretes verhalten des individuums als ich, sein genosse im frieden eingeschlossen, die sie, wenn sie den frieden wollen, im moment der gelebten gegenwart für wahr halten müssen. Das eigene handeln kann das individuum als ich verantworten, gegründet in seiner autonomen entscheidung, diese verantwortung ist ausgeschlossen, wenn die pflicht zum handeln in irgendeinem abstractum geerdet ist, sei das abstractum die wahrheit an sich selbst oder irgendein absoluter gott.       (b/04/*2)<==//
(*3)
Immanuel Kant hat sich in einer anderen schrift(+1) mit dem praktischen problem der lüge in der politik auseinandergesetzt. Kategorisch verneint er ein recht zur lüge. Es ist die logik der lüge, die das vertrauen aller zerstört, die in der politik miteinander agieren müssen; denn keiner könne mehr sicher sein, dass der jeweils andere es im geschäft auch ehrlich meine.
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(+1)
Kant,Immanuel: Über ein vermeintes Recht aus Menschenliebe zu lügen. /bibliographie //==>2.93.73.      (b/04/*3)<==//
(*4)
die auslassung ist zur information hier eingefügt: "es mag nun sein, daß sein Bekenntnis bloß innerlich (vor Gott) oder auch ein äußeres sei.-"(+1).
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(+1) Kant,Immanuel: Verkündigung des nahen Abschlusses eines Traktats zum ewigen Frieden in der Philosophie. Bd.VI, p.415. /bibliographie //==>2.93.73.      (b/04/*4)<==//
(*5)   a.a.O. p.415.       (b/04/*5)<==//
(*6)   a.a.O. p.415-416       (b/04/*6)<==//
(*7)   a.a.O. p.416.         (b/04/*7)<==//        (b/04)<==//
(05)
Immanuel Kant hat die idee, eingebunden in das denken seiner zeit, dass der frieden ein vertrag sei(*1), auf die verträge der staaten untereinander fokussiert(*2). Das, was prima vista ins auge fällt, das ist der öffentliche aspekt des friedens, der private aspekt(*3), die emotionen des individuums als ich: A, und seines genossen: B, umfassend, ist, so scheint es, kein gegenstand im Kant'schen diskurs über den frieden. Diese einschätzung ist in der perspektive der analyse partiell zutreffend, sie geht aber fehl, wenn in der perspektive der synthese, nämlich die reflexion des friedens in der praxis, die aspekte der moral nicht einbezogen werden, die das individuum als ich mit seinem genossen, eingeschlossen im horizont ihrer emotionen, diskutieren müssen, um in der gesellschaft in frieden gemeinsam leben zu wollen(*4).
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(*1)
die idee, dass der frieden ein vertrag sei, kann mit dem engen begriff: vertrag, der in der jurisprudenz im gebrauch ist, zureichend nicht gefasst werden. Es ist zwar zutreffend, dass der begriff: vertrag, als begriff des rechts nur im horizont des rechts sinnvoll gebraucht werden kann, aber die definition des gesetzes, was ein vertrag sei, kann nicht genügen, das wissen vom frieden zu bestimmen, das jenseits des gesetzlich fixierten rechts gelebt wird.   (b/05/*1)<==//
(*2)
wenn Kant's traktat zum ewigen frieden auf die worte des textes reduziert wird, dann fällt die dominanz des juridischen denkens auf. Der äussere schein, ein probates mittel, den zensor zu entwaffnen, hat jedoch, das ist interpretation, die funktion, die absicht Kant's soweit zu verdecken, dass der frieden ein problem der ethik und der moral ist, das hinter dem juristisch-pragmatischen aspekt eines friedensschlusses zurückgestellt ist; denn jeder vertrag, form und inhalt, weist zwei momente aus, die das individuum als ich und sein genosse, wenn sie interagieren, bestimmt haben müssen, einerseits die benennung ihrer spezifischen interessen, andererseits die realisierung des benannten interesses mittels einer bestimmten regel nach dem geltenden recht. Das, was einerseits die angelegenheit des individuums als ich und seines genossen sein soll, das ist andererseits, wenn sie als bürger des staates agieren, die angelegenheit des staats, der, als rechtssubjekt handelnd, mit den anderen staaten einen modus vivendi schaffen muss. Auf der argumentebene des staates ist die dominanz des rechts, konkret des geltenden völkerrechts, eindeutig, auf der argumentebene der gesellschaft aber, vor allem im verband der sozialen gruppe, ist die funktion des rechts als ordnung jeder friedensvorstellung nicht so eindeutig sichtbar, gleichwohl in derselben intensität wirksam.   (b/05/*2)<==//
(*3)
die termini: öffentlich und privat, zweckmässig in der jurisprudenz, sind dann irreführend, wenn sie auf die jurisprudenz beschränkt werden. Auch in der struktur der gesellschaften und sozialen gruppen ist die unterscheidung; privat/nicht_privat, wirksam und der frieden zwischen dem individuum als ich und seinem genossen, erfahren als phänomen der privaten sphäre oder nicht_privaten sphäre, ist eine form der übereinstimmung, die kein konsens ist(+1), aber wie ein konsens wahrgenommen wird.
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(+1)
es ist nicht zweckmässig, den begriff: konsens, mit dem begriff: frieden, zu vermengen. Die differenz in der funktion der begriffe sollte nicht geschliffen werden. Konsens ist die bedingung, dass der friede überhaupt möglich ist, die wirkung des konsenses kann ein zustand des friedens sein, real in einem kompromiss.  (b/05/*3)<==//
(*4)
in analytischer absicht ist es zulässig, das problem der moral aus den dem diskurs über den frieden auszublenden, nämlich dann, wenn diese absicht erklärt ist. Auf der argumentebene des staates kann die trennung in analytischer absicht leichter gehandhabt werden(+1) als auf der argumentebene des handelns der damen/herren: politiker, deren handeln an der wahrhaftigkeit ihres wollens zu beurteilen ist, urteile über ein handeln, die, gefällt ohne eine maxime der moral zu berücksichtigen, leer sind.
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(+1)
es wird gesagt, dass staaten nur interessen haben, aber keine moral. Der spruch gibt sich flott, ist aber fadenscheinig; denn ohne eine in sich konsistente moral kann kein interesse auf dauer behauptet werden und ein interesse ohne moral ist nackte gewalt.       (b/05/*4)<==//          (b/05)<==//
(06)
die wahl des terminus: das geglückte leben, kann, konfrontiert mit dem terminus: das glückselige leben,(*1) irritieren. Eine differenz zwischen den bezeichneten phänomenen und begriffen kann, weil stilistisch induziert, als nicht relevant beiseite gelegt werden.
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(*1)   argument: //==>2.42.04.   //     (b/06)<==//
(07)
mit der formel: zu sich selbst kommen, wird die aufgabe des individuums als ich bezeichnet, das zu werden, was es als individuum sein will, ein ich. Es ist in seiner ganzen existenz mit dieser aufgabe konfrontiert, vom anfang in seiner geburt bis zum tod als seinem ende. Diese aufgabe kann das individuum als ich nur dann bewältigen, wenn es in der gemeinschaft mit dem genossen, der gleiches anstrebt, in gesellschaftlichen verhältnissen(*1) kalkulieren kann, die zumindest die lösung der aufgabe nicht unmöglich machen. Daraus kann gefolgert werden, dass es dem individuum als ich und seinem genossen gelingen muss, den zustand der natur in den zustand der kultur umzubauen, in dem die ubiquitäre gewalt eingehegt ist, ein zustand, den mit dem terminus: frieden, zu bezeichnen nicht falsch sein kann(*2).
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(*1)
in der zeitlichen abfolge ist das phänomen des staates ein spätes resultat der gattungsgeschichte: mensch. Es ist aber wenig vernünftig, im blick auf die probleme des friedens einen vorrang des einen moments vor dem jeweils anderen zu behaupten. Die menschen im jahr: 2014, bewältigen ihre existenz sowohl in der staatlichen als auch in der gesellschaftlichen ordnung und die verschiedenheit der ordnungen haben auch auswirkungen auf die phänomene, die mit den vorstellungen von frieden rational verknüpft werden.     (b/07/*1)<==//
(*2)
der zustand der natur, dass die individuen sich durch gewalt zu lasten des anderen lebens in der existenz halten(+1), muss durch den zustand der kultur abgelöst werden, die lebensverhältnisse, in denen die gewalt, gleichviel in welcher form erscheinend, eingehegt ist(+2). Die fortschritte der gattung: mensch, sind, soweit es die einhegung der gewalt betrifft, bis heute nicht überzeugend(+3).
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(+1)
es ist zu beachten, dass auch in der natur die ubiquitäre gewalt nicht ohne grenzen ist. Die gattung und ihre erhaltung als gattung ist eine grenze; das, was nach aussen eine notwendigkeit ist, das ist nach innen ausgeschlossen.
(+2)
es ist eine unzureichende vorstellung vom begriff: einhegung, wenn dieser auf die ultimate beseitigung jeder form von gewalt verkürzt wird. Einhegung der gewalt kann nur auf die einschränkung bestimmter formen von gewalt fokussiert werden. Die aufgabe der politik ist es, diese einschränkungen zu definieren und auch durchzusetzen(§1).
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(§1)   argument: //==>2.62.11.
(+3)
eine theorie des rechts, den frieden als zweck behauptend, ist dann rational nicht nachvollziehbar, wenn die vernichtung des genossen, wahrgenommen als feind, zum programm erhoben ist - das ist die logik des nomos der erde, den Carl Schmitt propagiert(§1).
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(§1)   argument: //==>2.62.07/(d/13/*5).  //        (b/07/*2)<==//      (b/07)<==//
(08)
der vertrag ist das mittel zum zweck. In ihrer funktion sind zweck und mittel nicht austauschbar(*1). Die bedingungen, denen ein vertrag als mittel zum frieden genügen muss, hat Immanuel Kant in seinem traktat zum ewigen frieden klar dargelegt(*2), den frieden als zweck aber nur angedeutet(*3). Das, was der frieden sein soll, das fixiert das individuum als ich in seiner autonomen entscheidung, das mittel dazu, der vertrag, legt es in seiner bindung an die autonome entscheidung fest, in absprache mit dem genossen, der in gleicher weise handelt.
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(*1)
die einrede ist plausibel, dass die damen/herren: politiker, in ihrem praktischen verkehr die zwecke mit den mitteln vertauschen. Der vertrag ist zum selbstzweck erklärt und über seine pünktliche erfüllung geht der frieden verloren. Als mittel zum zweck wird der frieden gebraucht(+1) und das erstaunen ist immer dann grooss, wenn konstatiert werden muss, dass die sogenannten friedfertigen nur die gewalt in ihren schrecklichen formen potenzieren(+2). Die vertauschung von mittel und zweck hat ihren grund nicht nur in der unfähigkeit und dummheit der politischen eliten, auch im zynischen kalkül der damen/herren: politiker, jeder für sich, ist dieser grund verortet, wenn sie, die politiker der macht, versuchen, den frieden mit krieg erzwingen zu wollen(+3).
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(+1)
das ist die logik des pazifismus in allen seinen formen, die resultate sind desaströs.
(+2)
das ist die logik der policy of appeasement, die resultate sind auch desaströs.
(+3)
diese logik hat Carl von Clausewitz mit seinen analysen kriegerischer prozesse auf den begriff gebracht(§1).
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(§1) argument: //==>2.62.07/(d/06).  //     (b/08/*1)<==//
(*2)
so diskutiert auch Kant im traktat vorrangig juristische fragen, die im völkerrecht ihren fokus haben. Die fragen des friedens, einbezogen das pendant: der krieg als kabinettskrieg, werden in der politischen ordnung des 18.jahrhunderts als zwischenstaatliche probleme gehändelt. Zwar ist der gesellschaftliche frieden als problem auch immer präsent gewesen, aber auf dem spielplan des welttheaters steht dieses problem erst seit der französischen Revolution(1789-1793).    (b/08/*2)<==//
(*3)
in seiner erzählung vom wirtshausschild: zum ewigen frieden, spricht Kant von den "Philosophen, die jenen süßen Traum träumen"(+1). Als auspinselung des bildes: der traum vom frieden, ist die auskunft Kant's mager, und doch ist in diesem bild alles enthalten, was den frieden ausmacht(+2).
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(+1) Kant,Immanuel: Zum ewigen Frieden. Bd.XI, p.195 (BA3). /bibliographie //==>2.93.73.
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(+2) denn träumen können den süssen traum von frieden nur das individuum als ich und sein genosse, jeder für sich, die menge ihrer erfahrungen kombinierend.        (b/08/*3)<==//       (b/08)<==//
(09)
das wahrhaftige handeln der damen/herren: politiker, ist das problem des friedens - die wahrheit aber, immer wieder als garant des friedens beschworen, ist nur die beliebige münze, mit der die interessen gehändelt werden, eingeschlossen der missbrauch der wahrheit, der dem jeweils anderen zugeschoben wird. In der klaren trennung Kant's(*1) ist die unterscheidung möglich, den frieden als den zustand zu bestimmen, den das individuum als ich und sein genossen zu verantworten haben; denn sie sind es, die den frieden wollen müssen, der als zustand sozialer beziehungen, nicht das produkt des abstrakten prinzips: wahrheit, ist, ein prinzip, das in seiner auslegung beliebig gedeutet werden kann, sein missbrauch eingeschlossen. Das individuum als ich handelt dann wahrhaftig, wenn es gegen sich selbst treu ist, also wenn es sich in der autonomen entscheidung selbst gebunden hat. Kant zielt ab auf das vertrauen des genossen, das das individuum als ich nur dann erreichen kann, wenn der genosse einen vernünftigen grund hat, dem individuum als ich auch zu trauen. Als benennbares phänomen ist das wahrhaftige handeln des individuums als ich die reale anerkennung des genossen als der_andere, nicht anders der genosse. Dieses handeln ist mit der täuschung und der lüge nicht vereinbar.
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(*1)   //==>anmerkung: (b/04).    //       (b/09)<==//
(10)
das wahrhafte handeln ist eine kategorie der ethik, in deren rahmen das moralische handeln des individuums als ich aus maximen, diese frei gewählt(*1), denkbar ist. Ethik und moral sind keine zwecke, wohl aber mittel zu einem zweck. In dieser struktur, vermittelt in den kategorien der ethik und den maximen der moral, können das individuum als ich und sein genosse ihr zusammenleben in der gemeinsam geteilten welt so organisieren, dass die gewalt, in welchen formen auch immer, nur in den eingehegten formen toleriert ist. Es ist keine minderung des friedens, wenn gewalt gegen das_andere zulässig ist und auch geübt wird, die gewalt gegen den anderen als der_andere ist dagegen ausgeschlossen, weil diese gewalt den frieden (bereits) zerstört hat.
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(*1)
die differenz: autonom oder frei, ist zu beachten. Die autonome entscheidung ist unbedingt, die freie entscheidung ist in der kausalität gebunden, die das individuum als ich in seiner autonomie als ich gesetzt hat. Für seine freie wahl kann das individuum als ich immer einen grund angeben, für seine autonome entscheidung nicht.     (b/10)<==//
(11)
es ist die grosse lüge in der welt, wenn behauptet wird, dass mit den mitteln der gewalt, also mit krieg, der endgültige, ultimate frieden erreicht werden könne - die resultate waren immer nur die perpetuierung der gewalt(*1).
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(*1)
und die belege für diese behauptung? - es genügt, die täglichen nachrichten aus der welt zur kenntnis zu nehmen. Aber was beweisen diese "NEWS"? - eines nicht, dass der friede, den Kant träumt, unmöglich sei.    (b/11)<==//        (b)<==//
(c)
das prinzip der anerkennung des anderen als der_andere zum ersten und zum zweiten die idee des vertrages, den alle, die es betrifft im konsens schliessen, haben als die konstitutiven merkmale des begriffs: frieden, eine gedoppelte funktion, zueinander wechselseitig wirkend. Das prinzip der anerkennung des anderen als der_andere wirkt vor allem nach innen auf das individuum als ich und seinen genossen, jeder für sich, weil sie eine leistung erbringen müssen, die sie dem jeweils anderen nicht abzwingen können(01), erforderlich ist das vertrauen in die gegenleistung des jeweils anderen(02), ein vertrauen, das nicht erzwungen werden kann, weder direkt, die gewalt und die macht scheiden aus, noch indirekt durch verlockungen als verkappte formen der gewalt. Der vertrag wirkt vor allem nach aussen in der sichtbaren form des konsenses, der als verbürgung der anerkennung fungiert(03). In analytischer absicht ist es zulässig, die aussen- und die binnenwirkung voneinander zu trennen, im synthetisierenden urteil aber wirken die beiden merkmale des friedens zusammen, unterscheidbar gewichtet. Darauf zielt Kant ab, wenn er einerseits die wahrhaftigkeit im vertragsschluss und vertragsausführung heraushebt, andererseits aber auch auf die präzisen vereinbarungen pocht, die zu erfüllen sind(04). Das, was als die dialektik von innen und aussen erscheint, das ist für das individuum als ich rational im trialektischen modus fassbar. Die reale situation des friedens(05) ist immer das resultat einer vermittlung von innenwirkung, respektive von aussenwirkung, aber konkret bestimmt ist die anerkennung des anderen als der_andere und die bestimmte vereinbarung im vertrag im horizont des jeweils ausgeschlossenen dritten moments. Die leistung des individuums als ich, autonom als anerkennung des anderen als der_andere erbracht, hat im vertrag bestand, der vertrag hat bestand, wenn die klauseln des vertrags in der leistung der vertragspartner gegründet sind, die ihre leistung autonom erbracht haben(06).
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(01)
die these, dass die anerkennung des anderen als der_andere nicht erzwingbar sei, steht, so wie es scheint, in einem offensichtlichen gegensatz zur erfahrung, aber der einspruch aus der empirie ist falsch. Zwar ist es ein faktum, dass das individuum als ich versucht, den genossen als den anderen zu zwingen, sein interesse anzuerkennen, präziser formuliert: sein interesse zu akzeptieren, und es erreicht auch dieses ziel, weil der genosse, der_andere, nicht stark genug ist, die zumutungen abzuwehren, aber die zusage des genossen, sich den zumutungen des anderen zu beugen, können die bedingung des prinzips der anerkennung des anderen als der_andere nicht erfüllen, weil der genosse seine zusage, sich zu unterwerfen, mit einem "geheimen vorbehalt"(*1) gemacht hat und/oder sein einverständnis eine lüge(*2) ist. Der genötigte genosse wird, das ist eine allgemeine erfahrung, seine "verpflichtung" als gegenstandslos ansehen, wenn er spürt, dass der druck gewichen ist - die alte situation der zwietracht und des unfriedens ist wieder präsent(*3).
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(*1)
Kant,Immanuel: Zum ewigen Frieden. 1.Präliminarartikel. Bd.XI, p.196 (BA5)./bibliographie //==>2.93.73.
(*2)
ders.: Über ein vermeintes Recht aus Menschenliebe zu lügen./ bibliographie //==>2.93.73.
(*3)
jeder siegfrieden ist der grund, den kriegszustand zu repetieren, wenn die gelegenheit günstig ist.     (c/01)<==//
(02)
das vertrauen des individuums als ich in seinen genossen ist mit dem begriff: feind,(*1) nicht vereinbar; auch ist die ausflucht in die feindesliebe verschlossen(*2).
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(*1)
das argument Carl Schmitt's ist falsch, mit dem er versucht, seinen begriff des feindes zu retten, auf die traditionale unterscheidung: hostis und inimicus, zurückgreifend(+1). Diese unterscheidung mag für eine klassifikation einschlägiger feindphänomene noch tauglich sein, sie kann aber das grundverhältnis zwischen dem individuum als ich und seinem genossen keiner rationalen klärung zuführen. Dem zum feind erklärten genossen kann das individuum als ich nicht vertrauen, es fürchtet den genossen, egal, ob dieser ein zivilist ist oder ein soldat.
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(+1)   argument: //==>2.62.06/b/02/*3).
(*2)
der terminus: feindesliebe, ist ein oxymeron, das als terminus in die irre führen muss, aber der terminus kann eine aufklärende funktion haben, wenn er, ein mittel des stils, als provokation instrumentalisiert wird, den widerspruch im begriff als gegensatz in den phänomenen erkennbar machend. In dieser perspektive ist das gebot des Jesus von Nazareth: "Liebet eure Feinde",(Matth.5.44) zu interpretieren, der seine nachfolger aufgefordert hatte, den teuflichen kreis der vergeltung von schuld mit neuer schuld aufzubrechen.    (c/02)<==//
(03)
der vertrag ist eine form der herrschaft. Die details sind in der rechtsordnung geregelt. Insofern ist das völkerrecht die primäre stelle, in der die funktion des friedens sichtbar ist, aber der begriff: friede, ist nicht auf das recht der völker reduziert(*1).
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(*1)
die möglichen formen des friedens können, pars pro toto, einerseits als öffentlicher frieden, andererseits als privater frieden klassifiziert sein. Diese formen, als phänomene des friedens erscheinend, sind unterscheidbar verschieden, aber jede form des friedens muss den bedingungen genügen, die in den prinzipien: anerkennung des anderen als der_andere und im vertrag als symbolischen interessensausgleich fundiert sind.     (c/03)<==//
(04)
es gilt die alte regel: pacta sunt servanda. Es ist aber zu berücksichtigen, dass die wahrheit der regel nur im gelebten moment der gegenwart offenbar sein kann. Es gibt gründe, die, wenn frieden sein soll, auch abgeändert werden können; sie müssen dann geändert werden, wenn die bedingungen für die gründe transformiert worden sind(*1).
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(*1)
Richter,Ulrich: Pacta sunt servanda. adm./bibliographie //==>2.93.76.    (c/04)<==//
(05)
jeder friede ist ein labiler zustand, insofern ist die aussage, der friede sei nur die abwesenheit von krieg, plausibel; denn das, was als frieden erscheint, das kann nur der moment der gelebten gegenwart sein. Der friede als factum der vergangenheit ist ein objekt der erinnerung, erinnert im moment der gelebten gegenwart(*1). Der friede als projektion in die zukunft, das ist das gemalte bild der ruhe in den erinnerten wirrnissen(*2), die im moment der gelebten gegenwart immer etwas anderes sein werden.
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(*1)   das ist die vergoldete vergangenheit
(*2)   //==>anmerkung: (b/08/*3).    //       (c/05)<==//
(06)   argument: //==>2.25.00.     (c/06)<==//        (c)<==//
(d)
der frieden, den krieg einschliessend(01), ist ein phänomen der kultur(02). Das schöne bild ist falsch, wenn die natur(03) trügerisch als idylle dargestellt wird, oder als ein ewiger kampfplatz von leben und gefressen werden, gefürchtet oder ersehnt(04). Das falsche bild der natur ist das spiegelbild der kultur(05), das eine projektion des individuums als ich und seines genossen ist, wenn sie die dinge der welt unterscheiden, über die sie verfügen können. Die meinung steht, dass jedes ding der welt als moment der kultur ihrem willen unterworfen sei, statuiert in den gesetzten kausalitäten. Diesem glauben steht entgegen, dass das individuum als ich und sein genosse diese weltdinge nur dann in ihrer gewalt haben, wenn sie, mit der gesetzten kausalität ordnung schaffend, in übereinstimmung konsens mit dieser kausalität handeln, eine erwartung, die im moment der gelebten gegenwart nicht immer ihr erhofftes gegenstück hat. Es soll gelten, dass, wenn der konsens über die gesetzten kausalitäten(06) realisiert werden kann, auch von einem zustand des friedens gesprochen werde.
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(01)
der frieden und der krieg können als phänomene der welterfahrung immer nur in einem, einander sich ausschliessenden bezug diskutiert werden. Das ist eine beobachtung, die zutreffend mit dem wort: "frieden, das ist die abwesenheit von krieg" gefasst werden kann, eine formel, die in ihrer vagheit aber leer ist, weil die definition eines begriffs per negationem nicht möglich ist. Das problem ist der wechselseitige bezug der phänomene: krieg und frieden, die mit den begriffen unterschieden werden, die, gleichwohl als relationsbegriffe erscheinend, nur klassenbegriffe sein können, denen ein bestimmtes merkmal als differentia specifica zugeordnet ist(*1).
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(*1)   argument: //==>2.62.03.      (d/01)<==//
(02)   argument: //==>2.62.10.     (d/02)<==//
(03)   argument: //==>2.22.32.     (d/03)<==//
(04)
es ist etwas anderes, wenn das individuum als ich und sein genosse die vermeintliche natur als ort der ruhe oder des aufruhrs erfahren, weil die bilder der natur ambivalent sind(*1). Ruhig liegt der see da, aber der hecht jagt den weissfisch - er will leben und stört die ruhe, mit sich im reinen, und sonst ist nichts geschehen ... .
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(*1)
weder ist die natur ein friedvoller zustand, noch ist die kultur der ort der zwietracht - dieser satz ist umkehrbar.      (d/04)<==//
(05)
der satz ist nicht umkehrbar, weil per definitionem in der natur kein individuum benannt werden kann, das als ich diese umkehrung denkt.      (d/05)<==//
(06)
die kausalität der welt, die jedes individuum als ich gesetzt hat, ist das problem des friedens, wahrgenommen als ein phänomen der kultur(*1). Es ist das interesse des individuums als ich, ausgefochten mit dem genossen, diese gesetzte kausalität auch gegen widerstand in raum und zeit durchzusetzen. Der ausweis der legitimität seines interesses ist die autonome entscheidung, an die es sich absolut im moment der gelebten gegenwart selbst gebunden haben muss. Mit seinem genossen muss das individuum als ich die gesetzten kausalitäten(*2) so miteinander kompatibel machen, dass beide zusammen mit den gesetzten kausaltäten als ihrem modus vivendi in frieden auskommen können. Das ist ein konsens, kein kompromiss(*3).
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(*1)
//==>INDEX der argumente, stichwort: individuum als ich.
(*2)
akut ist der streit um die gesetzten kausalitäten in jedem konflikt der ideologien, der religionen ebenso wie der weltanschauungen.
(*3)
jeder vertrag erscheint als kompromiss, aber auf dauer ist jeder kompromiss nur dann tragfähig, wenn er auf einem konsens fundiert ist, in dem die widerstreitenden interessen in einem willen verknüpft sind.      (d/06)<==//         (d)<==//
(e)
Kant's bemerkung, der frieden müsse gestiftet werden, ist kein nebensächliches aperçu(01). Die meinungen, der friede sei entweder das geschenk einer gottheit oder das resultat eines glücklichen zufalls, sind zwar plausible vorstellungen, diese vorstellungen sind aber falsch, weil für das, was als zustand des friedens angesehen wird, nur das gemeinsame werk des individuums als ich und seines genossen benannt werden kann. An diesem werk haben alle, die es betrifft, mitgearbeitet, ausgerichtet auf das gemeinsame ziel, das geglückte leben als zustand des friedens zu schaffen und diesen frieden auf dauer zu stellen(02). Diese arbeit am gemeinsamen werk(03) ist in den situationen des krieges nicht möglich, sie wird aber von allen, die es betrifft, im moment ihrer gelebten gelebten gegenwart in situationen geleistet, die von den zuständen des krieges nicht zu unterscheiden sind(04). Diese erfahrung ist ein faktum, als faktum aber kein beweis, dass der zu stiftende friede in raum und zeit nicht möglich sei.
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(01)
mit seiner bemerkung(*1) zielt Kant darauf ab, dass der friede kein naturzustand sein kann, sondern der frieden ist eine in der kultur zu schaffende ordnung der gesellschaft. Diese erwartung impliziert den gedanken, dass das individuum als ich den zuständen der kriege nicht passiv, also leidend, ausgeliefert sein kann, ein gedanke, der in der fähigkeit des individuums als ich und seines genossen gegründet ist, die konflikte ihrer auseinanderlaufenden interessen so zu gestalten, dass die situationen des krieges vermeidbar sind. Diese aufgabe ist keine leere illusion, aber es ist schwierig, unter den zerstörerischen bedingungen des krieges die situationen zu schaffen, die als utopie des friedens imaginiert werden(*2).
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(*1)
das zitat im kontext. Kant sagt: "Der Friedenszustand unter Menschen, die neben einander leben, ist kein Naturstand (status naturalis), der vielmehr ein Zustand des Krieges ist, d.i. wenn gleich nicht immer ein Ausbruch der Feindseligkeiten, doch immerwährende Bedrohung mit denselben. Er muß also gestiftet werden;"(+1).
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(+1)
Kant,Immanuel: Zum ewigen Frieden. 2.abschnitt. Definitivartikel. (BA18), Bd.XI, p.203. /bibliographie //==>2.93.73.
(*2)   //==>anmerkung: (f).      (e/01)<==//
(02)
die dokumente der historia weisen es aus, dass die zeiten des friedens, das faktum in der perspektive der quantität beurteilt, weit hinter den zeiten der kriege zurückstehen. Dieser frage en detail nachzugehen, wird zwar eine vielzahl von antworten produzieren, aber diese anworten, abhängig von den gewählten perspektiven(*1), werden, obgleich belehrend, das problem nicht auflösen.
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(*1)
eine dieser perspektiven ist die dauer des geschaffenen friedens. Unter den unmittelbaren eindrücken des erfahrenen leids ist das bedürfnis, frieden zu schaffen, zumindest die waffen ruhen zu lassen, so stark, dass die widerstreitenden gegensätze, weil die ressourcen erschöpft sind, in einem kompromiss angeglichen werden können, aber diesem zustand weitgehend austarierter interessen dauer zu verschaffen, das ist die noch grössere herausforderung, der sich alle, die es betrifft, stellen müssen. Der blick auf die dokumente der historia ist ernüchternd.      (e/02)<==//
(03)
der frieden ist, in welcher form auch immer, das resultat der gemeinsamen arbeit des individuums als ich und seines genossen. Mit dem begriff: arbeit,(*1) ist festgelegt, welche formen der lebensäusserungen des individuums als ich in betracht gezogen werden müssen, die für die schaffung von frieden als zustand der gesellschaftlichen ordnung relevant sind.
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(*1)   argument: //==>2.22.05.     (e/03)<==//
(04)
die arbeit am frieden(*1), in ihrer geschaffenen kultur geleistet vom individuum als ich und seinem genossen, ist in dem horizont eingeschlossen, der durch die natur markiert ist, die, als kultur erscheinend, eingehegt sein muss, wenn der frieden in dauer gehalten werden soll. Als gattungswesen sind das individuum als ich und sein genosse ein teil der natur, die als zustand, weder ein zustand des friedens noch des krieges seiend, labil ist, weil das exemplar, strukturell in seiner existenz gefährdet, schon im nächsten moment vernichtet sein kann. Im zustand der kultur ist die struktur der natur ambivalent, die als struktur der kultur manifest ist in der ungleichen verteilung der güter(*2), die für die erhaltung der existenz unabdingbar sind. In der kultur ist jede soziale beziehung, ausgewiesen als gestifteter frieden, ein herrschaftsverhältnis, das, bestimmt im horizont der machtverteilung, das erbteil der natur nicht ausschliessen kann. Ohne das moment der macht ist kein gestifteter frieden, herrschaft und macht austarierend(*3), auf dauer gesichert. Auf der skala der möglichkeiten gibt es bereiche, in denen die herrschaft dominiert, gemessen am ideal, aber auch formen, in denen die macht dominierend ist. Die denkbaren klassifikationen dieser phänomene werden immer streitig sein.
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(*1)
geläufig ist der terminus: friedensarbeiter, eigentlich ein unverdächtiges wort, wenn nicht das ressentiment mitschwänge, alle die auszuschliessen, die, weil sie einen anderen frieden wollen, von den friedensarbeitern ausgegrenzt werden und so der anlass für neue konflikte sind. Die streitfrage ist, wer von den beiden gruppen, den angestrebten frieden wollend, aber verschiedenes meinend, der störer des friedens sein soll - selbstredend der andere und der konflikt ist perpetuiert.      (e/04/*1)<==//
(*2)
die ungleiche verteilung der chancen in der natur ist ein faktum, nicht anders die verteilung der güter in der kultur. Als funktion wirken diese ungleichheiten, in natur und/oder kultur, äquivalent, ihre begründungen aber sind different und sollten nicht miteinander vermengt werden. In der natur ist das exemplar mit situationen konfrontiert, die für die existenz günstig sein können oder auch nicht - so oder so. In der kultur sind das individuum als ich und sein genosse mit ungleich verteilten chancen konfrontiert, die das resultat ihrer arbeit sind, den jeweils anderen mit gründen des rechts vom zugang zu den ressourcen der existenz ausschliessend. Der anteil des genossen wie des individuums als ich am zu schaffenden frieden und diesen in dauer haltend, ist gemäss der individuell verfügbaren güter gewichtet, die der anlass neuer konflikte sind(+1).
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(+1)
gemeinhin wird dieses problem unter dem stichwort: neid, abgehandelt. In dieser situation, die nicht mit den zuständen im krieg gleichgesetzt werden sollten, obgleich zum verwechseln ähnlich, ist der frieden von allen, die es betrifft, zu schaffen. - Die resultate in der historia sind mager.     (e/04/*2)<==//
(*3)
in der dialektik von herrschaft und macht ist das geheimnis des ewigen friedens gegründet. Macht ist unabdingbar, wenn der frieden dauern soll, aber ohne die herrschaft kann kein friede sein.       (e/04/*3)<==//         (e/04)<==//        (e)<==//
(f)
die definition des friedens ist nur in der form einer utopie möglich(01). Der imaginierte frieden ist als projektion in die zukunft das spiegelbild der facta der vergangenheit, die das individuum als ich erinnert. Konstitutiv für jedes bild eines friedens ist der bezug auf die facta der vergangenheit, die das individuum als ich im moment der gelebten gegenwart erinnert und die, erinnert als factum der vergangenheit, in diese abgesunken sind. Insofern ist der gestiftete frieden als utopie ein nicht eingelöstes versprechen, das der einlösung noch harrt. Der begriff: frieden, präsent als die gemalten bildern des noch nicht(02), wird aber nach den regeln der kunst klassifiziert und mit diesen klassifikationen werden die diskurse über den frieden auch geführt(03).
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(01)
die definition des friedens als utopie ist eine der denkbaren perspektiven(*1). Eine andere perspektive ist die definition des friedens als rechtsbegriff(*2).
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(*1)
auch dann, wenn der begriff: utopie,(+1) schlecht beleumundet ist, sollte seine funktion in einer theorie des begriffs: das_politische, nicht ignoriert werden. Immanuel Kant war kein träumer gewesen, der, als er über den ewigen frieden reflektierte, einem phantasma nachgespürt hatte(+2).
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(+1)   argument: //==>2.22.51.
(+2)
Immanuel Kant zweifelte nicht daran, dass sein traum eines "Ewigen Friedens" notwendig sei, wenn das, was mit dem terminus: das_humanum, bezeichnet wird, nicht ein leeres gerede sein soll, aber er wusste auch, dass dieser traum sich von den schwätzereien jenes geistersehers unterscheidet, der in seiner zeit die gemüter medial aufregt hatte(§1).
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(§1)
Kant,Immanuel: Träume eines Geistersehers, erläutert durch die Träume der Metaphysik. Bd.II. p.919-989. /bibliographie //==>2.93.73.
(*2)
die details des rechtsbegriffs: frieden, sind der gegenstand jener theorien, die in der jurisprudenz und politologie erörtert werden. Sie können hier beiseite gestellt bleiben.       (f/01)<==//
(02)
Ernst Bloch's begriff des utopischen denkens wird in den debatten zumeist auf die kurzformel: noch nicht, reduziert. In der tendenz ist die verkürzung des gedankens nicht falsch, aber der gedanke wird nicht präzis genug bezeichnet. Ernst Bloch hat den gedanken des noch nicht mit dem terminus: "das Noch-Nicht-Bewußte", gefasst(*1). Das, was im bild als utopie aufscheint, das sind die facta der vergangenheit, die als das "Nicht-Mehr-Bewußte" elemente im unbewussten sind(*2). Ernst Bloch, der auf die lehre Sigmund Freud's zurückgreift, dass "das Unbewußte ((...)) das Vergessene ((...)) oder das Verdrängte" sei(*3), weist der utopie die funktion zu, das, was einmal gewesen war, in den moment der gelebten gegenwart zurückzuholen, aber das zurückgeholte ist nur als projektion in die zukunft real fassbar. Das sprechen über den frieden ist im moment der gelebten gegenwart immer das sprechen über das, was noch nicht ist, das aber sein kann und das sein soll.
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(*1)
das zitat im kontext. Ernst Bloch sagt: "Das Noch-Nicht-Bewußte ist so einzig das Vorbewußte des Kommenden, der psychische Geburtsort des Neuen"(+1).
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(+1)
Bloch,Ernst: Das Prinzip Hoffnung. p.132./bibliographie //==>2.94.10.
(*2)   a.a.O. p.130.
(*3)   a.a.O. p.130-131.       (f/02)<==//
(03)
die weitläufige kasuistik der möglichen friedensbegriffe, real als phänomene, fasse Ich in einem kursorischen überblick zusammen(*1), ein resumee, das den anforderungen einer systematischen klassifikation nicht entspricht(*2), weil das, was als definition des begriffs erscheint, nur bestimmte ansichten darüber sein können, was als frieden angesehen wird. Fünf perspektiven werden gelistet, die voneinander hinreichend unterscheidbar sind.

1. die meinung, dass der friede als abwesenheit von krieg zu definieren sei.

Es ist ein geläufiges gerede, den zustand des friedens durch die abwesenheit der kriegsgewalt zu bestimmen(*3). Dieses gerede ist dann plausibel, wenn die erfahrung der kriegsgewalt unmittelbar gemacht worden ist. Der versuch aber, mit diesen erfahrungen den frieden als einen zustand der gesellschaft definieren zu wollen, geht fehl, weil per negationem das konstitutive merkmal des begriffs nicht definiert werden kann. Auch führt der versuch nicht weiter, aus dem zur formel geronnenen gegensatz: krieg und frieden, eine logisch konsistente definition, sei es des friedens oder des krieges, ableiten zu wollen. Krieg und frieden sind zustände sui generis, die in der kultur als gegensätze immer aufeinander bezogen wahrgenommen werden, deren gründe aber nicht vergleichbar sind.
2. die these, dass der friede ein spiel sei.
Die definition, jeder friede sei ein spiel(*4), ist begründet. Das, was das spiel auszeichnet, eine bestimmte situation in der gesellschaft als konflikt auszuleben, ohne den anderen zu verletzen, das wird in der situation des realen friedens geleistet. Der konflikt wird einer bestimmten lösung zugeführt, und die gefundene lösung taugt dazu, den konflikt in einem neuen spiel wieder durchzuleben(*5).
3. die anforderung, dass der dauerhafte friede dynamisch gestaltet sei.
Der ironische ton sollte nicht überhört werden, wenn Kant auf das wirtshausschild: zum ewigen frieden, hinweist, das das bild eines kirchhofs zeigt(*6). Den frieden mit der ruhe des kirchhofs zu identifizieren, das ist ein teil der tradition, präziser formuliert, jener ideologie der mächtigen, die die gewalt des krieges mit dem tod ihrer opfer rechtfertigen, bombastisch aufgeblasen in den schädelstätten der helden, der sogenannten. Der friede auf erden wird nicht in der gloria der helden realisiert, von denen die verwalter der kriegsgewalt misstönend posaunen, sondern der frieden ist in den bildern des humanum gemalt, das, sich im raum von leben und tod entfaltend, im tod nicht vollendet sein wird, aber real ist in der dynamik des lebens. Kant's hinweis, dass der frieden gestiftet werden müsse, ist das schibboleth des friedens, auch dann, wenn die materiellen voraussetzungen für alle in der (bürgerlichen) welt ungleich verteilt sind. Die gewalt des krieges ist nicht das maass der dinge, das maass des friedens ist die aktive teilnahme aller, die es betrifft, am gesellschaftlichen prozess, der, das sollte nicht übersehen werden, auch die konflikte um die existenziellen interessen einschliesst. Nicht der konflikt ist das problem, das das individuum als ich und sein genosse auflösen müssen, ihr problem ist die (aktive) gestaltung dieser konflikte, wenn sie diese konflikte händeln, ohne sich einander zu schädigen.
4. die feststellung, dass der friede die organisierte herrschaft sei.
Der friede ist als zustand der gesellschaft eine ordnung, die durch die regeln der vereinbarten herrschaft(*7) gesichert ist. Die bedingung der herrschaft ist, dass das zur herrschaft befugte individuum als ich sich selbst ebenso gehorsam ist, wie der genosse sich selbst gehorsam sein muss, der herrschaft sich unterstellend. Der friede ist im gehorsam fundiert(*8), den das individuum als ich und der genosse, jeder für sich, leisten, wenn sie den vereinbarten frieden wollen. Sie können den frieden mit den verfügbaren machtmitteln nicht konstituieren, gleichwohl sie den vereinbarten frieden mit ihrer macht auf dauer sichern.
5. das versprechen, dass der friede als erlösung gelebt werden könne.
Die idee, dass der friede als eine form der erlösung definiert sein könnte, ist alt. Das alter macht diese idee zwar nicht wahr, aber plausibel, weil in den wirrnissen des moments der gelebten gegenwart, der frieden die verheissung ist, das elend möge ein ende haben. Die erlösung als idee ist eine verlockung, die, wenn auch in die irre führend, im moment der gelebten gegenwart als alternative präsent ist. Dieses schema ist ein teil der methoden, deren sich die prediger der religionen bedienen, wenn sie vom frieden reden, dem krieg das feld bereitend. Die verlockung hat viele gesichter(*9), die in dem moment koinzieren, dass der frieden als erlösung ein falsches versprechen ist, das versprechen, das nur im tod des individuums einlösbar ist, das ein ich gewesen war - es ist der rückfall in das, was Ich mit dem zeichen: NATUR, kenntlich mache. Das problem ist nicht der physische tod als erbteil der natur, aber der tod als ein seiendes ist ein teil der erfahrung, mit der die nachlebenden konfrontiert sind, weil sie im tod des genossen ihr schicksal vorweggenommen erfahren. Es ist möglich, den tod als erlösung, d.h. als flucht aus der realen not zu interpretieren, aber der tod kann nicht als realität gelebt werden. In diesem sinn ist die gesamte todesmetaphysik eine lüge, nicht vereinbar mit dem frieden, aber ein teil des krieges.
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(*1)   argument: //==>2.63.21.      (f/03/*1)<==//
(*2)
es ist billig, eine systematik der perspektiven einzufordern. Vollständigkeit wird mit der auflistung möglicher friedensbegriffe nicht angestrebt, damit ist das erfordernis einer systematik der benannten gegenstände auch nicht erfüllbar. Der zweck ist schon erreicht, wenn die liste soweit gegliedert ist, dass ein überblick über die einschlägigen phänomene möglich wird.       (f/03/*2)<==//
(*3)
pars pro toto wird Johann Galtung zitiert. Ich kann seiner begriffsbestimmung, der frieden sei die abwesenheit von gewalt, nicht folgen      (f/03/*3)<==//
(*4)
es sollte aber nicht übersehen werden, dass die stiftung des friedens und seine erhaltung in dauer kein landläufiges spiel ist, man sagt zutreffender: eine spielerei. In jedem moment der gelebten gegenwart ist der frieden eine ernsthafte sache.      (f/03/*4)<==//
(*5)   argument: //==>2.62.05/(f).      (f/03/*5)<==//
(*6)
Kant,Immanuel: Zum Ewigen Frieden. (BA3) Bd.XI, p.195. /bibliographie //==>2.93.73.      (f/03/*6)<==//
(*7)
die argumente im umkreis des begriffs: herrschaft, sind hier heranzuziehen(+1).
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(+1)   argumente: //==>2.52.04-15.      (f/03/*7)<==//
(*8)   argument: //==>2.52.07.       (f/03/*8)<==//
(*9)
eine dieser ansichten ist die nirwanalehre des buddhismus(+1). Die monotheistischen religionen, auf Moses zurückgehend, propagieren das paradies(+2). In den schöpfungsmythen wird die welt als ein ewiger kreislauf gedeutet(+3). Nicht übersehen werde sollte das motiv der romantik, das die erfüllung des lebens im tod verklärt(+4). Das argument, in dem diese vorstellungen koinzidieren, ist die behauptung, dass die welt nach dem tode eine reine welt geworden sei, zumindest sei diese welt nicht kontaminiert mit den dingen der bekannten welt, die das leben zur qual gemacht hatten. Diese vorstellungen des friedsamen lebens im tod sind projektionen in die zukunft, die das bild eines friedens vorgaukeln, das als reale gewalt im moment der gelebten gegenwart wahrgenommen wird, der gewalt nämlich, die die ideologen der gewalt propagieren, den frieden falsch predigend(+5).
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(+1)
das nirwana ist der endpunkt einer langen entwicklung, die der gläubige durchlaufen muss, bis er völlig vom schmutz des unreinen lebens gereinigt ist. Der ferne punkt der erlösung mag als trost wirken, aber es ist ein falsches versprechen, das im hier und jetzt reale gewalt ist.       (f/03/*9/+1)<==//
(+2)
das paradies ist eine chimäre, das wissen die maler des jüngsten gerichts präzis, wenn sie das paradies mit der hölle zusammen malen.       (f/03/*9/+2)<==//
(+3)
das modell des ewigen kreislaufs von leben und tod ist dann rational begreifbar, wenn im bild des kreises jeder punkt auf der kreislinie als leben im tod und tod im leben gedeutet wird. In diesen vorstellungen ist die möglichkeit des friedens, begrenzt im horizont des krieges nicht ausgeschlossen; das argument gilt auch umgekehrt.       (f/03/*9/+3)<==//
(+4)   //==>INDEX der argumente, stichwort: romantik.       (f/03/*9/+4)<==//
(+5)
in den gegenwärtigen debatten über den globalen terror sollte der aspekt nicht ausgeblendet werden, dass es das ziel der terroristen sei, so sagen sie es, den endgültigen frieden auf erden zu schaffen. Im namen des geglaubten gottes(§1) wird ihrem gotte ein reich des friedens untergeschoben, von dem sie wissen, dass es nur ihr interesse sein kann, das sie mit gewalt dem jeweils anderen aufzwingen.
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(§1)
aktuell stehen die moslems am pranger; das ist genauso falsch und irreführend, wie es falsch ist, die christen pauschal als unmenschen zu brandmarken für die gräuel weniger missionare, die nicht ihren leidenen christus im herzen hatten, aber das gold der opfer im sack.        (f/03/*9/+5)<==//           (f/03/*9)<==//           (f/03/)<==//           (f)<==//
(g)
wenn der blick über die welt und ihre historia schweift, dann ist der friede als phänomen nirgends zu erblicken(01). Der frieden wird als ausständig erfahren, als ein versprechen, das das individuum als ich und sein genosse, wenn sie als ich leben wollen, wechselseitig einlösen müssen(02).
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(01)
es ist eine frage der perspektive, ob die phänomene des friedens entdeckt werden sollen oder nicht. Fixiert auf den kirchturm wird der friede als zustand der gesellschaft leichter erblickt als wenn der blick global fokussiert ist. Das ritual ist aufreizend ärgerlich, wenn die friedensforschungsinstitute der welt vermelden, getaktet im jahresrhythmus, dass es wieder soundsoviele konflikte in der welt gegeben habe, die als krieg oder kriegsähnlich klassifiziert sind. Kein besseres bild wird bereitgehalten, wenn in die analen der historia geblickt wird und festgestellt werden muss, dass die phasen des friedens nur kurz gewesen sind, die spanne einer generation selten überschreitend(*1).
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(*1)
es ist positiv anzumerken, dass zumindest Europa nach dem verheerenden 2.weltkrieg(1939-1945) eine phase des friedens(1945-2014) erlebt hat, aber das urteil ist dann erheblich einzuschränken, wenn diese lange "friedenszeit" en detail untersucht wird. Es ist verwegen, die phase des sogenannten Kalten Krieges(1946-1989) als friedenszeit zu klassifizieren. Das urteil ist ohne eingreifende retouchen in der historischen wahrheit nicht haltbar; es genügt, auf die sogenannten stellvertreterkriege hinzuweisen, die im auftrag der groossmächte, zumindest aber mit deren interessengeleiteter billigung, seit dem waffenstillstand im jahre 1945 geführt worden sind und auch nach 1989 nicht eingestellt wurden.
(02)
quantitativ belegbar ist, dass die berichte über den krieg allemal "fesselnder" sind als die berichte über den frieden. Bad news lassen sich in den medien nun einmal besser vermarkten als good news. Diese beobachtung wird als merkwürdig registriert, aber ein plausibler grund ist nicht verfügbar. Ich stelle nur das faktum fest(*1).
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(*1)   die argumente: //==>2.63.01  //==>2.63.02-20  //==>2.63.21-28.        (g)<==//
(text/1.3.13a)<==//
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fortsetzung:
subtext: 2.62.09 bis 2.62.13

<==// (anfang/bibliograpische angaben)

stand: 16.04.01.

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